Heute werden sie wohl kaum zu übersehen sein: studentische Beschäftigte. Heute sind sie nicht im Seminar-Raum oder Arbeitsgruppen-Meeting. Heute sind sie auf der Straße. Denn es geht um viel: einen Tarifvertrag. In den nächsten Wochen entscheidet sich, ob alle studentischen Beschäftigten eine einheitliche und ausreichende Bezahlung bekommen, Anspruch auf Urlaubstage haben und an ihrem Arbeitsplatz mitbestimmen dürfen.
Dafür setzt sich die Kampagne TVStud ein. Warum ich diese Kampagne unterstütze und mit auf die Straße gehe, erkläre ich hier:
Freunde meiner Eltern haben oft erzählt, die Uni-Zeit sei die beste Zeit ihres Lebens gewesen. Neue Freund:innen finden, auf WG-Partys bis in die frühen Morgenstunden feiern und die Freiheit eines selbstbestimmten Alltags genießen. Heute können sich viele Studierende nur denken: "I wish".
Mir ist wichtig: Es geht hier nicht darum, wer es besser hat. Niemand hat was davon, uns gegen die Generation unserer Eltern auszuspielen. Mein Punkt ist der: Die Zeit an der Uni kann richtig toll sein – ist sie aber für viele leider nicht.
Die Realität von vielen Studierenden sieht oft eher so aus: Das Bafög reicht nicht, die Miete ist zu teuer, der Döner ist fast schon zum Luxusgut geworden. Am Nebenjob zusätzlich zum Vollzeitstudium führt oft kein Weg vorbei. Einige finden dafür einen Job an der Uni, viele davon als studentische Beschäftigte.
Ob als Tutor:in im Seminar oder Hilfskraft am Lehrstuhl – diese Jobs sind häufig eine coole Möglichkeit, Einblicke in die Wissenschaft zu bekommen, sich selbst in der Lehre auszuprobieren oder eigene Projekte umzusetzen.
Klingt erstmal gut, aber die Realität ist auch: extrem kurze Vertragslaufzeiten, Anspruch auf Urlaub sowie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wird oft nicht durchgesetzt, knapp 80 Prozent der studentischen Beschäftigten sind armutsgefährdet. Kurz: Studentische Beschäftigte sind meistens prekär beschäftigt.
Prekäre Beschäftigung muss aber nicht sein. Und da kommt der Tarifvertrag ins Spiel. Die Kampagne TVStud möchte in den aktuellen Tarifverhandlungen der Länder einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte an den Hochschulen durchsetzen. In Tarifverträgen werden beispielsweise einheitliche Bezahlung, Urlaubstage und Vertragsumfänge – kurz also Arbeitsbedingungen – festgelegt.
Tarifverträge werden zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften ausgehandelt: in diesem Fall zwischen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder für die Bundesländer, die Hochschulen betreiben, und den Gewerkschaften ver.di und GEW.
Was daran so besonders ist? Anders als bei einem individuell ausgehandelten Arbeitsvertrag, können Gewerkschaften durch Streiks Druck machen, wenn sich der Arbeitgeber nicht auf die Arbeitnehmer zubewegt.
Die Beschäftigten sind also nicht allein und haben eine gemeinsame Streikmacht. In Branchen, in denen nach Tarif bezahlt wird, sind die Arbeitsbedingungen besser und die Zufriedenheit durch bessere Mitbestimmung höher. Eigentlich werden alle Beschäftigten an Hochschulen nach Tarif bezahlt. Eigentlich – denn für studentische Beschäftigte gilt das nicht. Und gerade deshalb braucht es so dringend diesen Tarifvertrag.
Die Forderungen dafür sind: 16,50 Euro Stundenlohn im ersten Jahr der Beschäftigung, ein Ende der Kettenbefristungen und die Berücksichtigung gesetzlicher Mindeststandards bei Urlaubs- und Krankheitstagen.
Ein Tarifvertrag fällt leider nicht vom Himmel. Obwohl sieben Landesregierungen ihn in ihrem Koalitionsvertrag stehen haben, zwei weitere sich für Verbesserungen und eine Tarifierung nachträglich ausgesprochen haben und es in Berlin bereits ein Tarifgebiet gibt, sperren sich die Bundesländer. Und das, obwohl Studierende den Tarifvertrag seit Jahren einfordern.
Die Landesregierungen müssen sich endlich bewegen – und das betrifft natürlich auch die Grünen in den Ländern. Wenn die Länder sich aber offensichtlich nicht von alleine bewegen, dann müssen sie halt bewegt werden.
Also: Es braucht Druck – von der Straße, aus dem Hörsaal, aus dem Tutorium. Und genau deswegen schließe ich mich heute an. Heute – am Hochschulaktionstag – gehen wir gemeinsam in über 70 Städten auf die Straße. Gemeinsam erhöhen wir den Druck auf die Tarifverhandlungen. Damit Studis endlich fair beschäftigt werden.
Studentische Beschäftigte sind nicht die einzigen, die gerade für bessere Löhne und gute Arbeitsbedingungen kämpfen. An so vielen Orten streiken Beschäftigte – sei es an Schulen, Uni-Kliniken oder Verwaltungen. Gewerkschaften sind das mächtigste Mittel, was wir haben, um uns gegen Ausbeutung zu wehren.
Und auch, wenn ich gerade nicht an einer Hochschule arbeite. Ich weiß: Nur mit Gewerkschaften sind wir stark. Egal, in welcher Branche ich gerade arbeite oder perspektivisch arbeiten werde – ich will eine gute Beschäftigung. Wenn sich die Arbeitsbedingungen in einer Branche durch gewerkschaftliche Kämpfe verbessern, dann wirkt sich das in der Regel positiv auf weitere Branchen aus.
Denn auch Arbeitgeber konkurrieren um Beschäftigte. Deshalb unterstütze ich TVStud. Deshalb bin ich stolzes Gewerkschaftsmitglied. Für meine Freund:innen an den Hochschulen, für meine Bekannten in anderen Branchen und im Endeffekt auch für mich.
Gute Arbeitsbedingungen gibt es nicht einfach so. Aber wir wissen, dass sie schon so oft erkämpft wurden. Deshalb werden wir es auch diesmal schaffen. Her mit dem Tarifvertrag. Her mit dem guten Leben für Studis!