Der Safer Internet Day soll für eine langfristige Sensibilisierung und Medienkompetenz für die Gefahren im Internet sorgen.Bild: Pexels / Junior Teixeira
Gastbeitrag
Am Safer Internet Day machen die Grünen-Politiker:innen Tobias Bacherle und Denise Loop deutlich: Kinder und Jugendliche sind nicht selbst für ihre Sicherheit im Netz verantwortlich. Sie zu schützen, ihnen aber gleichzeitig ihre Freiheit zu lassen, sei Aufgabe der Politik. Ein Gastbeitrag.
Von Tobias Bacherle und Denise Loop
Der Alltag von Kindern findet heute längst im digitalen Raum statt. Spiele, Chatten, Tiktok – auch das Durchschnittsalter der Kinder, die das Internet nutzen, wird immer jünger. Digitale Medien gehören zum Alltag von Kindern und Jugendlichen. Ihr Schutz und auch ihre Rechte im digitalen Raum werden immer wichtiger. Klar ist: Verfassungsrechtlich verankerter Kinderschutz, Grundrechte und Privatsphäre müssen im digitalen Raum zusammengedacht werden.
Mit der Verjüngung der User:innen steigt die Herausforderung, das Internet zu einem offenen, selbstbestimmten und demokratischen Raum zu machen. Einem Raum, in dem sich Kinder und Jugendliche frei bewegen und ihre Persönlichkeit entfalten können, sowie hinsichtlich all ihrer Rechte explizit geschützt werden.
Tobias BacherleBild: Grüne / Sigle
Denise LoopBild: Grüne
Über die Autor:innen
Tobias Bacherle ist 28 Jahre und vertritt den Wahlkreis Böblingen seit 2021 für die Grünen im Bundestag. Er sitzt im Ausschuss für Digitales und im Auswärtigen Ausschuss.
Denise Loop ist ebenfalls 28 Jahre alt und auch seit 2021 für die Grünen im Bundestag. Ihr Wahlkreis ist Dithmarschen. Loop engagiert sich im Familienausschuss.
Wie also kann eine freie Entfaltung der Persönlichkeit und Selbstbestimmung im Internet und zugleich ein starker, konsequenter Schutz gegen Gefahren wie Grooming, sexualisierte Gewalt und die Verbreitung solcher Inhalte gewährleistet werden? Zur Realität des digitalen Zeitalters gehört, dass auch Kinder und Jugendliche digitale Rechte haben – das heißt, ein Recht auf einen freien und sicheren Zugang zum Netz.
Kinder und Jugendliche verbringen große Teile ihrer Freizeit im Internet. Hier geht es auf der einen Seite also um digitale Teilhabe, um die Möglichkeit, selbst entscheiden zu können, auf welchen Social-Media-Plattformen ich mich anmelde und Teil einer Community und Kultur sein möchte. Besonders queere Jugendliche finden im Internet Ansprechpersonen und Verbündete, wenn sie sich auf der Suche nach ihrer eigenen Identität machen und diese im unmittelbaren sozialen Umfeld nicht finden oder dort nicht auf Akzeptanz stoßen.
Es gilt also auch, die Grundrechte von Kindern online zu wahren. Jegliche Kommunikation anlasslos per Chatkontrollen zu überwachen – etwa über explizit eingebaute Sicherheitslücken (das sog. Client Side Scanning) –, gilt es daher abzulehnen. Auch eine Identifizierungspflicht, etwa durch eine Klarnamenpflicht oder eine deanonymisierte Altersverifikation im Netz, kann besonders auch für Kinder keine Lösung in der Frage sein, wie wir ein sicheres Internet für Kinder gewährleisten.
Spiele, Chatten, Tiktok – das Durchschnittsalter der Nutzer:innen sinkt stetig.Bild: Pexels / cottonbro studio
Denn auch Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf informelle Selbstbestimmung und eben die anonyme oder pseudonyme Nutzung des Internets.
Zur Realität gehört aber genauso: Wir müssen gewährleisten, dass sich Kinder auf einen effektiven, konsequenten und wirksamen Schutz vor Gewalt im Internet verlassen können. Weltweit sehen wir aber, dass sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Netz, deren Darstellung und Verbreitung in den vergangenen Jahren immens in die Höhe geschnellt ist.
Dies bedeutet unfassbares Leid für die Betroffenen.
Menschen, die in jungen Jahren Opfer sexualisierter Gewalt werden, leiden oft ein Leben lang an schwersten psychischen und körperlichen Folgen der Übergriffe. Jede Person, die Abbildungen sexualisierter Gewalt an Kindern verbreitet und herunterlädt, trägt hierbei eine Mitschuld und sollte die entsprechenden rechtlichen Konsequenzen tragen.
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Dabei erfordert die Bekämpfung von sexualisierter Gewalt an Kindern einen Ansatz, der neben effektiven Strafverfolgungsmöglichkeiten auch die Präventionsarbeit stärkt und eine kinderrechtliche Perspektive einnimmt. Neben der Prävention, die immer ein unverzichtbarer Teil des Kinderschutzes ist, muss es daher einfache, sichtbare und zugängliche Möglichkeiten geben, um Inhalte sexualisierter Gewalt zu melden und sich unmittelbare Hilfe zu suchen.
Dazu gehört der Ausbau der klassischen Hilfe- und Meldesysteme für Opfer sexualisierter Gewalt. Gleichzeitig müssen Menschen verdächtige Inhalte in Messenger-Chats, in Online-Spielen und in den "For You"-Pages von TikTok und Co. auf digitalem Weg rechtssicher melden können.
Auch die Plattformen müssen hier in die Pflicht genommen werden, für demokratische und gewaltfreie Standards auf ihren Plattformen zu sorgen. Damit sie das Risiko für Gewalttaten auf ihren Plattformen reduzieren können – und etwaiges Löschen, Sperren, Melden und Ermitteln schnell, wirksam und konsequent angehen.
Zudem ist dabei zentral, dass gemeldetes Material, welches noch nicht gelöscht werden konnte, nicht mehr angezeigt werden kann. Darüber hinaus müssen die Ermittlungsbehörden für eine effektive und umsetzbare Bekämpfung sexualisierter Gewalt an Kindern personell und auch strukturell weiter ausgebaut werden. Das von der EU-Kommission vorgeschlagene europaweite Koordinationszentrum halten wir daher für einen sinnvollen Teil des EU-Verordnungsvorschlags.
Als Politik ist es unsere Aufgabe, die Gesetze und Angebote so zu gestalten, dass Kinder und Jugendliche die Möglichkeiten des Internets kreativ nutzen können. Diese Anforderungen zeigen auch: Es ist die Verantwortung des Umfelds der Kinder und Jugendlichen, durch digitale Schutzkonzepte sichere digitale Räume zu schaffen und zu erhalten.
"Kinder in ihrer Freiheit und Unversehrtheit, genauso wie ihre Privatsphäre zu schützen, sind zwei Seiten einer Medaille und keine Gegenspieler."
Kinder und Jugendliche selbst sind nicht dafür verantwortlich, sich zu schützen.
Kinder in ihrer Freiheit und Unversehrtheit im Netz, genauso wie ihre Privatsphäre im Internet zu schützen, sind also zwei Seiten einer Medaille und keine Gegenspieler, wie in der aktuellen Debatte ja gerne angenommen wird. Erfolgreiche Netz- und Jugendschutzpolitik muss beides gewährleisten. Sie muss eine kinderrechtliche Perspektive einnehmen, die sowohl den Schutz-, den Teilhabe- und den Befähigungsaspekt von Kindern und Jugendlichen in den Blick nimmt.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die skandinavischen Staaten dazu gebracht, ihre Neutralität aufzugeben. Finnland trat im April 2023 der Nato bei. Im März 2024 folgte dann Schweden.