"Cannabis ist gefährlich!" So ließe sich die Rede von Stephan Pilsinger (CSU) am 23. Februar im Bundestag zusammenfassen. Ganz Unrecht hat er nicht. Nur gilt das natürlich auch für Alkohol. Den liebt Pilsinger, der das Pils bereits im Namen trägt, so sehr, dass er sich für den Wahlkampf 2017 ein eigenes Bier brauen ließ.
Dazu erklärte er, man müsse sich auch mal was gönnen. Wer würde dem schon widersprechen? Leider gönnt Pilsinger eben nur, was ihm selbst gefällt. Was ihm missfällt, das möge auch kein anderer konsumieren. Es drohen Geldstrafe oder Gefängnis.
Diese kleine Anekdote ist Ausdruck eines egozentrischen und willkürlichen Freiheitsbegriffs, der bei vielen Konservativen vorherrscht: Freiheit ist immer nur, was ich persönlich als Freiheit empfinde. Das ist nicht der Freiheitsbegriff unseres Grundgesetzes. Das Grundgesetz achtet die Freiheit jedes Einzelnen, egal wie absurd das der CSU erscheinen mag.
Deshalb ist die vom Bundestag beschlossene Teillegalisierung ein großer Erfolg. Konsumenten werden entkriminalisiert und legale Bezugsmöglichkeiten für Cannabis (Eigenanbau und Social Clubs) werden geschaffen. Damit wird der Schwarzmarkt zurückgedrängt und der Kinder- und Jugendschutz verbessert.
Ist das Gesetz perfekt? Natürlich nicht.
Der ursprüngliche Plan der Ampel sah vor, dass auch lizenzierte Shops geschaffen werden. Leider ist das mit dem gegenwärtigen Europäischen Recht nicht vereinbar. Eine kurzfristige Änderung hat keine Erfolgsaussichten. Also musste eine Alternative her.
Wer hieran Kritik übt, der hat nicht unrecht. Die Kritiker sollten sich aber gut überlegen, ob sie die aktuelle Rechtslage einer Teillegalisierung vorziehen.
Über 200.000 Fälle mit Cannabisbezug verfolgen Polizei und Staatsanwaltschaft jährlich, die meisten gegen einfache Konsumierende. Wer Cannabis konsumiert, muss sich in die Illegalität begeben: entweder illegaler Eigenanbau oder illegaler Erwerb vom Dealer nebenan. Letzteres befeuert leider auch die organisierte Kriminalität. Abgeschreckt wird davon niemand.
Trotz Illegalität ist es keine Kunst, an Cannabis zu kommen. Mit der Teillegalisierung wird nun ein legaler Bezug möglich. Das schwächt den Schwarzmarkt und erschwert den Zugang für Kinder und Jugendliche. Denn im Gegensatz zum Dealer wird der Social Club einen Perso sehen wollen und hat keine weiteren, härteren Drogen im Angebot.
Einen Schwarzmarkt wird es auch nach der Teillegalisierung geben. Für Gelegenheitskonsumenten oder spontan Entschlossene ist der Eigenanbau oder die Mitgliedschaft in einem Social Club nicht sonderlich attraktiv. Die einzige legale Möglichkeit ist der gemeinsame Konsum mit einer Person, die selbst anbaut. Hier wären lizenzierte Shops das Mittel der Wahl und bleiben das langfristige Ziel.
Entscheidend aber ist, dass der Schwarzmarkt kleiner wird, sehr viel kleiner. Gegner der Teillegalisierung messen das Cannabisgesetz an einer utopischen Erzählung der Prohibition, in der ein Verbot bewirkt, dass es kein Cannabis gibt. Sexkauf, Schwangerschaftsabbruch, Alkohol: Es gibt kein historisches Beispiel, in dem Prohibition etwas bewirkt hätte.
Der traurige (aktuelle) Höhepunkt: Der "War on Drugs", der seit Jahrzehnten in den USA und auch bei uns in Europa tobt und vor allem einen Gewinner kennt, das organisierte Verbrechen. Deshalb gilt: Nur, wer das Cannabisgesetz daran misst, ob es die aktuelle Situation verbessert, wird zu einer ehrlichen Bewertung kommen können.
Letztlich fußen fast alle Argumente der Gegner auf der Annahme, dass durch die Teillegalisierung der Konsum steige. Für diese Annahme liefern sie keine Belege. In den Niederlanden, wo Cannabis schon lange entkriminalisiert ist, wird weniger gekifft, in Frankreich, wo die Strafen härter sind, mehr.
Dennoch sind die Gegner einer Legalisierung weit gekommen. Denn das Cannabisgesetz droht diesen Freitag im Bundesrat in den Vermittlungsausschuss verwiesen zu werden, mit ungewissem Ausgang.
Vordergründig geht es den Ländern um die Amnestieregel. Diese besagt, dass, wer derzeit wegen Cannabis im Gefängnis sitzt und nach der neuen Rechtslage straffrei wäre, auch frei kommen soll. Eigentlich ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit. Niemand leugnet, dass damit Arbeitsaufwand auf die Justiz zukommt.
Wäre eine großzügigere Umsetzungsfrist deshalb besser? Gut möglich.
Aber die Mehrarbeit wird übertrieben dargestellt. Von hunderttausenden Fällen ist die Rede. Tatsächlich geht es nach den Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums um maximal 7500 Fälle. Der sächsische Ministerpräsident Kretschmer offenbarte dann kürzlich auch das wahre Motiv jedenfalls einiger (unionsgeführter) Bundesländer: Das Gesetz solle den Vermittlungsausschuss niemals verlassen und dort zugrunde gehen.
Dieses Spiel der Union dürfen FDP, Grüne und SPD nicht mitmachen. Eine zweite Chance zur Legalisierung wird es in den nächsten zehn Jahren nicht geben. Die Ampel-Parteien sollten daher am Freitag das Go für die historische Legalisierung geben.