Sie ist wieder da: Die Debatte über eine mögliche Impfpflicht für Kinder gegen Masern. Anlass ist eine verstärkte Häufung von Masernfällen unter anderem im Raum Hildesheim. Während Kinderärzte schon länger eine Impfpflicht fordern, stand die Bundesregierung dem bislang skeptisch gegenüber. Das könnte sich nun ändern.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat erklärt, er sei mit dem Gesundheitsminister Jens Spahn wegen einer möglichen Impflicht gegen Masern für Kinder im Gespräch.
Zur "Rheinischen Post" sagte Spahn: "Es ist ein Skandal, dass immer mehr Kinder in Deutschland an Masern erkranken." Bei Kitas und Schulen könne man zur Durchsetzung eines Impfstatus kommen, sagte Spahn. Auch wenn er sich nicht direkt festlegt: Spahn erwägt offenbar eine Impfpflicht.
Ein Ministeriumssprecher verwies darauf, dass bereits in der vergangenen Legislaturperiode verschärfte Regelungen erlassen wurden, etwa für die Impfberatung vor dem Kitastart. Bei Masernfällen können die Behörden auch ungeimpfte Kinder vom Besuch der Kita oder Schule ausschließen. Es müsse beobachtet werden, wie diese Maßnahmen tatsächlich griffen, sagte er.
In der aktuellen Debatte verweisen Befürworter einer Masernimpfpflicht darauf, dass die Krankheit nur so ausgerottet und vor allem Säuglinge vor möglichen Spätfolgen der Infektion geschützt werden können. Gegner eines Impfzwangs fordern stattdessen eine bessere Aufklärung.
Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche sprach sich in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Montag gegen eine Impfpflicht für Kinder und für eine bessere Beratung aus.
Schulz-Asche forderte, das Vertrauen in eine gute Beratung zu stärken, statt auf Zwang und Sanktionen zu setzen. Dafür seien eine "Aufwertung des öffentlichen Gesundheitsdiensts und bessere personelle Ausstattung" nötig.
Impfen sei zwar ein "Akt gesellschaftlicher Solidarität", fügte die Grünen-Politikerin hinzu. Je mehr Menschen geimpft seien, "desto größer ist der Schutz für die Bevölkerung, auch gerade für diejenigen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können". Experten wie der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, hätten jedoch gewarnt, dass die Einführung einer Impfpflicht sogar kontraproduktiv sein könne.
Wieler hatte dies vor zwei Jahren unter anderem damit begründet, dass Jugendliche und junge Erwachsene, bei denen es besonders große Impflücken geben, von einer verpflichtenden Masernimpfung für Kinder nicht erreicht würden. Zudem könnte die Bereitschaft für verbliebene freiwillige Impfungen deutlich sinken.
Im geteilten Deutschland gab es eine Impfpflicht gegen Pocken – im Westen ab 1949 und in der DDR seit den 50er Jahren. Grundlage war das 1874 erlassene Reichsimpfgesetz. Die Pflicht zur Pockenschutzimpfung entfiel Mitte der 70er Jahre. Die gesetzliche Impfpflicht für bestimmte Impfungen wurde in der DDR indes ab den 60er Jahren stark ausgeweitet. Neben Pocken wurden unter anderem Impfungen gegen Diphtherie, Keuchhusten, Tetanus, Kinderlähmung und Tuberkulose, ab 1970 auch gegen Masern staatlich verordnet. Kinder und Jugendliche erhielten bis zu 17 Pflichtimpfungen.
(ts/afp)