Die Präsidenten- und Parlamentswahlen in der Türkei sind beendet. Die türkische Regierung hat Präsident Recep Tayyip Erdogan zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt, die Wahlkommission hat dies inzwischen bestätigt.
Die drei bei der Wahl in der Türkei festgenommenen Deutschen sind wieder frei. Das teilte das Auswärtige Amt am Montag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Die beiden Männer aus Köln und die Frau aus Halle in Sachsen-Anhalt wurden am Montag im südosttürkischen Uludere einem Staatsanwalt vorgeführt und anschließend wieder auf freien Fuß gesetzt. Sie hatten etwa 24 Stunden in Polizeigewahrsam verbracht.
Die drei Deutschen gehörten zu einer elfköpfigen Reisegruppe, die auf eigene Faust zur Wahlbeobachtung in die Provinz Sirnak gereist war. Sie waren einer Einladung der pro-kurdischen HDP gefolgt, hatten nach Angaben aus der Gruppe aber keine offizielle Akkreditierung. Weitere Hintergründe der Festnahme wurden zunächst nicht bekannt.
(fh/dpa)
Wenige Stunden, nachdem Recep Tayyip Erdogan vor die Medien getreten war und sich zum Sieger der Parlamentswahlen in der Türkei erklärt hatte, erklärte auch die Wahlkommission, Erdogan habe eine absolute Mehrheit der Stimmen erhalten. Auch da waren die Stimmen noch nicht ganz ausgezählt.
Erdogan beschwor am Sonntag einen "Festtag der Demokratie". Die aufgebrachte Opposition ist da ganz anderer Meinung. Vor dem AKP-Hauptquartier in Ankara feierten zwar Anhänger Erdogans. Dass allerdings nicht das ganze Land in Partystimmung war, ließ sich daraus schließen, dass vor der Parteizentrale und der Wahlkommission in Ankara Kipplaster in Stellung gebracht wurden, um die Zufahrtsstraßen zu blockieren. Die größte Oppositionspartei CHP rief ihre Anhänger dazu auf, vor die Wahlkommission zu ziehen.
Muharrem Ince, der Kandidat der Mitte-Links-Partei CHP, hatte einen beachtlichen Wahlkampf hingelegt und Erdogan in echte Bedrängnis gebracht. Nach 16 Jahren AKP-Regierung schien ein frischer Wind durchs Land zu wehen. In Istanbul, Ankara und Izmir – den drei größten Städten der Türkei - kamen Hunderttausende, wenn nicht Millionen, um dem CHP-Kandidaten zuzujubeln.
Ince versprach, die zutiefst gespaltene Türkei wieder zu einen und der Präsident aller Türken zu sein. Noch am Wahltag hatte Ince sich siegessicher gezeigt:
Erdogan sprach am Wahltag dagegen von einer "demokratischen Revolution". Aus Sicht der Opposition könnte dagegen nun die von ihr befürchtete "Ein-Mann-Herrschaft" Erdogans anbrechen.
Mit der Erklärung von Wahlkommissionschef Sadi Güven in der Nacht zu Montag ist ausgeschlossen, dass Ince Erdogan am 8. Juli in einer Stichwahl herausfordern kann. Mit seiner Siegeserklärung schaffte Erdogan einfach Fakten – und das nicht zum ersten Mal. Beim Verfassungsreferendum im vergangenen Jahr war es ähnlich: Das Ergebnis stand noch nicht fest, die Opposition beklagte Wahlbetrug. Erdogan trat trotzdem vor das Volk und sagte: "Ati alan Üsküdar'i gecti." Was sinngemäß so viel heißt wie "Der Zug ist abgefahren."
Beim Referendum hatte sich eine denkbar knappe Mehrheit der Türken für die Einführung eines Präsidialsystems ausgesprochen. Mit den Wahlen vom Sonntag ist dessen Einführung nun abgeschlossen. Erdogan ist damit am Ziel seiner Träume – und auf dem Zenit seiner Macht angelangt. Er ist künftig Staats- und Regierungschef und kann weitgehend per Dekret durchregieren. Erst recht gilt das, weil das AKP-geführte Parteienbündnis die absolute Mehrheit im Parlament hat.
Seine AKP ist dennoch abgewatscht worden: Sie hatte bislang alleine die absolute Mehrheit im Parlament. Jetzt gelang es nur mit Hilfe der ultranationalistischen MHP, diese Mehrheit zu halten. Das Ergebnis der MHP ist einer der Punkte, die Fragen aufwerfen. Bei der Parlamentswahl im November 2015 war die damalige Oppositionspartei auf 11,9 Prozent der Stimmen gekommen. Weil MHP-Chef Devlet Bahceli sich dann mit Erdogan verbündete, spaltete sich die Iyi-Partei von Meral Aksener von der MHP ab. Trotzdem gewann die MHP nun wieder 11,2 Prozent – und die Iyi-Partei trotzdem 10,7 Prozent.
(dpa)
Ein Sprecher sagte nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen, dass Erdogan die vorgezogene Abstimmung am Sonntag gewonnen habe.
Laut den Ergebnissen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu lag Präsident Recep Tayyip Erdogan nach Öffnung von 95 Prozent der Wahlurnen mit 52,7 Prozent klar vorn. An zweiter Stelle rangierte der CHP-Kandidat Muharrem Ince mit 30,7 Prozent, gefolgt von Selahattin Demirtas von der prokurdischen HDP mit 8,0 Prozent. Erdogan erklärte sich kurz nach dem Auftritt von Tezcan bei einer Pressekonferenz in seiner Residenz in Istanbul bereits zum Sieger der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen.
Die größte Oppositionspartei CHP hat davor gewarnt, bei der Präsidenten- und Parlamentswahl vorzeitig einen Wahlsieger zu erklären. Die Auszählung der Stimmen sei noch lange nicht beendet, sagte CHP-Sprecher Bülent Tezcan am Sonntag in Ankara. "Bei fehlenden Stimmen kann sich niemand zum Sieger erklären." Niemand solle sich zu früh freuen. Die Daten würden noch bis zum Morgen eingegeben. Das Endergebnis zähle, sagte Tezcan. Die Präsidentenwahl werde in eine Stichwahl gehen, zeigte er sich sicher.
Es droht ein massiver Konflikt zwischen Erdogan und der Opposition. Die größte Oppositionspartei CHP wies die Möglichkeit einer absoluten Mehrheit für Erdogan in der ersten Wahlrunde auf Basis von Teilergebnissen als "Manipulation" zurück. CHP-Sprecher Bülent Tezcan rief die Bürger dazu auf, sich vor der Wahlkommission in Ankara zu versammeln und dort bis zum Morgen auszuharren. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, nach Auszählung von mehr als 60 Prozent der Stimmen liege Erdogan bei 55,76 Prozent. Der CHP-Kandidat Muharrem Ince kam demnach auf 29,04 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag in der Türkei bei gut 87 Prozent.
Anadolu ist die einzige offizielle Quelle für Teilergebnisse. Sollte Erdogan bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag die absolute Mehrheit verlieren, müsste er am 8. Juli gegen den Zweitplatzierten in die Stichwahl. Tezcan sagte, nach den seiner Partei vorliegenden Teilergebnissen habe Erdogan zu keiner Zeit 48 Prozent der Stimmen überschritten. "Wir rufen alle unsere Bürger in 81 Provinzen dazu auf, in den Bezirken vor die Wahlkommissionen zu gehen. Haltet Wache bis morgen früh, sowohl vor den Wahlkommissionen in den Bezirken, als auch vor der Wahlkommission in Ankara."
Die "Plattform für faire Wahlen" aus Wahlbeobachtern der Opposition sah Erdogan deutlich unter den Teilergebnissen von Anadolu – jedoch auf der Basis von nur 11,7 Prozent der ausgezählten Stimmen. Demnach kam Erdogan auf 43,51 Prozent, Ince auf 33,92 Prozent.
Anadolu hatte Erdogan kurz nach Beginn der Auszählung noch bei mehr als 60 Prozent gesehen. Auch bei früheren Wahlen startete Erdogans Lager bei Anadolu mit großem Vorsprung, der dann schrumpfte. Beim Verfassungsreferendum im vergangenen Jahr lag das Erdogan-Lager nach Auszählung von einem Viertel der Stimmen bei 62,6 Prozent. Am Ende war es dann eine nur knappe Mehrheit von 51,5 Prozent.
Nach Auszählung von rund 23 Prozent der Stimmen haben ihn rund 60 Prozent der Wähler in seinem Amt bestätigt, in dem er nach der jüngsten Verfassungsänderung künftig weitreichende Befugnisse hat. Erdogan wird ohne Ministerpräsident an der Spitze der Regierung stehen und kann mit Dekreten das Parlament teilweise umgehen. Auf seinen stärksten Herausforderer Muharrem Ince von der Republikanischen Volkspartei CHP entfielen bis dahin rund 25 Prozent der Stimmen.Bei der Parlamentswahl entfielen den ersten Ergebnissen zufolge auch die meisten Stimmen auf Erdogans AK-Partei.
Der türkische Präsident liegt laut ersten Teilergebnissen bei der Präsidentschaftswahl vorn. Der Kandidat der islamisch-konservativen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) kam nach Auszählung von 20,73 Prozent der Stimmen auf 59,3 Prozent, wie die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu mitteilte. Sein Herausforderer Muharrem Ince von der linksnationalistischen Republikanischen Volkspartei (CHP) erreichte demnach 26,3 Prozent.
Bei den Präsidenten- und Parlamentswahlen in der Türkei sind drei Deutsche festgenommen worden, die auf Einladung der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP die Wahl beobachten wollten. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurden die beiden Männer aus Köln und die Frau aus Halle in Sachsen-Anhalt in Uludere in der südosttürkischen Provinz Sirnak von der Polizei festgenommen. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte die Festnahme. "Der Fall ist bei uns bekannt", sagte eine Ministeriumssprecherin der dpa. Die Botschaft in Ankara sei damit befasst.
Bei den drei Deutschen handelt es sich nicht um offizielle Wahlbeobachter einer internationalen Organisation, sondern um Mitglieder einer elfköpfigen Reisegruppe aus Deutschland, die dem Aufruf der HDP zur Wahlbeobachtung auf eigene Faust folgte. Einer von ihnen sagte der dpa am Telefon, man habe sich bewusst in ein Gebiet begeben, in dem die offiziellen Wahlbeobachter des Europarats und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nicht tätig seien. Von der Polizei seien sie aber "massiv" an der Wahlbeobachtung gehindert worden. Die beiden Männer und die Frau in Uludere seien gegen Mittag festgenommen worden. Bis zum späten Nachmittag gab es keine Hinweise auf eine Freilassung.
Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete am Sonntag, insgesamt zehn Ausländer hätten sich als Wahlbeobachter ausgegeben, aber keine Akkreditierung vorweisen können. Es handele sich um drei Deutsche, drei Franzosen und vier Italiener.
Die Kommunistische Partei Frankreichs teilte mit, es seien drei ihrer Parteimitglieder in der Türkei festgenommen worden, unter ihnen auch eine Senatorin.
Bei Auseinandersetzungen ist ein Oppositionspolitiker getötet worden. Dabei handele es sich um den Bezirksvorsteher der Iyi-Partei in der osttürkischen Provinz Erzurum, teilte der Generalsekretär der Iyi-Partei, Aytun Ciray, am Sonntag auf Twitter mit. Nach ersten Erkenntnissen habe es sich um einen Streit zwischen zwei Familien gehandelt. Ermittlungen hätten begonnen. Weitere Details waren zunächst nicht bekannt.
Die Vorsitzende der nationalkonservativen Iyi-Partei, Meral Aksener, ist Kandidatin für die Präsidentenwahl am Sonntag.
Die Wahllokale schlossen am Sonntag um 16.00 Uhr MESZ (17.00 Uhr Ortszeit). Wahlbeobachter meldeten besonders im der Südosttürkei Unregelmäßigkeiten. Mit den Wahlen wurde die Einführung des von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan angestrebten Präsidialsystems abgeschlossen. Der neue Präsident wird Staats- und Regierungschef und mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet. Einen Ministerpräsidenten gibt es künftig nicht mehr. Erdogan ging als Favorit in die Wahl. Ergebnisse werden noch am Abend erwartet.
Umfragen zufolge könnte Erdogan die absolute Mehrheit bei der Präsidentschaftswahl verfehlen. Dann müsste er am 8. Juli in die Stichwahl. Sein Gegner wäre aller Voraussicht nach Muharrem Ince, der Kandidat der Mitte-Links-Partei CHP, der größten Oppositionspartei. Auch die absolute Mehrheit von Erdogans islamisch-konservativer AKP im Parlament könnte gefährdet sein, wenn die pro-kurdische HDP die Zehn-Prozent-Hürde überspringt.
Wahlbeobachter haben erste Unregelmäßigkeiten gemeldet. Der Sprecher der größten Oppositionspartei CHP, Bülent Tezcan, sagte, in der südosttürkischen Provinz Sanliurfa sei am Sonntag versucht worden, Wahlbeobachter mit "Schlägen, Drohungen und Angriffen" von den Urnen fernzuhalten. Im Bezirk Suruc in Sanliurfa "laufen bewaffnete Personen ganz offen herum und bedrohen die Wahlatmosphäre". Die regierungskritische Wahlbeobachter-Plattform "dokuz8haber" teilte mit, in Sanliurfa gebe es Berichte, wonach Männer für ihre Frauen abgestimmt hätten und ein Wähler verprügelt worden sei.
Sanliurfa ist eine Hochburg der Regierungspartei AKP. In manchen Regionen dort ist aber die pro-kurdische HDP dominant. Der Vorsitzende der türkischen Wahlkommissionen (YSK), Sadi Güven, sagte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, dass es in Suruc Meldungen über sicherheitsrelevante Vorfälle gebe. Die YSK sei aktiv geworden. Die Vorsitzende der Wahlbeobachtermission des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE, Audrey Glover, sagte am Sonntag in Ankara, ihre internationalen Wahlbeobachter könnten "aus Sicherheitsgründen" nicht nach Sanliurfa. Die Provinz liegt an der Grenze zu Syrien. CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu sagte nach seiner Stimmabgabe in Ankara, es gebe Probleme im Südosten der Türkei.
Er erinnerte alle Beamte daran, dass sie für den Staat arbeiteten und sich nicht dem Druck einer Partei beugen dürften: "Jeder Schatten auf der Wahl ist ein Schlag gegen unsere Demokratie." "Dokuz8haber" berichtete auch über Vorfälle in anderen Provinzen, etwa im südosttürkischen Diyarbakir.
Wahltage sind in der Türkei trockene Tage, das gilt auch für die Präsidenten- und Parlamentswahl am Sonntag: Bis Mitternacht ist der Verkauf von alkoholischen Getränken und deren Konsum an öffentlichen Orten verboten. Das Tragen von Waffen ist ebenfalls untersagt, ausgenommen davon sind Sicherheitskräfte. Teehäuser sind geschlossen. Hochzeitsfeiern sind ab 18.00 Uhr (Ortszeit/17.00 MESZ) erlaubt, aber nur ohne Alkohol.
Am Samstagabend um 18.00 Uhr (Ortszeit/17.00 MESZ) trat außerdem ein Wahlkampfverbot in Kraft. Wahlwerbung war beispielsweise in Istanbul, der größten Stadt des Landes, am Sonntag nicht mehr zu sehen: Plakatwände, auf denen Konterfeis von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan oder seinen Herausforderern prangten, sind nun leer.
Bei der Türkei-Wahl sind heute 59,33 Millionen Stimmberechtigte aufgerufen, einen Präsidenten und ein neues Parlament zu wählen. Davon sind 3,05 Millionen im Ausland registriert. Dort wurde bereits abgestimmt. Am Wahltag werden nach Regierungsangaben rund 500 000 Sicherheitskräfte eingesetzt.
Die Parlaments- und Präsidentenwahlen finden erstmals gleichzeitig statt. Für die Abstimmung zum Parlament kann der Wähler sich für eine Partei oder eine Wahlallianz entscheiden.Die islamisch-konservative Regierungspartei AKP hat eine Allianz mit der ultranationalistischen MHP und der nationalistischen BBP gebildet. Die größte Oppositionspartei CHP ist ein Bündnis mit der nationalkonservativen Iyi-Partei, der islamistischen Saadet-Partei und der konservativ-liberalen DP eingegangen. Die pro-kurdische HDP tritt als einzelne Partei an.Es gibt eine Zehn-Prozent-Hürde. Überschreiten die gültigen Gesamtstimmen aller Parteien einer Allianz diese Hürde, ziehen alle Parteien des Bündnisses ins Parlament ein.
Für die Präsidentenwahl gibt es einen gesonderten Stimmzettel. Gegen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan treten fünf Kandidaten an: Muharrem Ince für die CHP, Meral Aksener für die Iyi-Partei, der inhaftierte Politiker Selahattin Demirtas für die HDP, Temel Karamollaoglu für die Saadet-Partei und Dogu Perincek für die Vatan-Partei. Stimmzettel der Parlaments- und der Präsidentenwahl werden zusammen in ein Kuvert gesteckt und abgegeben.Erhält am Sonntag keiner der Präsidentschaftskandidaten mehr als 50 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen, kommt es am 8. Juli zu einer Stichwahl zwischen Erst- und Zweitplatziertem.
(dpa/reuters/afp)