Hätte der Angriffskrieg in der Ukraine bereits im Frühling 2022 beendet werden können? Gerüchte, der Westen in der Person von Boris Johnson – dem ehemaligen Premier von Großbritannien – hätte Friedenspläne torpediert, gibt es schon länger. Nun aber soll Russlands Präsident Wladimir Putin selbst Beweise für einen solchen Clou vorgelegt haben.
Und zwar während seiner Gespräche mit mehreren Staats- und Regierungschefs aus Afrika, die aktuell zu Besuch in Moskau sind. Inhalt der Gespräche: Krieg und Frieden. Zuvor war die Delegation in der Ukraine gewesen, um dort ihren Friedensplan vorzustellen. Ein Plan, der zumindest laut der Gerüchte im Jahr 2023 gar nicht nötig wäre, wäre der Vertrag im Frühling 2022 zustande gekommen.
Vonseiten der Ukraine wurde dieser vermeintliche Vertrag, den Johnson im Namen des Westens vereitelt haben soll, nie bestätigt. Putin allerdings soll ihn nun der afrikanischen Delegation und der Presse sogar präsentiert haben. Wie viel an dem Dokument tatsächlich dran ist, lässt sich nicht überprüfen. Etwas an der Aktion ist allerdings verdächtig.
"Wir haben mit der ukrainischen Seite nicht besprochen, dass dieser Vertrag als geheim eingestuft werden würde, aber wir haben ihn auch nie vorgelegt oder kommentiert", zitiert "Blick.ch" Putin.
Dass es einen Vertrag gegeben haben soll, der abschließend nicht unterzeichnet worden ist, berichten mittlerweile mehrere Quellen: darunter anonyme US-Beamte, der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, Israels ehemaliger Premier Naftali Bennett. Unabhängig überprüfen lassen sich Vertrag und Inhalt dennoch nicht.
Der Vertrag soll im Zuge der Verhandlungen unter dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zustande gekommen sein. Und nicht nur das: Aufgrund der Übereinkunft habe Russland, laut Putin, seine Truppen aus Kiew und anderen Regionen der Ukraine zurückgezogen. Das berichtet "exxpress.at".
In dem Vertrag soll es um eine ständige Neutralität der Ukraine gehen – im Gegenzug sei ihr Sicherheit garantiert worden. Laut "Blick.ch" lautet das Datum auf der ersten Seite des Vertrags: 13. April 2022. Also wenige Tage nach dem Massaker im Kiewer Vorort Butscha, bei dem zahlreiche Kriegsverbrechen begangen wurden.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte damals die Verhandlungen für abgebrochen. Oder doch nicht? Das vermeintliche Datum des Vertrags lässt zumindest stutzen.
Die afrikanische Delegation unter Leitung von Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa kam aber nicht nur, um sich den vermeintlichen Friedensplan Putins anzuschauen. Vielmehr ging es bei dem Treffen darum, beide Seiten an den Verhandlungstisch zu bringen. Ein Vorstoß, der offensichtlich weder Russland noch der Ukraine gefällt.
Mit Ramaphosas warben ein halbes Dutzend afrikanischer Staaten bei den beiden Kriegsparteien für eine Lösung. Ramaphosas erklärte: "Wir sind davon überzeugt, dass für beide Seiten die Zeit gekommen ist, um Verhandlungen aufzunehmen und diesen Krieg zu beenden."
Putin sprach laut der russischen Nachrichtenagentur Tass von einem "ausbalancierten Ansatz der afrikanischen Freunde in der Ukraine-Krise". Konkrete Fortschritte gab es aber nicht.
Schon nach bisherigen Vorstößen – etwa aus Chinas und Brasilien – für ein Kriegsende hatte sich Russland grundsätzlich offen für Verhandlungen gezeigt. Putin warf bei dem Treffen in St. Petersburg der Ukraine jedoch abermals vor, eine Lösung zu verhindern. Das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) bewertet die Lage etwas anders: Russland zeige eine falsche Bereitschaft für Gespräche.
Es gehe Moskau vielmehr darum, den Westen zu verunsichern und die militärische Unterstützung für die Ukraine zu schwächen. Zugleich wolle Russland die Kontakte nach Afrika nutzen, um die Zusammenarbeit mit dortigen Staaten auszubauen, hieß es.
(Mit Material der dpa)