Möglicherweise war es das Ende einer jahrelangen Fehde: Ein Mann stürmt in die Redaktionsräume einer Lokalzeitung Washington und eröffnet das Feuer. Fünf Menschen sterben. Andere Journalisten im Land des polternden Medienkritikers Donald Trump beschleicht nun ebenfalls Angst.
Nach Berichten mehrerer US-Medien ist der mutmaßliche Täter ein 38 Jahre alter Mann aus der Region. Er soll mit dem Blatt seit Jahren in einem erbitterten Rechtsstreit stehen. Die Polizei kenne diese Geschichten auch nur vom Hören, sagte der Polizeichef.
Ein Polizeisprecher bestätigte wiederum:
Es sei eine gezielte, wenngleich nicht besonders akribisch geplante Tat gewesen. Augenzeugen berichteten, wie sich der Schütze seinen Weg in Richtung der Schreibtische gebahnt hatte, wo ein Teil der Führungsmannschaft der Zeitung saß. Die Ermittler halten ihn für einen Einzeltäter.
Der Schütze wurde festgenommen und unmittelbar nach dem Geschehen stundenlang verhört. Er sei nur bedingt kooperativ, hieß es von der Polizei. Ermittler hätten seine Wohnung durchsucht. Die Ermittlungen seien das, was nun am längsten dauern werde.
Nach Medienberichten soll er wegen fünffachen Mordes angeklagt werden.
Der Mann ist am Donnerstag bewaffnet in die Redaktion der kleinen Lokalzeitung "Capital Gazette" in der US-Stadt Annapolis eingedrungen und hat fünf Menschen erschossen. Zwei weitere wurden verletzt, vermutlich durch umherfliegende Glassplitter.
Reporter des Blattes berichteten, wie sie sich unter ihren Schreibtischen verschanzten.
Eine andere Reporterin musste den Tod eines Kollegen aus nächster Nähe mit ansehen:
Die Polizei sei extrem schnell am Ort des Geschehens gewesen, binnen 60 Sekunden, sagte ein Sprecher der Bezirksregierung des Anne-Arundel-County. "Die Beamten haben enormen Mut bewiesen und sind sofort ins Gebäude gegangen." Dies habe Schlimmeres verhindert. Zufällig hatten die Einsatzkräfte erst kürzlich für solche Situationen trainiert.
Die Polizeikräfte waren am Tag des Geschehens sichtlich getroffen. "Mit diesen Leuten arbeiten wir fast täglich zusammen, manche sind Freunde", sagte der Polizeichef über das Redaktionsteam. Laut Polizeisprecher arbeiteten alle Opfer für die Zeitung. In dem Gebäude befinden sich auch andere Büros und Arztpraxen. Die Polizei brachte rund 170 Menschen unverletzt in Sicherheit.
Die "Capital Gazette" ist ein kleines Lokalblatt mit einer Auflage von rund 40 000 Exemplaren. Die überregionalen Nachrichten kommen von der Muttergesellschaft, der "Baltimore Sun".
Die Schwesterzeitung schrieb: "Als Journalisten haben wir über mehr Todesschüsse berichtet, als wir zu zählen bereit sind. Aber jetzt hat es unsere Familie getroffen und wir spüren den Schmerz akuter, als wir uns das vorstellen konnten."
Die Tat von Annapolis schlug unmittelbar Wellen in der Medienlandschaft der USA. In New York verschärfte die Polizei die Sicherheitsmaßnahmen für große Medieneinrichtungen. Eine reine Vorsichtsmaßnahme, hieß es. Auch die "Washington Post" in der US-Hauptstadt, nur eine Autostunde von Annapolis entfernt gelegen, führte striktere Sicherheitskontrollen ein.
Trump drückte via Twitter sein Mitgefühl für die Hinterbliebenen aus und verurteilte die Tat. Seine Sprecherin Sarah Sanders schrieb: "Ein gewalttätiger Angriff auf unschuldige Journalisten ist ein Angriff auf alle Amerikaner."
Das Attentat von Annapolis kommt in einer Zeit, in der der Präsident der Vereinigten Staaten einen Kleinkrieg gegen Journalisten führt und seriöse Medien als "Feinde des Volkes" bezeichnet. Es gab jedoch zunächst keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Tat mit der Anti-Medien-Kampagne Donald Trumps in Verbindung stehen könnte.
Kanadas Premierminister Justin Trudeau trauerte mit den Menschen im Nachbarland. "Journalisten erzählen die Geschichten aus unseren Gemeinden, sie schützen die Demokratien, und oft genug setzen sie ihr Leben aufs Spiel."
Die Überlebenden der Redaktion in Annapolis haben ihren Job einfach weitergemacht. Auch und gerade am Tag nach den schrecklichen Ereignissen sollte die "Capital Gazette" erscheinen.
(sg/dpa)