Iranische Frauen tragen Bilder von Ismail Hanija und nehmen an einer Demonstration gegen die Ermordung des Hamas-Führers in Teheran teil.Bild: imago images / Middle East Images
International
01.08.2024, 15:0301.08.2024, 15:31
In Nahost folgt Eskalation nach Eskalation. So bestätigte Israel, den ranghöchsten militärischen Befehlshaber der Hisbollah, Fu’ad Shukr, bei einem Luftangriff auf Beirut getötet zu haben. Auch Ismail Hanija, der politische Führer der Hamas wurde getötet. Nach Angaben der iranischen Revolutionsgarden und der Hamas ist er am Mittwoch in der iranischen Hauptstadt Teheran bei einem Luftangriff durch Israel ums Leben gekommen. Der Iran und die Hamas haben Vergeltung angekündigt.
Doch warum das ganze?
Nach Bekanntwerden des Todes von Hanija nahm Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zwar dessen Namen nicht in den Mund, doch er ließ verlauten: Israel werde "für jede Aggression gegen uns, egal an welcher Front, einen hohen Preis verlangen".
Dies passt zum Glaubenssatz, der sich in Israel wegen Erfahrungen durch Pogrom und der Shoah etabliert hat. Der Vorsatz, sich "nie wieder wie die Schafe zur Schlachtbank" führen zu lassen. Widerstand, wenn nötig, auch mit Gewalt.
Doch Israel ist keineswegs das einzige Land, das im Rahmen seiner Verteidigungsstrategie gezielte Tötungen im Ausland durchführt.
Gezieltes Töten: Auch USA, Russland oder Iran machen davon Gebrauch
Solche Operationen, oft unter Berufung auf das Notwehrrecht durchgeführt, sind in der internationalen Politik kein Einzelfall. Auch die USA, Russland, Iran und das Apartheidregime in Südafrika haben ähnliche Maßnahmen ergriffen.
Während der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama kamen bei 542 Drohneneinsätzen etwa 4000 Menschen ums Leben, wie Daten des "CFR" zeigen. Donald Trump, sein Nachfolger, intensivierte diese Praxis weiter und ordnete allein in der ersten zwei Jahren seiner Präsidentschaft laut "BBC" 2243 solcher Einsätze an. Unter Joe Biden ging die Zahl der Drohnenangriffe dann jedoch wieder deutlich zurück. Für Israel aber haben solche Operationen offenbar besondere Bedeutung.
Die Rolle des Mossad: Geheimdienst mit globaler Reichweite
Der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad hat sich einen Ruf als schlagkräftiger Geheimdienst erarbeitet. Er operiert weltweit.
Diese Fähigkeit, unbemerkt und effektiv zuzuschlagen, wurde insbesondere nach dem Attentat während der Olympischen Spiele 1972 in München deutlich, wie der "Tagesspiegel" in einem aktuellen Bericht erinnert.
Auch heute noch wird den Opfern des Olympia-Attentats gedacht. Bild: imago images / penofoto
Damals hatten Mitglieder der palästinensischen Terrororganisation "Schwarzer September" israelische Sportler:innen als Geiseln genommen und elf von ihnen ermordet. Die israelische Regierung reagierte unter Premierministerin Golda Meir mit der Gründung der Sondereinheit "Caesarea".
Diese erhielt den Auftrag, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. In der "Operation Zorn Gottes" wurden daraufhin in verschiedenen Ländern – darunter Italien, Frankreich und der Libanon – zwölf Palästinenser gezielt getötet. Sie waren verdächtigt worden, an der Planung des Anschlags beteiligt gewesen zu sein.
Mossad-Direktor Zvi Zamir betonte später, es sei weniger um Rache als vielmehr um die Schwächung der palästinensischen Organisation PLO gegangen.
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Israels erlangte auch durch gezielte Tötungen die heutige Macht
Nach dem Ausbruch der Zweiten Intifada – einem gewaltsamen Konflikt zwischen Palästinenser:innen und Israelis im Jahr 2000 – setzte Israel erneut auf gezielte Tötungen. Diesmal richteten sie sich vor allem gegen Mitglieder der radikalislamischen Hamas. Diese Taktik wurde als Reaktion auf zahlreiche Terroranschläge auf israelische Zivilist:innen eingesetzt.
In den folgenden fünf Jahren wurden Hunderte Terrorverdächtige in der Westbank und im Gazastreifen getötet. Die Zahl der Selbstmordattentate ging in dieser Zeit stark zurück, was Befürworter:innen als Beleg für die Wirksamkeit dieser Strategie sehen. Ein direkter kausaler Zusammenhang ist jedoch umstritten.
Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinenser:innen hat eine lange Geschichte.Bild: AP / Abdel Kareem Hana
Heute gehört Israel zu den führenden Cyber-Nationen und nutzt digitale Technologien intensiv, um Verdächtige zu orten und präzise Luftangriffe durchzuführen. Diese hoch entwickelten Fähigkeiten haben zu mehreren spektakulären Aktionen geführt, die Israel zugeschrieben werden. Beispiele sind die gezielte Tötung von Salah Shehada, dem Gründer des bewaffneten Arms der Hamas, im Jahr 2002 in Gaza-Stadt sowie die Tötung von Ahmad Yasin, dem spirituellen Führer der Hamas, im Jahr 2004.
Ein weiteres Beispiel ist der Tod von Mohsen Fachrisadeh, dem "Vater des iranischen Atomprogramms", der im November 2020 bei einem KI-unterstützten Attentat ums Leben kam.
Gezielte Tötungen: Es passieren Fehler – mit gravierenden Folgen
Trotz der oft bewunderten Effizienz des Mossad kam es in der Vergangenheit auch zu gravierenden Fehlern, wie "Tagesspiegel" schreibt. Ein bekanntes Beispiel ist die Ermordung des marokkanischen Kellners Ahmed Bouchikhi im norwegischen Skiort Lillehammer 1973.
Israelische Agenten hatten ihn fälschlicherweise für Ali Hassan Salameh gehalten, einen Sicherheitsberater des PLO-Führers Jassir Arafat. Dieser Vorfall führte zu einer erheblichen Aufdeckung des israelischen Geheimdienstnetzes in Europa.
Das Trauma der Jüd:innen durch den Holocaust sitzt tief. Bild: imago images / Zoonar
Auch 1997, als ein israelisches Team Khaled Mashal – den damaligen Leiter des politischen Büros der Hamas – in Jordanien vergiften wollte, ging die Operation schief. Zwei Mossad-Agenten wurden gefasst, und Israel musste sich bereit erklären, Mashal ein Gegenmittel zu verabreichen sowie mehrere inhaftierte Hamas-Mitglieder freizulassen.
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem Tod von 1200 Zivilist:innen hat Israel seine Politik der gezielten Tötungen intensiviert. Ein prominentes Ziel war Saleh al-Aruri, Gründer der Kassam-Brigaden, der am 2. Januar 2024 in Beirut getötet wurde. Ronen Bar, Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, verkündete, dass die Hamas-Führung in Katar und der Türkei ebenfalls ins Visier genommen werde.
Allerdings gibt es auch warnende Stimmen, die von einer "inoffiziellen Immunität" sprechen, da Katar eine zentrale Rolle in den Geiselverhandlungen zwischen Israel und der Hamas einnimmt. Gezielte Tötungen könnten diese Verhandlungen möglicherweise zum Scheitern bringen.
Bundeskanzler Olaf Scholz' (SPD) Vertrauensfrage am 16. Dezember soll den Weg für die Neuwahlen im Februar ebnen. Es gilt als reine Formalität, damit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dann den Bundestag auflösen kann.