
Einschlag der ersten Atombombe auf Hiroshima am 6. August 1945 – zirka 70.000 Menschen waren sofort tot.Bild: www.imago-images.de / Circa Images
International
06.08.2020, 12:0906.08.2020, 13:20
Mit einer Schweigeminute und einem Appell
zur Abschaffung aller Atomwaffen haben die Menschen im japanischen
Hiroshima der Opfer des Atombombenabwurfs vor 75 Jahren gedacht. Bei
einer wegen der Corona-Pandemie drastisch verkleinerten
Gedenkzeremonie legten die Teilnehmer am Donnerstag um 8.15 Uhr
(Ortszeit) zum Klang einer bronzenen Friedensglocke bei sommerlicher
Hitze eine Gedenkminute ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte der US-Bomber
Enola Gay damals die erste im Krieg eingesetzte Atombombe mit dem
Namen "Little Boy" über der Stadt im Westen des Landes abgeworfen.
Die allgemeine Öffentlichkeit war von der direkten Teilnahme ausgeschlossen, die Zeremonie wurde jedoch live im Internet übertragen. Der Bürgermeister von Hiroshima, Kazumi Matsui, rief die Welt
auf, sich gegen jegliche Bedrohungen für die Menschheit – seien es
Atomwaffen oder auch die Corona-Pandemie – zusammenzuschließen. Die
zivile Gesellschaft müsse "egozentrischen Nationalismus ablehnen" und
sich gemeinsam gegen alle Bedrohungen zusammentun, sagte Matsui in
seiner Friedens-Deklaration. Wegen der Corona-Pandemie wurde die
Gedenkzeremonie diesmal deutlich kleiner abgehalten. Die Teilnehmer
trugen überwiegend Masken und mussten Abstand voneinander halten.

Teilnehmende legen bei der Gedenkstätte Blumen nieder.Bild: www.imago-images.de / Jinhee Lee
UN-Generalsekretär António Guterres warnte in einer
Video-Botschaft vor einem erneuten atomaren Wettrüsten. "Spaltung,
Misstrauen und mangelnder Dialog drohen die Welt zu einem
ungezügelten strategischen Nuklearwettbewerb zurückzubringen", sagte
Guterres. Er wollte selbst an der Gedenkzeremonie in Hiroshima vor
Ort teilnehmen, musste aber wegen der Corona-Pandemie absagen. Das
Netz aus Rüstungskontrolle, Transparenz und vertrauensbildenden
Instrumenten, das während und in der Folge des Kalten Krieges
geschaffen worden sei, "franst aus".
"Staaten, die Atomwaffen besitzen, modernisieren ihre Arsenale
und entwickeln neue und gefährliche Waffen und Trägersysteme", sagte
er. "Der einzige Weg, um das nukleare Risiko vollständig zu
beseitigen, besteht darin, Atomwaffen vollständig zu eliminieren",
erklärte er. Auch Bundesaußenminister Heiko Maas warnte vor einer
neuen Runde atomaren Wettrüstens. "Die nukleare Abrüstung stagniert.
Neue Technologien lassen gefährliche Ungleichgewichte entstehen",
erklärte der SPD-Politiker am Mittwochabend in Berlin. Nordkorea
fordere mit seinem Griff nach Atomwaffen die ganze Weltgemeinschaft
heraus.

Die Gedenkfeier im Friedenspark Hiroshima konnte aufgrund der Corona-Pandemie nur in begrenztem Rahmen stattfinden.Bild: www.imago-images.de / Kyodo News
Atommächte sollen UN-Vertrag zur Abrüstung unterzeichnen
Hiroshimas Bürgermeister rief die Regierung seines Landes in
seiner Rede auf, einem UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen
beizutreten. Japan müsse "seine Rolle als Vermittler" zwischen
Atomwaffenstaaten und solchen, die keine Atomwaffen besitzen,
verstärken. Vor drei Jahren hatten sich zwei Drittel der
Mitgliedsländer der Vereinten Nation auf diesen Vertrag verständigt.
Bislang haben ihn jedoch erst 32 Staaten ratifiziert. Damit er in
Kraft treten kann, müssen es 50 Staaten sein. Atommächte wie die USA,
Großbritannien, China, Frankreich und Russland haben den Vertrag
jedoch nicht unterzeichnet.
Auch die Nato-Staaten lehnen den UN-Atomvertrag ab. Er drohe die
Abrüstungsbemühungen im Rahmen des vor 50 Jahren in Kraft getreten
Atomwaffensperrvertrags (NPT) zu unterlaufen, warnten die Kritiker.
Auch Japan, das den NPT 1976 ratifiziert hatte und unter dem
Schutzschild der USA steht, will dem neuen UN-Vertrag nicht
beitreten. Regierungschef Shinzo Abe ging auf den UN-Vertrag in
seiner Rede am 75. Jahrestag in Hiroshima denn auch nicht ein.

Japans Regierungschef Shinzo Abe bei seiner Rede auf der Gedenkveranstaltung.Bild: www.imago-images.de / Rodrigo Reyes Marin
Abe sagte aber, Japan habe als einziges Land, das Opfer von
Atombomben im Krieg wurde, die Pflicht, auf eine Abschaffung von
Nuklearwaffen weiter hin zu arbeiten. Japan werde alles tun, um eine
Welt in dauerhaftem Frieden und frei von Atomwaffen zu realisieren.
Zehntausende Bewohner von Hiroshima waren beim Abwurf der
amerikanischen Atombombe sofort ums Leben gekommen, insgesamt starben
bis Ende 1945 schätzungsweise 140.000 Menschen. Drei Tage nach
Hiroshima warfen die Amerikaner eine zweite Atombombe über Nagasaki
ab. Kurz danach kapitulierte das japanische Kaiserreich. Hiroshima
ist heute ein weltweites Symbol für Krieg – und für Frieden.
(lau/dpa)
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