Bereits zum zweiten Mal innerhalb einer Woche sorgen Bilder von Polizeigewalt in Frankreich für Empörung: Die Pariser Staatsanwaltschaft eröffnete am Donnerstag Ermittlungen gegen Polizisten, die einen Schwarzen geschlagen und getreten hatten, weil er keine Corona-Schutzmaske trug. Die drei Beamten wurden nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP suspendiert. Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin hatte dies vom Pariser Polizeipräfekten Didier Lallement verlangt, der bereits wegen einer brutalen Polizeiaktion gegen Flüchtlinge unter Druck steht. Auch der Innenminister gilt als angeschlagen.
Der Chef der Nationalpolizei, Frédéric Veaux, enthob die drei Polizisten vorläufig des Dienstes, wie AFP von Ermittlern erfuhr. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Gewalt im Dienst und Falschaussage vor. Das Video einer Überwachungskamera zeigt, wie die drei Polizisten einen schwarzen Musikproduzenten in dessen Pariser Studio drängen und ihn dort mit Schlägen, Tritten und Schlagstockhieben traktieren.
In einem schriftlichen Protokoll hielten die Polizisten fest, sie hätten den Mann namens "Michel" auf der Straße ermahnt, weil er keine Maske trug wie derzeit vorgeschrieben. "Als wir ihn festhalten wollten, hat er uns mit Gewalt in das Gebäude gezerrt", heißt es in dem Protokoll, welches AFP einsehen konnte.
Darin ist auch von Schlägen des Mannes gegen die Polizisten die Rede. Das ist auf dem Überwachungsvideo des Studios jedoch nicht zu erkennen, das die Internet-Plattform "Loopsider" in ganzer Länge veröffentlichte.
Auf der Aufnahme ist auch zu sehen, wie weitere Männer dem Produzenten zu Hilfe eilen und die Polizei aus dem Studio drängen. Die Beamten werfen dann eine Tränengasgranate durch die Tür und führen "Michel" mit gezückten Waffen ab, wie Handyvideos von Anwohnern zeigen.
Von "unerträglichen Bildern" sprach der stellvertretende Pariser Bürgermeister Emmanuel Grégoire auf Twitter. Oppositionspolitiker im französischen Parlament kritisierten Innenminister Darmanin scharf und forderten von ihm erneut den Rückzug eines Gesetzes für "umfassende Sicherheit", das die Verbreitung solcher Aufnahmen von Polizisten unter Strafe stellen soll.
Darmanin hatte sich erst am Dienstag "schockiert" über Bilder geäußert, welche die brutale Räumung eines Pariser Flüchtlingslagers durch die Polizei zeigen. Am gleichen Tag nahm die Nationalversammlung in erster Lesung sein Gesetz an.
Mit dem Film-Verbot will Darmanin nach eigenen Angaben die Polizei schützen, die nach einer Vielzahl ähnlicher Aufnahmen über persönliche Angriffe klagt. Medienvertretern drohen bei Verstößen bis zu ein Jahr Haft und eine Geldstrafe von 45'000 Euro. Journalisten protestieren seit Wochen gegen das Gesetz.
Wegen der Vorfälle könnte dem Pariser Polizeipräfekt Lallement die Entlassung drohen. Vor dem Bekanntwerden der neuen Videos hatte Innenminister Darmanin ihm noch sein "Vertrauen" ausgesprochen.
Der erst 38 Jahre alte Innenminister ist aber selbst unter Druck: Die konservative Zeitung "Le Figaro" berichtete unter Berufung auf das Umfeld von Präsident Emmanuel Macron, Darmanin werde wegen des Film-Verbots "zum Problem". Er war im Juli trotz laufender Ermittlungen wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung einer früheren Prostituierten überraschend ins Amt gekommen.
In Online-Netzwerken forderten viele Nutzer den Rücktritt des Ministers. Zahlreiche teilten zudem ein Foto des schwarzen Musikproduzenten und seines von Schlägen entstellten Gesichts. "Wenn die Videos nicht wären, säße mein Klient nun vielleicht im Gefängnis", sagte sein Anwalt AFP.
Ein Gespräch mit Frankreichs Regierungschef Jean Castex über das Film-Verbot ließen Medienvertreter am Donnerstag kurzfristig platzen, nachdem die Präfektur einen für Samstag in Paris geplanten "Marsch der Freiheiten" aus Sicherheitsgründen untersagt hatte. Castex zeigte sich über die Reaktion der Journalisten "verblüfft".
(om/afp)