Seit die #MeToo-Bewegung ins Rollen kam, wurde schon einigen prominenten Männern sexuelle Belästigung vorgeworfen. In Großbritannien blieb ein großer Skandal aus. Doch das hat sich nun geändert.
Los ging es mit drei Buchstaben: NDA.
Die Abfolge steht für "Non-Disclosure Agreement", einer Stillschweigevereinbarung.
Vergangene Woche hatte der britische "Telegraph" von Vorwürfen gegen einen "führenden Geschäftsmann" berichtet. Die Vorwürfe sollen so eklatant sein, dass sie die #MeToo-Bewegung neuerlich "anzünden" könnten, wie die Zeitung schrieb.
Doch die Stillschweigevereinbarung hinderte die Zeitung daran, den Namen des Beschuldigten bekannt zu machen.
Ein Gericht hatte die Vorwürfe zwar als "einigermaßen glaubhaft" bezeichnet und in Bezug auf das öffentliche Interesse erklärt, der Name dürfe bekannt gemacht werden – doch eine Berufungsinstanz hatte diese Entscheidung wieder kassiert.
Fünf Menschen sollen im Rahmen von NDAs für ihr Schweigen bezahlt worden sein. Die Presse durfte also nicht berichten. Der Name kam dennoch heraus.
Weil ein Labour-Politiker ihn öffentlich gemacht hat.
Anders als Journalisten durfte der das sogar ganz legal, denn in den Kammern des britischen Parlaments gilt das sogenannte "Parliamentary Privilege". Mitglieder des Unter- sowie des Oberhauses genießen Immunität; selbst dann, wenn sie Dinge äußern, die außerhalb des Parlaments als beispielsweise Verleumdung geahndet werden könnten.
Aufgrund dieses Privilegs hatte sich der ehemalige Labour-Minister Lord Hain in der vergangenen Woche dazu entschlossen, den Namen des "bekannten Geschäftsmannes" zu enthüllen:
Sir Philip Green wird von mehreren Mitarbeitern sexuelle Belästigung, Mobbing und rassistische Beleidigungen vorgeworfen. Ob es sich hierbei um Frauen und/oder Männer handelt, ist nicht öffentlich bekannt. Nach einem Bericht des "Guardian" soll Green siebenstellige Summen für Schweigevereinbarungen gezahlt haben.
Green selbst weist alle Vorwürfe zurück. In einem Interview mit der "Mail on Sunday" erklärte er lediglich, er habe mit Mitarbeiterinnen allenfalls harmlose "Neckereien" ausgetauscht.
Philip Green ist eine der bekanntesten Geschäftsmänner in Großbritannien.
Aber auch durch seinen privaten Lebensstil weiß Green sich zu inszenieren. Green lebt mit seiner Familie in Monaco (seine Tochter Chloe gehört zum internationalen Jetset), besitzt eine 100 Millionen Pfund-teure Jacht, einen Privatjet und zu seinem 50. Geburtstag wurde mit 200 Gästen auf Zypern gefeiert: Rod Stewart gab ein Konzert, serviert wurden 1000 Flaschen Wein, 400 Flaschen Champagner und 40 Kilogramm Kaviar. Green selbst empfing seine Gäste verkleidet als der römische Kaiser Nero. Seine Tochter Chloe gehört zum britischen Jetset.
Green gilt als umstrittener Geschäftsmann. Schon vor zwei Jahren forderten einige Politiker, ihm den "Sir"-Titel, der ihm 2006 verliehen worden war, wieder abzuerkennen.
Auslöser war ein Skandal um die Einzelhandelskette BHS. Green hatte den maroden Einzelhändler für die symbolische Summe von einem Pfund verkauft – an einen Käufer mit kaum Erfahrung in dem Geschäft. Schon im nächsten Jahr musste BHS Konkurs anmelden, Tausende verloren ihre Jobs, 570 Millionen Pfund fehlten der Pensionskasse des Unternehmens. Nach monatelangen Beschuldigungen schließlich steuerte Green zumindest 363 Millionen Pfund an die bankrotte Pensionskasse bei.
Green hat seit Jahren einen Ruf als Tyrann. Oliver Shah, Journalist und Leiter der Wirtschaftsredaktion der "Sunday Times", hatte in seiner Biografie über Green von den Vorwürfen berichtet. Dort bezeichnen ehemalige Mitarbeiter Green als "vulgären Tyrann", der regelmäßig junge Angestellte "zum Weinen" gebracht haben soll. Auch der Journalist selbst beschreibt, wie er von Green telefonisch wüst beschimpft worden sein soll.
Eine ganze Menge. Am Tag nach der Enthüllung von Green als dem "#MeToo-Skandal-Geschäftsmann" machten alle großen Tageszeitungen mit der Geschichte auf.
Die "Sun" druckte sogar ein Bild von Green mit Harvey Weinstein und titelte: "#MeTwo".
In den sozialen Medien wird zu einem Boykott von Greens Topshop aufgerufen:
Außerdem fordern viele jetzt, dass sich prominente Frauen wie Kate Moss, Naomi Campbell und Gwyneth Paltrow, die mit ihm zusammengearbeitet haben, positionieren.
Im Zuge des Skandals hat die britische Premierministerin Theresa May bereits eine Initiative auf den Weg gebracht, die NDAs im Zusammenhang mit sexueller Belästigung ungültig machen soll.