Flammende Reden und Hinterzimmergespräche, Appelle an den Patriotismus und öffentliche Amnestieangebote: Im Machtkampf in Venezuela legen sich Präsident Nicolás Maduro und sein Herausforderer Juan Guaidó mächtig ins Zeug, um die Militärs auf ihre Seite zu ziehen. Er habe sich bereits heimlich mit Vertretern der Streit- und Sicherheitskräfte getroffen, schrieb Guaidó in einem Gastbeitrag für die "New York Times" am Donnerstag.
Die Streitkräfte sind in Venezuela der entscheidende Machtfaktor. Noch kann der sozialistische Staatschef auf die Unterstützung der mächtigen Militärs zählen. Guaidó lockt die Soldaten nun mit Straffreiheit, wenn sie ihn unterstützen.
"Wenn Teile des Militärs mit ausreichender Feuerkraft mit Maduro brechen, könnten sie ihm die Macht entziehen oder ihn dazu zwingen, über seinen Rücktritt zu verhandeln", schrieb Phil Gunson vom Forschungsinstitut Crisis Group in einer Analyse. "Eine solche Entwicklung könnte Guaidó theoretisch dazu befähigen, die Regierung zu übernehmen und Neuwahlen auszurufen."
Bislang halten die Generäle öffentlich noch zu Maduro. Hochrangige Militärs sitzen auf wichtigen Posten in der Erdölwirtschaft, kontrollieren den Import von Lebensmitteln und leiten Banken und Bergbauunternehmen. Zudem sollen einige auch in kriminelle Geschäfte verwickelt sein. Sie haben wenig Interesse an einem Regierungswechsel.
Der einzige ranghohe Offizier, der Maduro bislang die Gefolgschaft aufgekündigt und sich Guaidó angeschlossen hat, ist der Militärattaché in Washington, Oberst José Luis Silva. Doch unter den Mannschaften soll es Medienberichten zufolge brodeln. Die einfachen Soldaten profitieren nicht von den Privilegien der Führungsriege und leiden ebenso wie die Zivilbevölkerung unter der katastrophalen Versorgungslage im Land.
Zuletzt gab es mehrere kleinere Aufstände von Soldaten, die allerdings schnell niedergeschlagen wurden. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Control Ciudadano wurden im vergangenen Jahr mindestens 180 Militärs wegen politischer Verbrechen festgenommen.
Die Sicherheitsbehörden deckten nach eigener Darstellung erst kürzlich eine mutmaßliche Verschwörung gegen die Regierung auf. "Von ultrarechten Kreisen engagierte Auftragskiller sollten politische Führer und Soldaten ermorden, um Chaos im Land zu stiften", sagte Innenminister Néstor Reverol am Donnerstag. Mehrere Verdächtige seien festgenommen worden, darunter ein Deserteur der venezolanischen Streitkräfte und zwei ehemalige Offiziere.
Angesichts der Abwerbeversuche und des wachsenden Drucks aus Washington schwor Maduro die Soldaten auf die Verteidigung des Landes ein. "Ich rufe die Streitkräfte zu einer großen militärischen Erneuerung auf, um zu garantieren, dass der nordamerikanische Imperialismus niemals einen Fuß auf unser Territorium setzt", sagte er bei einem Truppenbesuch.
Sollten die Militärs allerdings zu dem Schluss kommen, dass Maduro nicht länger zu halten ist, dürfte ihm die flammenden Appelle wenig helfen. "In entscheidenden Momenten haben wir gesehen, dass sich die Militärs an die realen Machtoptionen anpassen. Sie sind eher Pragmatiker als Idealisten", sagte Rocío San Miguel von Control Ciudadano in einem Radiointerview.
Am Donnerstag beschlossen die EU-Staaten die Gründung einer Kontaktgruppe, die Bemühungen um demokratische Wahlen in Venezuela unterstützen soll. Die Gruppe aus europäischen und lateinamerikanischen Ländern solle aber keine offizielle Vermittlerrolle zwischen den politischen Gegnern spielen, sagte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hofft auf eine gemeinsame EU-Linie im Umgang mit Venezuela:
Deswegen gehe es nun darum, dass die Europäische Union eine geschlossene Haltung finde. Länder wie Griechenland weigerten sich aber bis zuletzt mitzuziehen.
(aj/dpa)