Der künftige US-Präsident Joe Biden will sich mit dem aufstrebenden Partei-Newcomer Pete Buttigieg einen früheren demokratischen Konkurrenten aus dem Präsidentschaftsrennen in sein Kabinett holen. Biden plant, den 38 Jahre alten Buttigieg zum Verkehrsminister zu machen, wie sein Team am Dienstagabend (Ortszeit) mitteilte. Demnach wäre Buttigieg – sofern er für das Amt bestätigt wird – der erste offen schwule Bundesminister in der Geschichte des Landes.
Buttigieg hatte bei den Präsidentschafts-Vorwahlen der Demokraten für Furore gesorgt. Monate zuvor war er auf nationaler Ebene noch weitgehend unbekannt gewesen, doch dann arbeitete sich Buttigieg zeitweise in Umfragen an die Spitze des parteiinternen Bewerberfeldes und gewann im Laufe seines Wahlkampfes enorm an Profil und Bekanntheit. Nach seinem Rückzug aus dem Rennen unterstützte er Bidens Kandidatur.
Acht Jahre lang, bis Ende 2019, war Buttigieg Bürgermeister von South Bend, einer 100.000-Einwohner-Stadt im US-Staat Indiana. Er studierte an renommierten Universitäten und arbeitete als Unternehmensberater bei McKinsey, bevor er in die Politik wechselte. Buttigieg war außerdem bei der Navy. 2014 ließ er für einen siebenmonatigen Einsatz in Afghanistan seinen Bürgermeisterjob ruhen. Buttigieg spricht neben Englisch sieben weitere Sprachen: Französisch, Spanisch, Italienisch, Maltesisch, Norwegisch, Dari und Arabisch - wobei er nicht alle fließend beherrscht.
Dass er nach dem Posten in South Bend nun direkt auf ein Ministeramt wechseln soll, ist ein steiler Aufstieg. Es kommt aber wenig überraschend, dass Buttigieg einen prominenten Posten übernehmen soll. Spekuliert wurde zuletzt eher darüber, welches Amt ihm zugeteilt werden könnte.
Politische Erfahrung auf Bundesebene hat der Demokrat bislang nicht. Dies könnte ihm im Senat, der ihn für den Posten bestätigen muss, vorgehalten werden. Vorbehalte wegen seines Alters und seiner geringen politischen Erfahrung waren Buttigieg aber auch im Präsidentschaftsrennen schon begegnet — er konterte diese souverän.
Mit dem Verkehrsministerium ist er nun für ein Ressort eingeplant, das nicht zu den prestigeträchtigsten gehört. Angesichts erwarteter Großinvestitionen in die Infrastruktur dürfte dem Ministerium in Bidens Amtszeit aber einige Bedeutung zukommen — viel Raum also für Buttigieg, um sich weiter zu profilieren.
Biden sagte, in dem Ressort seien einige der ambitioniertesten Vorhaben seiner Administration geplant. Er vertraue darauf, dass Buttigieg diese Arbeit mit Anstand und einer kühnen Vision angehen werde. Buttigieg schrieb in einem Tweet, er fühle sich geehrt.
Der Sender CNN meldete unter Berufung auf ungenannte Quellen auch, dass Biden für das Energieministerium die frühere Gouverneurin von Michigan, Jennifer Granholm, vorgesehen habe. Als oberste Koordinatorin für das Thema Klima wolle er die Ex-Chefin der Umweltbehörde EPA, Gina McCarthy, berufen. Eine Bestätigung gab es dafür zunächst nicht.
Biden hatte versprochen, das vielfältigste Kabinett aller Zeiten zu bilden. Er kündigte unter anderem an, erstmals eine Frau an die Spitze des Finanzministeriums zu setzen und erstmals einen Afroamerikaner zum Pentagon-Chef zu machen.
Eine große Hürde steht Biden und seiner Partei noch im Bundesstaat Georgia bevor, wo es am 5. Januar folgenschwere Stichwahlen um zwei Sitze im US-Senat geben wird. Bei einem Wahlkampfauftritt in Atlanta warb Biden am Dienstag eindringlich um Unterstützung der beiden demokratischen Kandidaten in den Rennen. Die Wähler müssten abstimmen als hinge ihr Leben davon ab, "denn das tut es", mahnte er.
Die beiden Stichwahlen spielen für Bidens Präsidentschaft eine gewichtige Rolle. Denn der Senat bestätigt Kandidaten für Regierungsposten und kann Gesetzesvorhaben blockieren. Mit den Rennen in Georgia entscheidet sich, ob Bidens Demokraten die Kontrolle über den Senat bekommen oder die Republikaner die Mehrheit in der Parlamentskammer behalten. Um die Mehrheit zu erlangen, müssten sich die Demokraten Jon Ossoff und Raphael Warnock gegen die republikanischen Senatoren Kelly Loeffler und David Perdue durchsetzen.
Georgia galt lange als Hochburg der Republikaner. Bei der Präsidentschaftswahl im November unterlag der republikanische Amtsinhaber Donald Trump dort jedoch, Biden gewann den Staat knapp.
Trump hat seine Niederlage bei der Präsidentschaftswahl bislang nicht eingeräumt, sondern behauptet weiter, er sei durch massiven Betrug um den Sieg gebracht worden. Beweise dafür hat er bislang nicht vorgelegt. Mehr als 50 Klagen des Trump-Lagers wurden bereits abgeschmettert. Am Montag bestätigten schließlich die Wahlleute in den Bundesstaaten mit ihrem Votum Bidens Sieg über Trump.
Am Dienstag erkannte daraufhin auch der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, Bidens Sieg öffentlich an und gratulierte dem Demokraten - nach wochenlanger Zurückhaltung - zum Wahlerfolg. Biden sagte danach, er habe McConnell angerufen, um sich für seine Äußerungen zu bedanken. Sie hätten vereinbart, sich bald zu treffen.
Die Gräben zwischen den Republikanern und Demokraten sind tief. Biden hat versprochen, er wolle das Land einen. Je nach Ausgang der Stichwahlen könnte es sein, dass er gar keine andere Wahl hat, als beim Regieren auf die Republikaner zuzugehen.
(lfr/dpa)