Sechs Minuten und zwanzig Sekunden lang bleibt Emma Gonzalez insgesamt auf der Bühne. So lange, wie der Schütze von Parkland in der Schule um sich geschossen hatte. Ihr Blick ist auf die gewaltige Menschenmenge gerichtet, die sich in Richtung des Weißen Hauses erstreckt. Tränen laufen der jungen Überlebenden des Massakers vom Valentinstag die Wangen hinab. Auch manche in der Menge weinen.
Das Schweigen von Emma Gonzalez ist einer der eindringlichsten Momente der US-Großdemonstrationen für ein schärferes Waffenrecht an diesem Samstag. Sie nennt die Namen all ihrer Mitschüler, die in Parkland ums Leben gekommen sind.
Washington erlebt an diesem kühlen Frühlingstag eine der emotionalsten Großdemonstrationen seiner jüngeren Geschichte. Getragen wird der Protest von einer Generation, die mit der tagtäglichen Schusswaffengewalt aufgewachsen ist. Die Verschärfung des laxen US-Waffenrechts betrachten diese jungen Menschen als Existenzfrage — "Marsch für unser Leben" ist der Protest betitelt, der auch in vielen anderen US-Städten stattfand.
Viele der Demonstranten sprechen von der Furcht vor Schusswaffenangriffen, die ihren Schulalltag prägt:
Neben Trauer und Angst ist auch Wut eines der prägenden Gefühle der neuen Graswurzelbewegung. Die Wut richtet sich gegen die Waffenlobby NRA und die Politiker, die mit den mächtigen Lobbyisten verbündet sind.
Die neue Protestgeneration hat allerdings bereits erfahren, dass ihr Kampf ein mühseliger ist. Zwar hat ihr Druck immerhin im Bundesstaat Florida bereits eine Verschärfung des regionalen Waffenrechts bewirkt — doch bei der Regierung und im Kongress in Washington gibt es bislang nur minimale Konzessionen im Waffenrecht. Präsident Donald Trump scheint nicht bereit zu sein, sein Bündnis mit der NRA zu gefährden.
Die jungen Demonstranten setzen jedoch darauf, dass auch sie mächtigen politischen Druck entfalten können. Schließlich werden viele von ihnen schon bei der Kongresswahl im November wahlberechtigt sein — und noch viel mehr bei der Präsidentschaftswahl 2020.
Neben Trauer, Furcht und Wut wird der Protest also auch von einer großen Aufbruchstimmung angetrieben. Die Protagonisten sind von dem Optimismus beseelt, dass ihre Bewegung nicht so schnell versanden wird wie frühere Proteste gegen die Schusswaffengewalt. "Wir sind der Wandel", ruft der Parkland-Schüler Cameron Kasky der Menge zu. Und er verkündet, dass der Marsch an diesem Tag "nicht der Höhepunkt" der Bewegung sei: "Er ist der Anfang."
(czn/afp)