Die Social-Media-Plattform Tiktok ist vor allem bekannt für kurze Videos. Choreografien zu Musik aus den Charts, Sketche, Aufklärung, ASMR. Es gibt bei Tiktok aber auch die Möglichkeit falsch abzubiegen und bei rassistischen, sexistischen oder gewaltverherrlichenden Inhalten zu landen. Je nachdem, wie der Algorithmus gefüttert wird – bei Tiktok gibt es alles.
Offensichtlich auch russische Propagandavideos. Videos von mutmaßlichen Hinrichtungen inklusive.
Besonders gefährlich daran: Vor allem bei der Generation Z ist TikTok beliebt. Insgesamt 41 Prozent der 18. bis 24-Jährigen nutzen die App.
Es gibt nämlich nicht nur die Videos von russischen Kriegsinfluencern – sondern auch welche, bei denen die User:innen sehen können, wie ein Mensch mit einem Vorschlaghammer hingerichtet wird. Nämlich von der russischen Söldnertruppe Wagner. Das haben Recherchen des Faktencheckdiensts "Newsguard" ergeben.
Insgesamt 160 solcher Videos sollen die Analyst:innen von "Newsguard" auf Tiktok gefunden haben. Sie alle haben gemein, dass sie entweder Gewalttaten zeigen, oder auf diese anspielen. Verübt worden seien sie alle von der Wagnergruppe, heißt es.
Bei 14 dieser Videos soll die brutale Hinrichtung eines mutmaßlichen russischen Söldners zu sehen sein, der die Seiten gewechselt hat. Die mutmaßliche Ermordung mit dem Vorschlaghammer. "Newsguard" beschreibt das Video folgendermaßen:
Ein Mann soll in einem Keller sitzen und sein Kopf mit mehreren Lagen Klebeband um Hals und Stirn an eine Backsteinwand geklebt worden sein. Ein Soldat soll dann einen Vorschlaghammer in Richtung des Kopfes des Mannes geschwungen haben – und die Aufnahme der Kamera wird dunkel.
Das Video, so macht es den Anschein, zeigt die Hinrichtung von Jewgeni Nuschin im Oktober 2022. Dem Söldner, der am Ende auf Seite der Ukraine war. Laut den Recherchen von "Newsguard" sammelten die Videos der möglichen Hinrichtung innerhalb weniger Tage eine hohe Anzahl an Likes und Kommentaren.
Im Laufe der Recherche soll Tiktok zehn solcher Videos entfernt haben – eines davon sei aber mindestens 900.000 Mal angesehen worden, ehe es entfernt worden ist.
Die Söldnergruppe Wagner hat in den vergangenen Monaten gemeinsam mit der russischen Armee, vor allem in der Ostukraine gekämpft. Offensichtlich sucht die Gruppe Nachwuchs. "Newsguard" hat Tiktok-Profile ausfindig gemacht, auf denen die Wagner-Gruppe regelmäßig Rekrutierungsaufrufe veröffentlicht.
Außerdem sollen Tiktok-Videos auf Telegram-Channel oder die russische Social-Media-Plattform VKontakte verwiesen haben, in denen Rekrutierer der Wagner-Gruppe tätig sind.
Neben den explizit Gewaltvideos haben die Analyst:innen von "Newsguard" außerdem 500 Videos identifiziert, die offen zu Gewalt an Ukrainer:innen aufrufen. Darin würde zum Beispiel gefordert, Ukrainer:innen zu töten, weil sie "Nazis" seien. Ein Narrativ, dass der Kreml seit Beginn des Krieges verwendet, um zum einen den Überfall zu legitimieren und zum anderen die Menschen in der Ukraine zu verunglimpfen.
Diese Videos dürften gegen die Tiktok-Richtlinien verstoßen: Gewaltverherrlichung, die Aufforderung zur Gewalt, das Bewerben von Gewalt oder das Fördern von Gewalt sind verboten. TikTok habe die Recherche-Ergebnisse von "Newsguard" nicht infrage gestellt, heißt es im Bericht. Und die Betreibenden hätten bereits angekündigt, die Videos zu prüfen und im Zweifel zu sperren.
Bisher seien zwar einige Videos zur Ukraine gesperrt worden, berichtet "Newsguard". Allerdings seien noch immer Gräueltaten der Wagnergruppe aus Syrien zu finden. Die Ukraine ist nicht das erste Land, in dem Putins Schlächter wüten. Eine weitere Erkenntnis der Recherche: Der Tiktok-Algorithmus treibt die User:innen zu solchen Videos.
Und zwar durch die vorgeschlagene Vervollständigung: Sucht man in der App nach Wagner, wird direkt die Suche nach "Wagner Exekution" vorgeschlagen.
"Newsguard" hat diverse Hashtags mit Bezug zur Wagner-Gruppe ausgemacht. Diese würden in hunderten von Videos verwendet – alle von Fans der Wagner-Gruppe. Und die Recherche zeigt auch: Die Videos werden geklickt.
Die drei wichtigsten russischsprachigen Hashtags mit Bezug zur Wagnergruppe seien zusammen weit über eine Milliarde Mal aufgerufen worden. Und auch im englischsprachigen Raum gebe es ein großes Interesse an den Videos. Über 60 Millionen Mal seien dort Videos mit Wagner-Bezug angeschaut worden.