Politik
Analyse

Friedrich Merz: Vorhaben bei Verbrenner-Aus entsetzt Experten

Bundeskanzler Friedrich Merz am Steuer des neuen BMW iX3, Elektro SUV, Messerundgang zur Eröffnung der IAA Mobility 2025, Messe München, 9. September 2025 Deutschland, München, 9. September 2025, Bund ...
Ist es kein Verbrenner, wird Friedrich Merz eher skeptisch.Bild: imago images / Wolfgang Maria Weber
Analyse

Merz will Verbrenner-Aus kippen – Experten alarmiert: "Macht alles nur noch schlimmer"

Vor dem Autogipfel im Kanzleramt ist bereits klar: Friedrich Merz will sich für ein Aus des Verbrenner-Aus 2035 in der EU einsetzen. Ein Fehler, wie zwei Expert:innen gegenüber watson erklären. Doch was ist die Alternative?
09.10.2025, 07:2109.10.2025, 07:21

Kommt die Rolle rückwärts in der Klima- und Wirtschaftspolitik der Europäischen Union? Um das EU-weite Verbot von Neuzulassungen für Verbrenner-PKWs ab 2035 wird hitzig debattiert – auch in Deutschland. Die Union macht Druck, mittlerweile bezeichnet auch Kanzler Friedrich Merz das Vorhaben als "falsches Verbot" und warnt vor Nachteilen für die deutsche Autoindustrie.

"Meine klare Vorstellung ist, dass wir dieses sogenannte Verbrennerverbot in der Form nicht aufrechterhalten", sagte er in der n-tv-Sendung "Pinar Atalay". Der Koalitionspartner SPD zeigt sich in der Frage gespalten, Vizekanzler Lars Klingbeil signalisierte zuletzt zumindest Offenheit für Anpassungen.

Merz möchte beim Autogipfel im Kanzleramt am Donnerstag die angeschlagene Branche besänftigen – unter anderem auch mit einem Bekenntnis, die Autobauer von den Fesseln der 2035-Regel zu befreien.

Gegenüber watson kritisieren Andreas Knie, Politik- und Mobilitätsforscher vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB), und Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) das Vorhaben. Sie sehen in dem Richtungswechsel eine rückwärtsgewandte Debatte, die den Fortschritt in der Automobilbranche gefährden könnte.

Merz' Verbrenner-Politik: Für Experte "spricht gar nichts dafür"

Kemfert bezeichnet das Verbrenner-Aus als "beschlossen und sinnvoll", da es Planungssicherheit schaffe, das Klima schütze und langfristig Verbraucher:innen entlaste. Ein Kippen des Verbots würde ihrer Meinung nach Investitionen bremsen und die Transformation der Branche ausbremsen.

Auch Knie betont, dass die Entscheidung zum Verbrenner-Aus jahrelang intensiv vorbereitet und mit allen relevanten Akteur:innen abgestimmt wurde. Er wird deutlich:

"Es spricht nichts, aber auch gar nichts dafür, diese Entscheidung zu revidieren."

Knie verweist auch auf einen Punkt, der vor allem Liberalen und Konservativen beim Formulieren des Gesetzes wichtig war: Es sei sogar "technologieoffen" formuliert. Sprich: Es gehe "nicht gegen den Verbrennungsmotor, sondern gegen fossile Kraftstoffe". In der Tat sind nach dem EU-Gesetz Neuzulassungen von Verbrennermotoren auch nach 2035 erlaubt, wenn sie ausschließlich CO2-neutrale synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) verwenden.

Verbrenner-Aus: Elektromobilität als Schlüssel zur Zukunft

Beide Expert:innen plädieren dafür, die Elektromobilität gezielt zu fördern, anstatt bestehende Maßnahmen aufzuweichen. Knie sieht die technische Entwicklung weltweit klar in Richtung batterieelektrischer Antriebe gehen. Die deutsche Autoindustrie habe zwar Potenzial, "sie muss aber dazu gezwungen werden, dieses auch auszuschöpfen" – etwa durch die Festlegung von Grenzwerten.

Kemfert fordert ebenfalls klare Rahmenbedingungen, den Ausbau der Ladeinfrastruktur und "faire Strompreise, um E-Autos attraktiver zu machen und Wertschöpfung in Europa zu halten".

Doch wäre Deutschland grundsätzlich gut auf das Verbot ab 2035 vorbereitet? Knie findet: Ja. "Die Industrie hat noch ausreichend Zeit, zudem ist Europa für die deutschen Hersteller nicht der einzige Markt". Zuletzt sei der Export deutscher Autos nach China rapide geschrumpft. Setze man mehr auf E-Autos, könne dieser Markt ihm zufolge jedoch wieder wachsen.

"Kurs halten, nicht zurückrudern. Die Zukunft ist elektrisch."
Claudia Kemfert, Wirtschaftswissenschaftlerin am DIW

Kemfert sieht ebenfalls Fortschritte, mahnt jedoch an: "Es fehlt an Tempo beim Ausbau der Ladeinfrastruktur und bei der heimischen Batteriefertigung." Die Richtung stimme, aber die Umsetzung müsse beschleunigt werden.

Doch welchen Anteil daran hat die Politik der vergangenen Jahre – und welchen die Industrie?

Autogipfel: "Klares Zeichen" von Merz gefordert

Die Wirtschaftswissenschaftlerin sieht beide Seiten in der Verantwortung:

"Der Politik kann man zu viel Zickzackkurs vorwerfen, der Industrie zu viel Festhalten am Verbrenner. Beide haben Zeit verloren."

Statt rückwärtsgewandter Debatten brauche es nun mehr Konsequenz und "Investitionen in Zukunftstechnologien".

Knie adressiert Kritik auch speziell an Kanzler Merz. Für den Autogipfel befürchtet er, Merz werde "die Technologieoffenheit reklamieren, mehr Zeit fordern und damit alles nur noch schlimmer machen". Hinter der Forderung Merz' und CSU-Chef Markus Söders, das Verbrenner-Aus zu kippen, vermutet Knie die beabsichtigte "Absicherung kurzfristiger Profitinteressen".

Dennoch entsprechen die Befürworter:innen der verkehrspolitischen Rückwärtsrolle natürlich auch einer Angst vieler Verbraucher:innen: dass es nach 2035 keine günstigen Neuwagen mehr gibt, weil E-Autos bisher meist teurer sind. Knie teilt diese Sorgen nicht: "Es wird Autos unter 20.000 Euro geben", auch nach 2035, prognostiziert er.

Er fordert eine Konzentration auf die E-Mobilität, aber mit einem anderen Anspruch: "Wir brauchen Demut; wir sind nicht mehr die Besten, sondern müssen uns hinten anstellen und dann endlich den Resetknopf drücken."

Neben der Einstellung kann die deutsche Autoindustrie auch konkrete Schritte umsetzen, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Kemfert nennt hier die Förderung von mehr Softwarekompetenz, mehr Kooperationen und fairer Handelsbedingungen.

Für Merz' Auftritt beim Autogipfel fordert sie statt der erwartbaren Verbrenner-Taktik "ein klares Signal" in die andere Richtung: "Kurs halten, nicht zurückrudern. Die Zukunft ist elektrisch." Aufgabe der Politik sei es auch, der Industrie "Planungssicherheit" zu geben und "die Transformation aktiv zu unterstützen".

Gefahr für die EU: Kommunikation von von der Leyen spielt Russland in die Hände
Russlands Drohnen und Cyberangriffe setzen Europa unter Druck – und ausgerechnet in Brüssel stolpert die EU über ihre eigene Kommunikation. Pannen im Medienteam von Ursula von der Leyen werden zum Risiko, weil sie im hybriden Krieg genau das befördern, was Moskau anstrebt: Zweifel und Misstrauen.
Drohnen über Kopenhagen, GPS-Störungen in Osteuropa, Cyberattacken auf Parlamente: Europa erlebt den hybriden Krieg Russlands längst im eigenen Alltag. Beim EU-Gipfel in Dänemark forderte Ursula von der Leyen deshalb nichts Geringeres als einen "Schutzschild für unseren gesamten Kontinent". Ihr "Drohnenwall" soll feindliche Fluggeräte stoppen, noch bevor sie europäischen Luftraum verletzen.
Zur Story