Die Berichte über die Probleme des russischen Präsidenten Wladimir Putin, neue Soldaten für seine "Spezialoperation" in der Ukraine ranzuschaffen, sind mittlerweile bekannt.
Zu hoch sind unter anderem die Verluste auf beiden Seiten, als dass es die verbliebenen Männer im Land motivieren würde, Putins Aufruf, in den Krieg zu ziehen, zu folgen. Selbst die Zugeständnisse, die Putin versucht einzusetzen, tragen nur bedingt Früchte. So haben die meisten Männer verstanden, dass sie wohl nicht lange genug an der Front überleben würden, um hinterher von irgendeinem Lohn zu profitieren.
Die Ukraine gab sich bislang stets kampfbereit, zumindest was die Soldaten angeht. Doch auch auf ihrer Seite gibt es hohe Verluste. Viele Männer sind zudem schon längst in andere Länder geflohen. Ihr Präsident Wolodymyr Selenskyj wiederholt seit vielen Monaten gebetsmühlenartig bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit, wie dringend sein Land Waffen benötigt.
Doch nun auch Soldaten. Die Flut an Freiwilligen ist offenbar langsam aber sicher versiegt. "Die Ukraine ist erschöpft", schreibt "BBC" in einem Bericht. Das Medium hat mit drei Ukrainer:innen gesprochen, die ein verheerendes Bild von der Lage an der Front zeichnen.
Da wäre Pavlo Zhilin, ein Einberufungsbeauftragter der Ukraine. Er patrouilliert durch die Straßen der Innenstadt von Tscherkassy, die jungen Männer, denen er begegnet, weichen ihm oft aus. Sie wollen nicht an die Front. Pavlo interpretiert das als Gleichgültigkeit.
"Die meisten derjenigen, die kämpfen wollten, sind entweder tot, verletzt oder sitzen noch immer an der Front und warten auf ihre Ablösung durch neue Rekruten", schreibt die "BBC" in ihrem Bericht.
"Ich verstehe das nicht. Die Leute sind unterwegs, als ob der Krieg irgendwo weit weg wäre. Aber das ist eine groß angelegte Invasion, und es ist, als ob es den Leuten immer noch egal wäre", sagt Pavlo. Der Sicherheitsdienst von Tscherkassy lässt immer wieder Social-Media-Kanäle sperren, die die jungen Männer davor warnen, wenn die Wehrpflichtteams in der Stadt sind.
Der junge Soldat ist der Meinung, dass es die anderen Männer bereuen würden, sich nicht in den Dienst des Landes gestellt zu haben – spätestens wenn sie eigene Kinder haben würden. Er sagt:
Und das, obwohl er selbst Schlimmes durchgemacht hatte. In seiner Zeit an der Front verlor er einen Arm, er hat einen Granatsplitter im Bein. Von seiner Firma sei fast niemand mehr übrig, gestand er zudem: "Die einzigen, die noch übrig sind, sind [verletzt] wie ich. Die anderen sind tot."
Da wäre auch Serhiy Saviuk. Er wurde bei Kämpfen schwer verwundet. Seine Eltern sind gerade erst vom besetzten Kachowka nach Irpin, in der Nähe von Kiew, gezogen. Dort gibt es Anzeichen einer Erholung. Gleich zu Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine war die Gegend schwer umkämpft. Nun gibt es viele kleine "Städte" aus Fertighütten mit jeweils zwei Zimmern und einem Duschbad.
Serhiys Eltern konnten Kachowka nicht verlassen, weil ihre betagten Eltern sich weigerten zu gehen. Als Serhiy schwer verwundet wurde, brachen sie auf, um bei ihm zu sein. Doch sie schämten sich, ihre Verwandten zurückzulassen.
An Serhiys Bein wurde der größte Teil des Fleisches weggeblasen, sein Fuß war in Fetzen. Trotzdem will er wieder an die Front. Es gäbe zu wenig Soldaten, meinte er gegenüber seiner Mutter. Seine Freunde bräuchten ihn. Ruhig schlafen konnte seine Mutter vergangenes Jahr nicht:
Und da wäre Vladislav Bykanov. Er wurde im vergangenen Juni durch eine Minenexplosion in der Nähe von Bachmut getötet. Er war fast 23 und bereits stellvertretender Kommandeur. "Ich glaube, mein Sohn ist gestorben, als er das Richtige getan hat", sagt seine Mutter Inna. Sie ist noch nicht bereit, ihren Sohn loszulassen. Die Ukraine ehrt ihre Soldaten als Helden. Mit der Trauer sind die Ukrainer:innen allerdings allein: