Mariana Mamonova ist Mutter. Ihre kleine Tochter Ania strahlt in ihrem sonnengelben Strampelanzug. Sie lacht, während Mariana sie sanft nach oben wirft und wieder auffängt. Es wirkt als wären das glückliche Tage für Mutter und Kind – Zuneigung, Fröhlichkeit, Spaß.
Zu sehen ist diese Szene in einem Videobeitrag des ukrainischen Teams der "Deutschen Welle". "Die Frau genießt jeden Spaziergang mit ihrer Tochter hier in ihrer Heimatstadt Lwiw", heißt es dort.
Währenddessen werden Einspielungen gezeigt, wie Mariana bei sonnigem Wetter in einem Park mit Ania spielt. Die rothaarige Frau lächelt mindestens genauso viel wie ihr Kind.
Doch dann heißt es: "Sie weiß, dass es sein kann, dass sie ihr Kind bald nicht mehr um sich hat – und es ist nicht lange her, da war sie selbst in Gefahr. Jeden Tag nur einen Schritt entfernt vom Tod in russischer Gefangenschaft."
Mariana arbeitete als Sanitäterin in Asowstal. Einem Stahlwerk in der Nähe der bis heute von Russland besetzten Stadt Mariupol im Südosten der Ukraine. Die Stadt war im April 2022 längst umzingelt, da verriegelten sich die letzten Kämpfer in dem Stahlwerk. Mit ihnen waren auch etliche Zivilist:innen eingesperrt.
Mitte Mai 2022 endete der Kampf um das Werk vollständig. Bereits zuvor ergaben sich immer wieder Soldat:innen. Doch am 20. Mai legten auch die letzten ukrainischen Kämpfer:innen ihre Waffen nieder und ergaben sich. Sie wurden als Kriegsgefangene verschleppt.
Mit der Zeit wurden immer mal wieder einige Gefangene ausgetauscht, zuletzt hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan eine große Gruppe Asowstal-Gefangene aus der Türkei in die Ukraine entlassen – sehr zum Ärger des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der dachte, er hätte einen Deal mit seinem vermeintlichen Unterstützer.
Viele Kriegsgefangene berichten von unmenschlichen Zuständen, von Folter, von zu wenig Essen. Mariana war eine von ihnen. Und sie war schwanger, während ihrer Gefangenschaft.
DW-Angaben zufolge war die junge Frau sechs Monate lang in Gefangenschaft. Im März fand sie heraus, dass sie schwanger war. "Der Boden sank unter meinen Füßen weg. Das war ein Schock für mich", erzählt sie.
Weder ihrem Mann, noch ihren Eltern oder Kollegen erzählte sie von der Schwangerschaft. Sie habe gewusst, dass sie Mariupol sowieso nicht verlassen – und ihr niemand zur Hilfe kommen konnte. Es gab damals zwar sogenannte "green corridors", also humanitäre Fluchtkorridore, aber schon damals war klar, dass sich die russischen Streitkräfte nicht an etwaige Abmachungen halten würden.
Die Korridore wurden von Beginn an beschossen. Und Mariana sagt: "Sie hätten sowieso herausgefunden, dass ich Soldatin bin. Ich beschloss, bis zum Ende bei den Jungs zu bleiben."
Dann ergab sich ihre Einheit – sie musste folgen. Wie in einem Film habe sich die Situation vor ihren Augen abgespielt, erzählt sie. "Für eine Frau war es das Schlimmste, sich zu ergeben, denn es gab viele Tote und Misshandlungen, vor allem von Frauen aus Mariupol." Während der sechsmonatigen Gefangenschaft sei es ihr einmal erlaubt gewesen, ihren Mann anzurufen. Bei diesem Gespräch erzählte sie von ihrer Schwangerschaft.
In der Strafkolonie habe sie im späteren Stadium ihrer Schwangerschaft nicht mehr arbeiten können, weshalb man ihr nichts mehr zu essen gab. Frauen, die mit ihr gefangen waren, hätten sie weiterhin heimlich versorgt.
"Sie behandelten mich geringschätzig", erzählt Mariana über die Russen. "Sie sagten, ich sei eine Banderit aus der Westukraine." Als Banderit bezeichnete man in den 1940er Jahren Mitglieder der sogenannten OUN-B, einer Armee der Organisation Ukrainischer Nationalisten, die den Spitznamen "Banderas Volk" trug. "Banderiten sollten getötet werden", hätten sie zu ihr gesagt.
Und weiter:
Letztlich war Mariana dann eine derjenigen Gefangenen, die zwischen den beiden Staaten ausgetauscht wurden. Sie wurde in ein Flugzeug gesetzt, heißt es in dem Beitrag – und konnte heimkehren. In der Ukraine kam die gesunde Ania dann zur Welt.