Der russische Präsident Wladimir Putin versucht, die Machtstrukturen im Land in den aktuellen Kreml-Eliten zu halten.Bild: imago images / ITAR-TASS
International
Der russische Präsident Wladimir Putin behält gern die Kontrolle. Das zeigt sich nicht nur in seinen öffentlichen Äußerungen, auch in seinen Taten wird dies sichtbar. Der Kreml-Machthaber ist zehn Jahre jünger als US-Präsident Joe Biden, der sich zuletzt wegen Kritik an seinen Alterserscheinungen aus der Präsidentschaftskandidatur zurückgezogen hat.
Im Gegensatz zu den USA, wo Präsidenten oft durch demokratische Wahlen ersetzt werden, verfolgt der 71-jährige Putin eine feudale Strategie der Machtübergabe in Russland: Er besetzt Schlüsselpositionen im politischen Apparat mit Mitgliedern seiner eigenen Familie und den Nachkommen der alten Kreml-Elite.
Experten erklären, wie Putin für eine Ära nach seiner Zeit an der Spitze bereits vorsorgt.
Russland: Putin installiert offenbar eine "Familie 2.0" für künftige Macht
Die aktuellen Entwicklungen in Russland erinnern stark an die Endphase der Jelzin-Ära. Damals bestimmte der sogenannte Familien-Clan um Boris Jelzins Tochter und deren Ehemann das Schicksal Russlands. Nun scheint Putin eine "Familie 2.0" für die aktuelle Elite zu installieren.
Der russische Machthaber Wladimir Putin ist 71 Jahre alt. Bild: Pool Sputnik Kremlin / Gavriil Grigorov
Russland-Experte Jörg Himmelreich erklärt hierzu im "Tagesspiegel": "Auch die Lebenszeit von Autokraten ist endlich. Die verschiedenen Machtgruppierungen beginnen, sich zu sortieren." Aber, wie Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck ergänzt: "Es gibt bisher keinen konsequenten Generationswechsel. Die Dominanz liegt noch bei den 60-Jährigen."
Nachkommen Putins und der Kreml-Eliten beziehen wichtige Posten
Die Neubesetzung wichtiger Posten im Kreml mit Verwandten ist auffällig. So wurde Putins Großnichte Anna Ziwiljowa Mitte Juni zur stellvertretenden Verteidigungsministerin ernannt. "Der Krieg wird für Putin zur Familienangelegenheit", kommentiert dies der Soziologe Wladislaw Inosemzew auf sarkastische Weise auf X.
Vor Amtsantritt war sie als "First Lady des Kusbass" bekannt, der wichtigsten Industrieregion Sibiriens. Ihr Mann, der ehemalige Gouverneur der Region Kemerowo, ist nun Energieminister. Ziwiljowa selbst besitzt bedeutende Anteile am Kohlekonzern "Kolmar". Sie habe diese als Hochzeitsgeschenk von Putin erhalten, heißt es.
Auch der Sohn des früheren Geheimdienst- und Regierungschefs Michail Fradkow wurde kürzlich zum stellvertretenden Verteidigungsminister ernannt. Zuvor war er stellvertretender Leiter der Präsidialverwaltung. Sein neuer Posten wurde frei, nachdem Vorgänger Timur Iwanow wegen Korruption in Untersuchungshaft gekommen war.
Die Familie Patruschew hat den Generationswechsel bereits vollzogen. Nikolai Patruschew, einstige Graue Eminenz in Putins nahem Umfeld, war maßgeblich an der Entscheidung zum Krieg gegen die Ukraine beteiligt. Er trat zurück und machte Platz für seinen Sohn Dmitri, der nun einer der Vize-Regierungschefs in Russland ist. Expert:innen vermuten dahinter einen Deal.
Putins Tochter Katerina Tichonowa spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle. Auf dem Wirtschaftsforum in St. Petersburg sprach sie über Import und Export im militärischen Bereich. Offiziell ist sie Generaldirektorin von Innopraktika, einem milliardenschweren Investitionsfonds.
Der Bürgerrechtler Wladimir Ossetschkin sieht sie als zentrale Figur der jüngsten Umwälzungen. Gerüchten zufolge könnte Putin seine Tochter als Nachfolgerin im Sinn haben, doch dies dürfte in der russischen Gesellschaft schwierig durchzusetzen sein. Experte Mangott betont: "Es gibt keine Kronprinzen-Strategie für Putins Nachfolge. Putin bestimmt seine Zukunft selbst und denkt langfristig."
Experte spricht von Kennzeichen einer feudalen Machtstruktur in Russland
Klar ist: Aktuell entsteht ein Kreis reicher und extrem einflussreicher Familien um Putin, deren Nachkommen in wichtige Positionen aufsteigen. Der Sohn von Putins ehemaligem Stabschef Sergej Iwanow wurde mit 25 Jahren Vizepräsident der Gazprombank und später Chef des Diamantenkonzerns Alrosa. Auch Rosneft-Chef Igor Setschin brachte seinen Sohn in eine Spitzenposition.
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Der Ökonom Anders Åslund, der Jelzins Administration lange beriet, beschreibt das System so: "Es trägt die Kennzeichen einer alten feudalen Struktur." Putin versucht offenbar, durch die Einbindung einer neuen Generation, die engste familiäre Bindungen zur gegenwärtigen Machtelite hat, seine Macht zu sichern. Auch in Hinblick auf den Verlauf des Ukraine-Kriegs.
Russland und das abgeschottete Nordkorea nähern sich politisch immer weiter an. Im Juni dieses Jahres besuchte der russische Machthaber Wladimir Putin Nordkorea. Es waren 24 Jahre seit seinem ersten Besuch vergangen.