Niederlande, Ruinerwold: Eine Drohnenaufnahme zeigt den abgelegenen Hof, in dessen Keller eine Familie jahrelang gehaust haben soll. Bild: Wilbert Bijzitter/ANP/dpa
International
17.10.2019, 15:4018.10.2019, 14:27
Im Fall der isolierten Familie auf einem Bauernhof in den Niederlanden gibt es weitere Entwicklungen. Wie die "Bild" berichtet, haben sich "Brüder und Schwestern" gemeldet.
In einer Erklärung schreiben sie, dass der Vater in den 80er Jahren den Kontakt zur Familie abgebrochen habe und man nicht nach ihm suchen solle. Er lebte bis vor Kurzem in einer geschlossenen Einrichtung, sei dement und habe von dem Drama nichts mitbekommen.
Inzwischen ist er und auch der verdächtige Österreicher unter dem Verdacht der Freiheitsberaubung in Haft. Das ordnete der Untersuchungsrichter am Donnerstag in der ostniederländischen Provinz Drenthe an. Der Mann wird der "unrechtmäßigen Freiheitsberaubung" verdächtigt, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Unterdessen laufen die Ermittlungen der Polizei auf Hochtouren
- Eine Sondergruppe von 25 Beamten untersuche den Fall, teilte die Polizei in der Provinz Drenthe mit. Viele Fragen seien offen.
- Auf einem abgelegenen Bauernhof im Dorf Ruinerwold hatten Beamte eine Familie entdeckt, die dort seit 2010 in einem isolierten Raum gehaust haben soll.
- Dies betreffe fünf mittlerweile erwachsene Kinder und auch deren Vater, teilte die Polizei mit – das hätten die Personen selbst ausgesagt. Zuvor war unklar gewesen, ob auch der Vater der Familie in dem isolierten Raum gelebt hat.
- Festgenommen wurde ein 58 Jahre alter Österreicher. Er war nach Angaben der Polizei Mieter des Bauernhofes und soll dort regelmäßig Reparaturen ausgeführt haben, aber dort nicht gewohnt haben. Die Familie war dem Einwohnermeldeamt nicht bekannt.
- Die Gruppe "lebte in sehr provisorischen Räumen", sagte der Bürgermeister Roger de Groot. Er nannte keine Details der Wohnung. "So etwas habe ich noch nie erlebt."
- Warum die Menschen dort so isoliert wohnten, ist unbekannt. Sie sollen auf "das Ende der Zeiten" gewartet haben, berichten niederländische Medien. Die jungen Leute hätten nicht gewusst, dass es außer ihnen noch Menschen auf der Welt gibt.
- Der Verdächtige ist Mieter des Bauernhofs im Dorf Ruinerwold, auf dem die Familie wahrscheinlich seit 2010 gelebt hatte. Er darf nach Angaben der Staatsanwaltschaft keinen Kontakt zur Außenwelt haben, mit Ausnahme seines Rechtsanwaltes. Der 58-Jährige war am Dienstag vorläufig festgenommen worden.
Wie kam das heraus?
Der Wirt der Dorfkneipe hatte die Polizei am Montag alarmiert. Bei ihm war ein fremder junger Mann in der Wirtsstube aufgetaucht. Er war total verwirrt, wie der Wirt dem TV-Sender RTV Drenthe sagte. "Er sagte, dass er weggelaufen war und Hilfe brauchte." Der 25-Jährige habe auch geschildert, dass er neun Jahre lang nicht draußen gewesen sei.
Daraufhin war die Polizei zum Hof gefahren.
"Da trafen wir sechs Menschen an in einem abschließbaren kleinen Raum in der Wohnung, es war kein Keller."
Polizei
Und weiter:
"Es ist undeutlich, ob sie dort freiwillig waren."
Zuvor war berichtet worden, dass die Familie in einem Kellerraum gelebt habe. Über die genauen Lebensumstände und den Gesundheitszustand der Gruppe wollte die Polizei vorerst keine Angaben machen.
Warum wohnte die Familie dort isoliert?
Bisher gibt es keine Hinweise, dass die Familie dort gegen ihren Willen festgehalten wurde. Auf Fotos sind ein großer Gemüsegarten und eine Art Gewächshaus zu sehen. Außerdem liefen auf dem Hof ein paar Gänse herum und eine Ziege.
Unterdessen tauchten Berichte auf sozialen Medien auf - Facebook, Instagram und Linkedin. Dort soll er unter dem Namen Jan nach einer Sendepause von neun Jahren wieder Fotos und Einträge gepostet haben. Ob es sich tatsächlich um den gleichen Mann handelt, konnte die Polizei nicht sagen. "Wir überprüfen diese Berichte", sagte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur.
Warum hatte niemand die Kinder vermisst?
Die sechs Kinder waren 2010 zwischen neun und 16 Jahre alt und hätten zur Schule gehen müssen. Doch weder der Vater noch die Kinder waren bei den Behörden gemeldet. Das könnte erklären, warum niemand die Kinder vermisst hat.
Warum hat keiner etwas bemerkt?
Die Dorfbewohner sind geschockt. Sie sagten Reportern, dass sie bei dem Hof immer nur einen Mann gesehen hatten. Von einer Gruppe hätten sie nichts gewusst. Der Hof liegt versteckt hinter Bäumen und etwa 200 Meter vom Rande des Dorfes entfernt. Dazu gehören nach Aussagen von Reportern ein großer Gemüsegarten und eine Ziege. Möglicherweise habe sich die Gruppe jahrelang selbst versorgt.
Erinnerungen an Josef Fritzl:
In Österreich weckt der Fall – wenn auch eigentlich anders gelagert – Erinnerungen an den Fall Josef Fritzl, der vor elf Jahren aufflog. Der Mann hatte 24 Jahre lang seine Tochter in einen Keller im Bundesland Niederösterreich gesperrt und mit ihr sieben Kinder gezeugt. Er wurde zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Warum wurde ein Österreicher festgenommen?
Ein 58-jähriger Österreicher hatte den Hof gemietet, aber wohnte wahrscheinlich dort nicht. Er hat auch einen Schreiner-Betrieb im nahe gelegenen Meppel. Fast täglich, so erzählen Nachbarn, war er mit seinem Volvo gekommen und renovierte den Hof. Der Österreicher wohnt wohl schon seit Jahren in den Niederlanden. Er wurde vorläufig festgenommen, weil er nicht bei der polizeilichen Untersuchung helfen wollte. Er sitzt in U-Haft. Doch einen konkreten Verdacht gegen ihn hat die Polizei nicht.
Wie geht es weiter?
Die Untersuchungen laufen auf Hochtouren. Die sechs Kinder sind vorerst in einem Ferienpark untergebracht worden. "Sie werden versorgt" sagte ein Sprecher der Polizei. "Was sie jetzt vor allem brauchen, ist Ruhe."
(hd/dpa)
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