Die Spannungen am Persischen Golf haben eine neue Qualität erreicht. Angeblich war der US-Schlag gegen Iran schon angelaufen, dann aber zog Trump zurück. Wie konnte es so weit kommen?
In der Nacht zu Donnerstag ist eine US-Drohne über der Straße von Hormus unweit der iranischen Küste abgeschossen worden. Dass es diesen Vorfall gab, ist unbestritten. Allerdings liefern der Iran wie auch die USA unterschiedliche Versionen dessen, was genau geschah.
Die USA sagen, ihre Drohne wurde über internationalen Gewässern abgeschossen, was einen Verstoß gegen internationales Recht darstellen würde. Der Iran dagegen erklärte, er habe die Drohne über eigenem Territorium zerstört. Dann wäre der Angriff ein Akt der Selbstverteidigung. Beide Seiten bezichtigen die jeweils andere der Lüge. Eine unabhängige Bestätigung der einen oder der anderen Version gibt es nicht.
Die USA hatten offenbar vor, mit einem Militärschlag auf den Abschuss der Drohne zu antworten. Präsident Donald Trump bestätigte am Freitag, dass er den Angriff in letzter Minuten aber abgesagt hätte. Grund dafür seien die zu erwartenden 150 Todesopfer gewesen, schrieb er auf Twitter.
Laut "New York Times" hätte der Angriff einer Handvoll militärischer Ziele gelten sollen. Der Schlag sei bereits im Anfangsstadium gewesen. Flugzeuge seien aufgestiegen, Schiffe in Position gebracht worden. Es habe intensive Diskussionen im Weißen Haus gegeben.
Experten schlossen nicht aus, dass das Durchstechen des Beinahe-Angriffs dazu dienen sollte, dem Iran eine unmissverständliche Botschaft zu senden: Die USA seien entschlossen und stünden bereit, jederzeit zuzuschlagen.
Das ist schwer zu sagen. Ob die derzeit sehr angespannte Lage in eine militärische Konfrontation mündet, lässt sich kaum abschätzen. Der Politikwissenschaftler und USA-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Josef Braml, zeigte sich am Morgen im Deutschlandfunk überzeugt, dass ein Krieg nur noch eine Frage der Zeit sei.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), hält einen Krieg hingegen für unwahrscheinlich.
Ein Szenario, das allerdings viele befürchten, ist, dass Washington und Teheran quasi in einen Krieg hineinschlittern. Die gegenseitigen Provokationen könnten Ereignisse auslösen, die eigentlich von keiner Seite beabsichtigt sind.
Nicht nur eine. Erst vor einer Woche waren unter bislang ungeklärten Umständen zwei Öltanker in der Straße von Hormus attackiert worden. Seemänner an Bord der Schiffe berichteten von mehreren Explosionen. Was die Detonationen auslöste, ist bis heute Anlass für Spekulationen.
Die USA behaupten, iranische Revolutionsgarden hätten von Schnellbooten aus Haftminen an den Tankern angebracht. Teheran weist die Vorwürfe zurück. Mehrere europäische Staaten, darunter Deutschland, haben sich der US-Version bisher nicht angeschlossen. Vier Wochen zuvor waren schon einmal Handelsschiffe in der Region Ziel von Sabotageakten. Auch damals beschuldigten die USA Iran, allerdings ohne Beweise vorzulegen.
Die USA und Iran verbindet eine seit Jahrzehnten andauernde Feindschaft, in der es immer wieder Phasen gefährlicher Spannungen gab. Hintergrund ist die große geostrategische Bedeutung der Region um den Persischen Golf mit ihren enormen Rohstoffreserven, aber auch der Anspruch Irans, regionale Führungsmacht zu sein; dieser Anspruch kollidiert mit den Interessen der USA und ihrer Verbündeten in der Region.
Nachdem bekannt wurde, dass Teheran unter dem Deckmantel eines zivilen Nuklearprogramms insgeheim an Atomwaffen arbeitet, verhängten die EU, die USA und andere Länder ab 2006 empfindliche Sanktionen.
Langwierige Verhandlungen mündeten 2015 schließlich in ein Abkommen, das Iran dauerhaft vom Bau einer Atombombe abbringen sollte.
Mit dem Amtsantritt von US-Präsident Trump, einem entschiedenen Gegner des Atomabkommens, wendete sich das Blatt erneut. 2018 zog sich die US-Regierung aus der Vereinbarung zurück und setzte neue Wirtschaftssanktionen gegen den Iran in Kraft. Ihr Ziel ist nach eigenen Angaben ein neues Abkommen – mit schärferen Auflagen für den Iran.
Sie halten an der Vereinbarung von 2015 fest. Doch ihre Versuche, auf die Konfliktparteien einzuwirken, geschweige denn das Atomabkommen noch zu retten, sind bislang gescheitert.
Iran hat seinerseits den verbliebenen Vertragspartnern ein Ultimatum bis Anfang Juli gestellt: Entweder sie gewährleisten die im Abkommen versprochenen wirtschaftlichen Vorteile oder das Land wird sich weiter aus der Vereinbarung zurückziehen.
Tatsächlich hat der Iran bereits begonnen, sich aus zentralen Punkten des Atomabkommens zurückzuziehen. Man werde künftig Uran bis zu 20 Prozent anreichern, erklärte die iranische Atomenergiebehörde am Montag. Das wäre knapp unter der Grenze zur Atomwaffentauglichkeit.
Dieser Text erschien zuerst bei t-online.de