Die Revolte der Gruppe Wagner hielt Russland in Atem. Mit Panzern und Munition steuerten sie gen Moskau – zum Sitz der Regierung Wladimir Putins. Ihr Chef Jewgeni Prigoschin pfiff sie allerdings überraschend zurück, die Meuterei endete – doch nichts ist mehr wie zuvor im Kreml.
Während Prigoschin angeblich einen Freifahrtschein nach Belarus erhält, ist das Schicksal seiner paramilitärischen Organisation Wagner ungewiss. Lösen sie sich auf oder bestehen sie unter Prigoschin oder einem:r neuen Chef:in fort?
Fragen, die sich wohl auch der russische Journalist Dmitry Nizovtsev gestellt hat. Und warum nicht einfach direkt bei der Gruppe Wagner selbst anrufen?
Für den Telegram-Kanal "Sirena" ruft Nizovtsev einen Anwerber der Wagner-Gruppe an, um herauszufinden, wie die private Militärfirma (PMC) Wagner mit den Folgen der gescheiterten Meuterei von Prigoschin umgeht. Die Antworten sind überraschend ehrlich.
Reporter Kevin Rothrock von dem Newsportal "Meuza", das als Exilmedium über Russland berichtet, postet das Video online und übersetzt es ins Englische.
Nizovtsev stellt sich als Russe vor, der Mitglied bei der Gruppe Wagner werden möchte. Er hakt nach, ob es noch möglich sei, nach all dem Trubel – sprich, dem Aufstand. Sein Gesprächspartner bejaht und fragt, wie alt er sei.
"35. Ich habe schon eine Zeit lang mit dem Gedanken gespielt, aber nachdem, was ich im Fernsehen gesehen hatte am Wochenende, dachte ich: Verdammt, ich will mich euch anschließen", erklärt Nizovtsev.
Der Wagner-Rekrutierer meint, es sei egal, was man im Fernsehen gesehen habe. Nizovtsev solle ihm einfach seinen Namen und sein Alter schicken – und zwar via Whatsapp. Die Anreisekosten werden ihm erstattet, heißt es weiter. Alle Informationen werden demnach via Whatsapp ausgetauscht.
Aber Nizovtsev hakt nochmals nach: Er spricht an, dass Putin erwähnt habe, dass die Gruppe Wagner nun als "illegal" gelten und unter ihnen seien "Verräter". Er fragt direkt: "Ist alles cool, also niemand wird mich verfolgen?"
"Wenn wir Verräter wären, würden wir nicht in Russland sein", unterbricht der Wagner-Mann seinen Gesprächspartner. Nizovtsev zeigt seine journalistische Hartnäckigkeit und fragt weiter: "Es heißt, jeder würde nach Belarus gehen, stimmt das auch nicht?"
"Alles, was getan wurde, geschah zum Guten. Am Ende weißt du nicht alles", sagt der vermeintliche Anwerber. Denn: Die Informationen im Fernsehen seien nicht immer wahr. Sie können irreführend sein. Am Ende versichert er, die Basis von Wagner sei in der Region Krasnodar, in der kleinen Stadt Molkino.
In den Kommentaren beton ein User, dass er es überraschend finden, dass die Gruppe Wagner Whatsapp nutzt, um Informationen auszutauschen. Ein anderer User scherzt: "Ich frage mich, wie viele Leute da draußen einen Wagner-Rekrutierer brauchen, der sie daran erinnert, dass die 'Informationen im Fernsehen nicht immer wahr sind' und 'irreführend sein können'."
Ob der Gesprächspartner von Nizovtsev wirklich ein Wagner-Rekrutierer war, lässt sich unabhängig nicht überprüfen. Allerdings ist das russische Justizministerium wohl gar nicht gut auf Nizovtsev zu sprechen und hat ihn bereits zum "ausländischen Agenten" erklärt. Das meldet die "Justice for Journalists" Stiftung, die in London sitzt.