Jeden Abend setzt sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor die Kamera. Jeden Abend spricht er direkt zum ukrainischen Volk, seinem Volk, das sich seit dem 24. Februar mit einem brutalen Angriffskrieg seitens Russland konfrontiert sieht.
Unter normalen Umständen gibt Selenskyj in diesem abendlichen Video einen Lagebericht. Wie sind die ukrainischen Streitkräfte vorangekommen? Wie will das Land die Menschen unterstützen? Was fordert er von den westlichen Partnerländern? Auch Mut spricht er seinem Volk Tag für Tag zu.
Doch am Sonntagabend war es anders. Und das hatte mehrere Gründe.
Selenskyj gilt als Medienprofi. Er weiß, wie er Social Media nutzt, wie er die Presse für sich gewinnen kann und wie er mit geringem Aufwand die Massen begeistern kann. Doch an diesem Sonntagabend hatte er einen anderen Plan.
Die ukrainischen Streitkräfte hatten am Wochenende Erfolge zu feiern. Sie eroberten eigenen Angaben zufolge mindestens 30 von russischem Militär besetzte Ortschaften zurück. Darunter auch die seit Beginn der Invasion besetzte ostukrainische Stadt Kupjansk. Diese war vor allem für die Versorgung der russischen Soldaten von besonders hoher strategischer Bedeutung für Moskau.
Russlands Soldaten flohen panisch – wie es heißt – etwa aus dem teilweise belagerten Charkiw.
Russland hatte Geländegewinne seitens der Ukrainer teilweise bestätigt.
Doch offenbar hatte das auch negative Folgen für die ukrainische Zivilbevölkerung: Stromausfall. In den gesamten Regionen Donezk und Charkiw. Auch Saporischschja, Dnipro und Sumy seien betroffen, schreibt Selenskyj auf Instagram.
Und Selenskyj schreibt weiter:
Selenskyj richtete seine Worte diesmal nicht an sein Volk. Sondern direkt an Moskau.
"Glaubst du immer noch, dass wir 'ein Volk' sind? Glaubst du immer noch, dass du uns Angst machen, uns brechen, uns dazu bringen kannst, Zugeständnisse zu machen? Hast du wirklich nichts verstanden?"
Dann fordert er auf, ihm "von den Lippen" abzulesen.
Selenskyj schreibt:
Für die Stromausfälle macht Kiew Russland verantwortlich. Selenskyj sieht in den weitreichenden Blackouts eine Gegenreaktion auf die Geländegewinne der Ukrainer – kritische Infrastruktur sei angegriffen worden.
Unterdessen geht der Vormarsch der ukrainischen Armee im Osten des Landes nach Angaben aus Kiew weiter. "Die Befreiung von Ortschaften unter russischer Besatzung in den Gebieten Charkiw und Donezk setzt sich fort", teilte der ukrainische Generalstab am Montag in seinem Lagebericht mit.
Insgesamt seien mehr als 20 Ortschaften innerhalb der letzten 24 Stunden zurückerobert worden. So hätten die russischen Truppen nun auch Welykyj Burluk und Dworitschna verlassen. Beide Ortschaften liegen im Norden des Gebiets Charkiw.
(Mit Material der dpa)