Wenn in den USA am 5. November der Präsident gewählt wird, schaut die ganze Welt nach Washington. Denn ob Amtsinhaber Joe Biden oder de-facto-Herausforderer Donald Trump die Weltmacht USA in den kommenden vier Jahren regieren werden, wird Auswirkungen auf die ganze Welt haben.
Die beiden Kontrahenten verfolgen grundverschiedene wirtschaftliche und geopolitische Ziele. Biden setzt auf eine liberale Wirtschaft und nimmt die traditionelle Rolle seines Landes als Weltpolizist an, während Trump sich als Präsident aus dem Ukraine-Krieg zurückziehen will, die Nato-Verpflichtungen der USA an Bedingungen bindet und auch wirtschaftlich alles dem Motto "America First" unterordnet.
Weil so viel auf dem Spiel steht, ist wohl kaum ein Wahlkampf auf der Welt so sehr von Manipulation überschattet wie der US-amerikanische. Schon vor vier Jahren, als Biden und Trump erstmals gegeneinander antraten, machten Millionen Bots auf Social Media mit Desinformation und Fake-News Stimmung, um die Wähler:innen zu beeinflussen.
All das wird durch den technologischen Fortschritt im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) in diesem Wahlkampf noch gefährlicher werden, warnen Expert:innen.
Jena Griswold, die als Secretary of State des US-Bundesstaats Colorado für die Integrität der dortigen Wahl und Auszählung zuständig ist, hat bei der Digitalkonferenz South by Southwest im texanischen Austin auf die Gefahr hingewiesen. "Was wäre, wenn eine Voicemail mit meiner Stimme an jeden Bezirksbeamten in Colorado geht und sie anweist, etwas zu tun, was sie nicht tun sollten? Was wäre, wenn das im ganzen Land zur gleichen Zeit geschieht?", fragte Griswold.
Ein Vorgeschmack haben bereits die Vorwahlen in New Hampshire im Januar geliefert: Tausende erhielten damals Anrufe von einem falschen Joe Biden, der ihnen riet, nicht zur Wahl zu gehen.
"Meine größte Sorge in Bezug auf KI ist ein Anstieg von Cyber- und Desinformationsangriffen", sagte Griswold. Sie sprach von "massiven Störungsversuchen aus dem In- und Ausland", mit dem Ziel, Chaos zu stiften. Wenn niemand mehr wisse, was echt ist und was nicht, könne sich auch ein unterlegener Kandidat zum Sieger küren, warnt sie.
Die Demokratin Griswold erwartet vom republikanisch dominierten Kongress in Washington keine Hilfe. "Glauben Sie, die würden es einer Bundesbehörde erlauben, gegen Desinformation vorzugehen? Nein, denn sie wollen Desinformation", sagte sie und erklärte, dass sich die Bundesstaaten selbst helfen müssten.
Auch die Desinformationsexpertin Joan Donovan hat nicht viel Vertrauen in die politischen Institutionen. Von "Spiegel" wird sie mit den Worten zitiert:
Donovan zufolge würden sich die Plattformen nicht um den Schutz von Informationen kümmern, "die für das bürgerliche Leben wichtig sind". Sie verweist darauf, dass einige der Firmen ihre Teams für das Prüfen von Inhalten, die sogenannte Content-Moderation, zuletzt reduziert haben. Das prominenteste Beispiel dafür ist X, ehemals Twitter, unter der Führung von Elon Musk.
Ähnlich verhält es sich mit dem führenden KI-Unternehmen OpenAI. Chefjurist Che Chang sagte bei der Digitalkonferenz in Texas, das Thema sei "hochkomplex", man habe jahrelange Expertise und erkläre Regierungen gern im Detail, warum stärkere Regulierungen eine schlechte Idee seien.
Konträr dazu stehen die Versprechungen, die OpenAI gemeinsam mit Microsoft, Google, Meta und anderen Firmen bei der Münchener Sicherheitskonferenz Anfang des Jahres gemacht hatte. Mit dem "Munich Election Accord" hatten die Konzerne versprochen, schädliche KI-Inhalte zu bekämpfen. Mehr als eine Selbstverpflichtung ist das Abkommen allerdings nicht.