Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran hat sich diese Woche dramatisch zugespitzt. Am Freitag kam der Kommandeur der iranischen Al-Kuds-Brigaden, Ghassem Soleimani, bei einem US-Raketenangriff nahe dem Flughafen der irakischen Hauptstadt Bagdad ums Leben.
Soleimani habe an Plänen gearbeitet, um amerikanische Diplomaten und Einsatzkräfte im Irak und der Region zu attackieren, hieß es zur Begründung des Angriffs. Die Bombardierung erfolgte dem US-Verteidigungsministerium zufolge auf Anweisung von Präsident Donald Trump, um weitere Angriffe auf US-Kräfte zu verhindern – als "Akt der Verteidigung".
Die Sorge eines Krieges wächst nun. Am Samstag haben im Irak Tausende an einem Trauerzug für Soleimani teilgenommen. Die Stimmung war aufgeheizt. Einige Trauernde riefen anti-amerikanische Parolen und forderten Vergeltung für den Raketenangriff. "Tod für Amerika", riefen einige. Der Iran hatte unmittelbar nach der Tötung des Generals "schwere Vergeltung" angedroht.
Watson hat bei mehreren Experten nachgefragt, welche Auswirkungen der Konflikt auf Deutschland haben könnte.
"Schon seit Jahren führt der Iran asymmetrische Konflikte. Das wird er auch in diesem Fall tun, denn eine direkte offene militärische Auseinandersetzung mit den USA wird er scheuen. Die Ziele solcher asymmetrischer Kampfhandlungen können ganz unterschiedlich sein: Cyberangriffe, terroristische Aktionen oder gezielte Tötungen. Die in der Region stationierten amerikanischen Soldaten sind sicherlich ein mögliches Ziel.
Aber auch die Soldaten der Bundeswehr können ins Fadenkreuz einer iranischen Vergeltungsmaßnahme geraten. Nicht auszuschließen sind auch Gewalthandlungen in den USA und Europa. Wobei die Führung in Teheran eher das Ziel verfolgt, die USA und Europa auseinanderzudividieren, als sie durch eine solche Gewalttat zu vereinen. Aber ausschließen kann man derzeit nichts. Das macht die Lage so brisant."
"Wir müssen damit rechnen, dass der Iran Vergeltung für den Tod des Terror-Paten Soleimani üben wird. Deshalb muss sich Deutschland umgehend wappnen. Vor allem muss der Schutz von jüdischen, israelischen und amerikanischen Einrichtungen in unserem Land verstärkt werden."
"Europäische Regierungen befinden sich nicht im Zornes-Fokus Irans – deren Soldaten (Deutschland hat 415 im Irak stationiert) könnten höchstens zu sogenannten Kollateral-Opfern denkbarer Anschläge von Milizen werden.
Im Übrigen strafen iranische Offizielle (und diese Stimmung schlägt auch immer mehr auf die ganze Gesellschaft über) die Europäer mit einer im Stillen wachsenden Verachtung – weil sie nicht den Mut und nicht die Entschlossenheit haben, sich dem Sanktionen-Diktat der USA zu entziehen.
Auch weil, beispielsweise, die deutsche Regierung selbst noch die unverschämtesten Forderungen von US-Botschafter Grenell (Deutschland solle sich doch, bitte sehr, nun endlich dem Wirtschaftsboykott Irans anschließen, sagte er kürzlich) mit diplomatischer Höflichkeit quittiert.
Direkt zu spüren bekäme Europa eine Eskalation um die Schifffahrt im Persischen Golf. Mehr als 25 Prozent des weltweit gehandelten Erdöls und Erdgases wird durch das Nadelöhr der Meeresenge von Hormuz transportiert. Die iranischen Revolutionswächter kontrollieren die Wasserstraße – sie drohten schon bei früheren Spannungs-Eskalationen mit der Blockade. Käme es dazu, wäre nicht nur die kommerzielle Schifffahrt betroffen, sondern auch die US-amerikanische Kriegsflotte mit ihren jeweils etwa 30 im Golf stationierten Schiffen. Man wagt sich nicht auszumalen, was Trump in seiner notorisch bekannten Sprunghaftigkeit entscheiden würde, sollten die Iraner seinen Einheiten die freie Durchfahrt verweigern."
"Zwar hat der Iran Rache angekündigt, dass diese symmetrisch ausfallen wird, ist allerdings wenig wahrscheinlich. Eher anzunehmen ist, dass eine Antwort asymmetrisch sein wird – also dass anstelle eines direkten Vergeltungsschlags der iranischen Streitkräfte gegen US-amerikanische Militärbasen eher Angriffe durch von Teheran finanzierte und teils kontrollierte Milizen auf nicht-militärische Einrichtungen durchgeführt werden.
Dadurch könnte auch Deutschland getroffen werden: Berlin unterstützt vor allem durch die Bundeswehr eine Ausbildungsmission im Irak, hat ebenfalls Soldaten und Soldatinnen in Jordanien stationiert sowie Marineeinheiten vor dem Libanon im Rahmen einer UN-Mission, die mittelbar oder unmittelbar zum Ziel werden könnten.
Doch auch Angriffe auf verschiedene Infrastruktur – beispielsweise Ölterminals im Golf – sind denkbar. Zuletzt würde eine Eskalation wohl die letzten Versuche, das Atomabkommen – und damit einen Erfolg multilateralen Handelns – zu retten, zunichtemachen. All das ändert nichts daran, dass Deutschland nicht direkt eine außergerichtliche Tötung gutheißen sollte – gleichwohl aber Mechanismen der Krisendiplomatie in Bewegung setzen sollte, wie beispielsweise eine Sondersitzung des Weltsicherheitsrats einzuberufen."