Es ist nicht nur ein grausamer Krieg, der aktuell in Nahost zwischen Israel und der Hamas aus dem Gazastreifen herrscht. Es ist auch ein globaler Informationskrieg, der hier läuft. Das zeigte sich einmal mehr an dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza, der größten Klinik im gesamten Gazastreifen. Es ist zum Symbol für das Dilemma Israels geworden. Und für alles, was diesen Krieg so schwierig, so komplex, macht.
Denn die Hamas nutzt Schulen und Krankenhäuser zum Schutz. Israel musste heftige Kritik dafür einfahren, die Terrorgruppe "ohne Rücksicht auf zivile Verluste" zu attackieren, auch in unmittelbarer Nähe zu einer medizinischen Einrichtung. Was das Krankenhaus angeht, hat die israelische Armee (IDF) hingegen behauptet, unter der Klinik verberge sich die oder zumindest eine "Kommandozentrale der Hamas".
Mittlerweile hat die IDF die Kontrolle über den nördlichen Teil des Gazastreifens – und hat Journalist:innen eingeladen, sich selbst von den Hamas-Strukturen zu überzeugen. Auch ein deutscher Reporter war vor Ort.
Um die Darstellung Israels zu untermauern, führt die Armee jetzt Journalist:innen durch den Gazastreifen. Holger Stark, ein Reporter der "Zeit", etwa beschreibt, wie er mit anderen Kolleg:innen von Israel aus in den Gazastreifen fuhr, kurz nach Sonnenaufgang. Er stellt klar: "Der Ausschnitt des Schlachtfeldes ist eng bemessen, die Zeit knapp, die Szenerie von der israelischen Armee ausgewählt. Es ist eine Momentaufnahme, nicht mehr."
Dennoch vermittelten die etwa sechs Stunden einen Eindruck von der Situation im Gazastreifen. Er beschreibt ein Bild der Zerstörung: Stahlträger, die aus dem Boden ragen, zerbeulte und auf dem Rücken liegende Autos, verlassene Ruinen und ausgebrannte Fassaden.
Mittlerweile ist der nördliche Teil des Gazastreifens unter der Kontrolle israelischer Truppen. Derzeit wird der Boden wortwörtlich nach Sprengfallen und Minen umgegraben, wie Journalist:innen weiter schildern. Auch Schüsse sind immer wieder zu hören. Denn von Zeit zu Zeit tauchen Hamas-Kämpfer wie aus dem Nichts auf, wie es vonseiten der israelischen Armee heißt.
Unter anderem haben Soldaten den Reportern das Tunnelsystem der Hamas unter dem Erdboden gezeigt. Die "Jerusalem Post" etwa berichtet, dass einer der Reporter vor Ort war. Er habe auf dem Schifa-Gelände nicht nur zahlreiche Waffen, sondern auch "hoch entwickelte Geheimdienstplattformen" zu sehen bekommen. In einem der Tunnel sind demnach "hoch entwickelte Räume" und eine "explosionssichere Tür" zu sehen gewesen. Auch ein Schlafzimmer, eine Küche und Badezimmer habe der Reporter samt Infrastruktur zu sehen bekommen.
Ähnliches berichtet der "Zeit"-Reporter Stark. Er beschreibt, wie die Israelis im Herzen von Gaza-Stadt und auf dem Gelände der Klinik eine Decke mit zahlreichen Waffen ausgebreitet haben: mit Drohnen, Handgranaten und Maschinenpistolen. Laut ihm lagen dort auch Badelatschen und eine Umhängetasche einer israelischen Familie, die offenbar aus einem der überfallenen Kibbuze stammen. Israel zufolge ein Indiz dafür, dass die Hamas mehrere Geiseln zumindest zeitweilig in der Klinik versteckt hatte.
Nachdem Israel in Gaza-Stadt eingedrungen war und das Gebiet rund um die Klinik unter seine Kontrolle gebracht hatte, stellte sich für viele die Frage, wo denn nun die angebliche Kommandozentrale sei. Der "Zeit"-Reporter berichtet jetzt, wie der Sprecher der israelischen Armee, Daniel Hagari, die Strukturen präsentierte. Demnach zeigte er auf ein Loch am Boden, durchaus mit Genugtuung. Dann forderte er die Journalist:innen auf, ihm zu folgen. Der Reporter beschreibt das Loch so:
Unter der Erde dann befindet sich den Schilderungen zufolge hinter einer Tür ein Ruheraum mit zwei Pritschen und einer Klimaanlage, die mit dem Erdgeschoss der Klinik verbunden sei. Zudem soll es eine eigene Toilette und eine kleine Küchenzeile unter der Erde geben. Ein Gang führt in Richtung Straße, ein Gang in Richtung Klinik. Dort gibt es eine Wand, die von der israelischen Armee zu diesem Zeitpunkt noch nicht geöffnet worden war, aus Angst vor Sprengfallen.
Zuvor hatte die israelische Armee bereits Videoaufnahmen aus dem Tunnelsystem unter dem Komplex der Klinik veröffentlicht. Das Militär zeigte Aufnahmen von zwei verschiedenen Geräten, die den Tunnel von innen zeigen sollen. Auf einer der Aufnahmen ist ein Tunnel zu sehen, der an einer "explosionssicheren Tür" endet, wie das israelische Militär erklärte.
Laut Hagari hätten sich unter dem Schifa-Krankenhaus nach dem brutalen Überfall der Hamas in Israel 200 Terroristen unter den Strukturen des Schifa-Krankenhauses versteckt. Ob die Angaben stimmen, lässt sich nicht unabhängig überprüfen.