Der Vorsitzende der Labour Party, Keir Starmer, spricht nach der Wahl in Großbritannien zu seinen Anhänger:innen in der Tate Modern.Bild: AP / Kin Cheung
International
Die Wahl zum Unterhaus in Großbritannien markiert einen Wendepunkt für das Land: Nach 14 Jahren konservativer Regierungen zieht wieder ein Premierminister der Labour-Partei in den Amtssitz in der Downing Street Nummer 10 ein. Nach der dramatischen Wahlnacht gibt es fünf wichtige Erkenntnisse.
Labour profitierte von der Wut in Großbritannien
Nach Auszählung beinahe aller Stimmen kam Labour auf 410 Sitze im 650 Sitze fassenden Unterhaus. Der Partei ist somit nach 14 Jahren in der Opposition eine überwältigende Mehrheit im Parlament garantiert. Der 61-jährige Parteichef Keir Starmer hat Labour somit von einer der schlimmsten Niederlagen in der Parteigeschichte bei der Wahl 2019 zum Sieg geführt.
Keir Starmer, neu gewählter Premierminister von Großbritannien, hält eine Rede in der Downing Street 10.Bild: PA Wire / Lucy North
Labour profitierte von der Wut der Wähler:innen auf die scheidende konservative Regierungspartei, besonders in den Wahlkreisen der "red wall" (rote Mauer), die früher traditionell Labour gewählt hatten, aber 2019 zu den konservativen Tories umschwenkten.
Parteienlandschaft der Briten ist zersplittert
Im Gegensatz zu den bei Umfragen im Wahlkampf vorgesagten Ergebnissen ist der Sieg Labours aber weniger spektakulär als die 418 Sitze, die Tony Blair im Jahr 1997 errang. Paradoxerweise wird Labour wohl sogar weniger Stimmen errungen haben als 2019: Ihr Anteil der Stimmen von etwa 34 Prozent wird der niedrigste sein, mit dem sich eine Partei jemals eine Mehrheit sicherte. Das wirft vor allem ein Licht auf die Zersplitterung der Opposition und die Besonderheiten des britischen Wahlsystems.
Die vom Brexit-Verfechter Nigel Farage angeführte Partei Reform UK konnte mehr als vier Millionen Stimmen für sich gewinnen. Der dritthöchste Stimmanteil aller Parteien. In vielen Wahlbezirken schnitt die Partei besser ab als die Konservativen und erzielte in den Gebieten der "red wall" starke Ergebnisse. Wegen des Mehrheitswahlrechts, bei dem die oder der Kandidat:in und die Partei mit den meisten Stimmen gewinnt, errang Reform UK aber nur vier Sitze.
Erstmals gelang es auch Farage, einen Sitz im Parlament zu gewinnen. Er kündigte an, das Ergebnis sei "nur der erste Schritt von etwas, das Sie alle verblüffen wird".
Die vom Brexit-Verfechter Farage angeführte Partei Reform UK sammelte über vier Millionen Stimmen.Bild: imago images
Drastischer Absturz: Viele Köpfe rollen nach der Wahl
"Massaker", "Katastrophe", "Waterloo": Den Äußerungen über die Wahlniederlage der Tories fehlte es nicht an drastischen Worten. Nur fünf Jahre zuvor hatten die Konservativen einen Erdrutschsieg eingefahren, nun wird ihre Partei im Unterhaus wohl auf rund 120 Sitze zusammengeschrumpft sein.
Eine Rekordzahl von neun ranghohen Regierungsmitgliedern verlor ihre Wahlkreise, darunter der bisherige Verteidigungsminister Grant Shapps, die Bildungsministerin Gillian Keegan und Justizminister Alex Chalk. Am frühen Freitagmorgen war klar: Auch die frühere Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss konnte ihren Sitz nicht verteidigen.
Großbritannien: Liz Truss konnte ihren Sitz nicht verteidigen.Bild: AP / Jose Luis Magana
Der bisherige Premier Rishi Sunak zog bereits Konsequenzen: Er kündigte am Freitag seinen Rücktritt als Parteichef der Tories an und bat die Briten um Entschuldigung.
Unabhängigkeit Schottlands rückt in noch weitere Ferne
Es sei "keine gute Nacht" für die Schottische Nationalpartei SNP gewesen, räumte die frühere Regierungschefin Schottlands, Nicola Sturgeon, ein. Die Partei hat seit 15 Jahren die schottische Politik dominiert, muss aber nun zugunsten Labours zurückstecken. Statt als dritt- wird sie nach der Wahl nur noch als viertstärkste Kraft ins Unterhaus nach Westminster zurückkehren.
Die Partei steht immer noch im Fokus einer Untersuchung wegen ihrer Finanzierung und hat nun auch keine klare Strategie, wie sie eine Unabhängigkeit Schottlands erreichen soll. Ein Ziel, das nach dem Brexit-Votum wiederbelebt schien.
Nicola Sturgeon spricht von "keiner gute Nacht" für die Schottische Nationalpartei SNP.Bild: PA Wire / Jane Barlow
Großbritannien: Die Liberaldemokraten sind zurück
Die Rückkehr der Liberaldemokraten als drittstärkste Kraft im Unterhaus nach ihrem schlechten Ergebnis in 2019 hatte niemand vorausgesehen. Die Partei holte mit mehr als 70 Sitzen das beste Ergebnis ihrer Geschichte. Sogar ein besseres Resultat als in den frühen 2000ern, als die Liberaldemokraten zwischen 2010 und 2015 eine Koalitionsregierung bildeten.
Die Partei profitierte davon, dass eher liberale und in der Mitte des politischen Spektrums angesiedelte Wähler:innen von dem Rechtsdrall der Konservativen nach dem Brexit-Referendum abgeschreckt wurden und die Partei zurückwiesen.
(ast/afp)
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