Nach dem umstrittenen Besuch von US-Präsident Donald Trump in Kenosha reist auch sein Herausforderer Joe Biden in die von Unruhen bei Protesten gegen Rassismus erschütterte Stadt. "Mein Ziel wird sein, einen positiven Einfluss auf das Geschehen zu haben", sagte Biden vor dem Besuch am Donnerstag. "Wir müssen heilen."
Die Proteste in Kenosha waren von Schüssen in den Rücken eines Schwarzen bei einem Polizeieinsatz ausgelöst worden. Trump hatte sich dort am Dienstag mit Vertretern von Sicherheitsbehörden sowie Unternehmern getroffen, die von den Krawallen betroffen waren. Ein Treffen mit der Familie des 29-jährigen Afroamerikaners Jacob Blake, der die sieben Schüsse schwer verletzt überlebte, gab es nicht. Biden werde sich hingegen mit Blakes Familienmitgliedern treffen, sagte eine Sprecherin seines Wahlkampfteams dem Nachrichtensender CNN.
Biden sagte vor der Reise auch, der Polizist, der auf Blake schoss, sollte seiner Ansicht nach angeklagt werden – auch wenn letztlich die Ermittlungen ihren Weg gehen müssten. Justizminister William Barr kritisierte daraufhin in einem CNN-Interview, es sei "unangemessen", sich dafür auszusprechen, bevor die Untersuchungen abgeschlossen seien. Barr selbst sagte zugleich ohne weitere Details, Blake sei dabei gewesen, ein Verbrechen zu begehen, und sei bewaffnet gewesen.
Trump reiste nach Kenosha, obwohl sich der Bürgermeister der Stadt und der Gouverneur des Bundesstaates Wisconsin, die beide der Demokratischen Partei angehören, gegen einen Besuch des Republikaners ausgesprochen hatten. Bürgermeister John Antaramian hatte ursprünglich auch Biden aufgerufen, mit einer Reise zu warten, nahm dies aber nach Trumps Besuch wieder zurück.
Auf Fernsehbildern von Trumps Treffen in der Stadt waren weder der Bürgermeister noch Gouverneur Tony Evers zu sehen - dafür aber Polizeichef Daniel Miskinis und Sheriff David Beth, die dem Präsidenten für die Unterstützung dankten. Trump hatte Sicherheitskräfte der Bundesregierung nach Kenosha entsandt, nachdem der Gouverneur bereits die Nationalgarde aktiviert hatte.
Trump hat währenddessen den Grundstein dafür gelegt, von Demokraten regierten "anarchistischen" Städten den Geldhahn aus Washington zuzudrehen. Trump wies am Mittwoch (Ortszeit) Justizminister William Barr an, binnen 14 Tagen eine Liste von Städten und Bundesstaaten aufzustellen, die "Anarchie, Gewalt und Zerstörung" zulassen. Spätestens in 30 Tagen sollen dann Empfehlungen vorliegen, wie weit Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt an sie gestoppt werden können. Für die Regionen geht es um Milliarden Dollar.
Trump erwähnte speziell Seattle, Portland, die Hauptstadt Washington sowie New York – alles demokratisch regierte Städte. In Washington hatte es Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt gegeben, die zum Teil in Ausschreitungen umschlugen. In Portland dauern Demonstrationen seit rund drei Monaten an. Auslöser der Proteste war vor allem der Tod des Afroamerikaners George Floyd durch Polizeigewalt. Im Fall von New York beruft sich Trump auf einen Anstieg der Kriminalität, den er auf eine Kürzung der Finanzierung der Polizei zurückführt.
Barr soll bei seiner Analyse unter anderem in Betracht ziehen, ob die Polizei daran gehindert werde, Ordnung bei Gewalt oder Zerstörung herzustellen – sowie, ob die Finanzierung der Polizei gekürzt wird. Trump hatte bereits zuvor Gewalt am Rande von Protesten – speziell in von Demokraten regierten Städten – zu einem zentralen Thema in seinem Wahlkampf gemacht.
(lau/dpa)