Russland hat Litauen "offen feindselige" Beschränkungen des Bahn-Frachtverkehrs in die russische Exklave Kaliningrad im Zuge der EU-Sanktionen vorgeworfen und damit die Spannungen mit den baltischen Staaten angeheizt. Sollte der Frachttransit zwischen Kaliningrad und dem Rest Russlands über litauisches Gebiet nicht rasch vollständig wiederhergestellt werden, behalte sich Russland "das Recht auf Handlungen zum Schutz seiner nationalen Interessen vor", warnte am Montag das Außenministerium in Moskau.
Dem Ministerium zufolge wurde der litauische Geschäftsträger in Moskau einbestellt, um gegen die "provokanten" Maßnahmen zu protestieren. Die Restriktion der Warenlieferungen verstößt aus russischer Sicht gegen ein Abkommen zwischen Russland und der EU von 2002. Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis wie auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell betonten jedoch, die Maßnahmen stünden im Einklang mit den von der EU wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verhängten Sanktionen.
Kaliningrad – das frühere ostpreußische Königsberg – liegt an der Ostsee zwischen Litauen und Polen und hat keine direkte Landverbindung nach Russland. Landsbergis sagte am Rande von Beratungen der EU-Außenminister in Luxemburg, die Transportbeschränkungen beträfen Stahlprodukte und andere Waren aus Eisenerz.
Nach Angaben des Gouverneurs von Kaliningrad, Anton Alichanow, könnten jedoch 40 bis 50 Prozent der Importe von der "Blockade" betroffen sein – neben Metall auch Kohle, Baumaterial und technologische Güter.
Der Kreml sprach von einer "beispiellosen" Entscheidung Litauens, die gegen alle Grundsätze verstoße. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte: "Die Lage ist mehr als ernst." Sie werde jetzt mit Blick auf "Reaktionen" geprüft. Von welcher Art diese Gegenmaßnahmen sein könnte, konkretisierte er nicht.
Die Beziehungen zwischen Russland und Litauen sowie den beiden anderen baltischen Ländern Lettland und Estland sind durch den Ukraine-Krieg ohnehin schon extrem angespannt. Die Baltenstaaten fürchten, zum nächsten Ziel russischer Militäraggressionen zu werden. Die drei Länder gehören sowohl der EU als auch der Nato an.
Landsbergis sagte zu zu den Frachtrestriktionen: "Es ist nicht Litauen, das etwas tut – es sind die europäischen Sanktionen, die am 17. Juni in Kraft getreten sind." Die Beschränkungen seien "in Konsultation mit der Europäischen Kommission und gemäß den Direktiven der Europäischen Kommission" umgesetzt worden. Auch seien die betroffenen Kunden informiert worden.
Borrell betonte seinerseits, es handle sich nicht um eine "Blockade" Kaliningrads, sondern lediglich um das Transportverbot für bestimmte Arten von Waren. "Der Transit auf dem Landweg zwischen Russland ist nicht gestoppt oder verboten worden", sagte der EU-Außenbeauftragte auf einer Pressekonferenz in Luxemburg.
Die Ukraine unterstrich unterdessen ihre Solidarität mit Litauen. "Russland hat nicht das Recht, Litauen zu drohen", erklärte Außenminister Dmytro Kuleba im Onlinedienst Twitter. "Wir begrüßen die prinzipientreue Position Litauens und unterstützen entschlossen unsere litauischen Freunde."
Das vom übrigen russischen Territorium abgetrennt gelegene Kaliningrad ist für Russland von großer strategischer und militärischer Bedeutung. Die Hafenstadt ist Heimat der russischen Ostseeflotte. Auch hat Russland nach eigenen Angaben in der Exklave atomwaffenfähige Iskander-Raketen stationiert.
(and/afp)