Der britische Premierminister Boris Johnson wird für seinen Plan, Asylbewerber nach Ruanda zu schicken, von vielen Seiten stark kritisiert. Bild: ap / Matt Dunham
International
Im November 2021 starben 27 Menschen im Ärmelkanal beim Versuch, Großbritannien zu erreichen. Die konservative Regierung in London will solche Tragödien verhindern – aber mit Härte und Abschreckung. Premier Johnson setzt auf ein Land in Ostafrika.
Großbritannien will Migranten für die Dauer ihres Asylantrags nach Ruanda schicken. Damit versucht die konservative Regierung nach eigenen Angaben, Wirtschaftsflüchtlinge von der gefährlichen und illegalen Überfahrt über den Ärmelkanal abzuschrecken und Schleusern das Handwerk zu legen. In der Meerenge zwischen Großbritannien und Frankreich soll die britische Marine gegen Menschenschmuggler vorgehen, wie Premierminister Boris Johnson am Donnerstag ankündigte.
Menschenrechtler und Opposition zeigten sich empört über das "grausame und gemeine" Vorhaben. Kritiker werfen Johnson zudem vor, er wolle vor wichtigen Kommunalwahlen in England von der "Partygate"-Affäre in der Downing Street ablenken.
Migranten rund 6500 Kilometer weit weg nach Ostafrika zu schicken, "wird sie kaum davon abhalten, ins Land zu kommen, sondern nur zu mehr menschlichem Leid und Chaos führen", sagte Enver Solomon vom Flüchtlingsrat Refugee Council. Er schätzt die Kosten für die Steuerzahler auf 1,4 Milliarden Pfund (1,7 Milliarden Euro) pro Jahr. Auch das britische Rote Kreuz zeigte sich besorgt über die Pläne, "traumatisierte Menschen um die halbe Welt zu schicken". Die BBC nannte das Vorhaben, das zunächst für fünf Jahre beschlossen wurde, ein "One-Way-Ticket" für einige Flüchtlinge. Ruanda muss jedem Flüchtling, den Großbritannien nach Afrika schickt, zustimmen.
Schlechte Menschenrechtslage in Ruanda
Kritiker betonen die schlechte Menschenrechtslage in dem Land, das seit 2000 von Präsident Paul Kagame autoritär regiert wird. Vor allem in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Infrastruktur wurden zwar große Fortschritte gemacht. Allerdings wird Kagame vorgeworfen, Dissidenten zu verfolgen und die Meinungsfreiheit zu unterdrücken. Johnson sprach von "einem der sichersten Länder der Welt". Noch vergangenes Jahr hatte London die Regierung in Kigali kritisiert, nun reiste Innenministerin Priti Patel zur Unterschrift nach Ruanda – obwohl nach Ansicht von Experten viele rechtliche Fragen offen sind.
Priti Patel gemeinsam mit Ruandas Außenminister Vincent Biruta.Bild: ap / Muhizi Olivier
Patels politische Karriere hängt an der Bekämpfung illegaler Einwanderung. Sie hatte angekündigt, dank des Brexits das "kaputte" Migrations- und Asylsystem zu reparieren. Strenge Visaregeln sollen nur noch die klügsten Köpfe ins Land lassen. Doch bisher hält das die Menschen nicht ab. Von einer "small boat crisis", einer "Krise der kleinen Boote" ist in Großbritannien die Rede. Im vergangenen Jahr erreichten mindestens 28.526 Flüchtlinge zumeist in kleinen Schlauchbooten die englische Küste, 2020 waren es 8404. Die Regierung befürchtet, dass es in diesem Jahr noch mehr werden – auch am Donnerstag kamen mehrere Menschen an.
Patel ist für Johnson von zentraler Bedeutung, um sein Brexit-Versprechen "Take Back Control" – die Kontrolle zurückerlangen – umzusetzen. Ihre Aufgabe sei es, "die Bewegungsfreiheit von Menschen ein für alle Mal zu beenden", sagte die 50-Jährige einst. Als Tochter indischstämmiger Eltern, die vor Jahrzehnten aus Uganda einwanderten, ist sie für Johnson ein passendes Gesicht in der Migrationsfrage.
Menschen auf Twitter sind bestürzt
Nicht nur Briten, sondern weltweit sind Menschen entsetzt von dem absurden Vorhaben der britischen Regierungspartei. Ein Twitter-Nutzer schreibt beispielsweise: "Die Idee, Asylbewerber nach Ruanda zu schicken, ist entsetzlich." Es sei sehr teuer und unmenschlich. "Ich nehme an, es macht den extrem rechten Flügel der Partei glücklich und lenkt uns vom 'Partygate', den Gesetzesbrüchen und Lügen der Regierung ab."
Ein weiterer User schreibt: "Ruanda hat 20 Prozent seiner eigenen Bevölkerung ermordet. Was für ein Land traut seine Asylsuchenden solch einem Staat an?"
Ein anderer Twitter-Nutzer weist auf seine eigene Migrationsgeschichte hin und warnt: "Hier seht ihr einen ehemaligen Geflüchteten, der als alleinstehender 15-jähriger Junge aus Afghanistan geflohen ist, um Sicherheit und Mitgefühl im Vereinigten Königreich zu finden. Menschen wie ich sollen nun nach Ruanda geschickt werden, statt eine Chance zu bekommen, ihr Leben neu aufzubauen und ihren Beitrag zu leisten. Ist das menschlich?"
Eine Twitter-Nutzerin macht die Absurdität deutlich: "Anscheinend können wir es uns nicht leisten, Migranten 39,63 Pfund pro Woche zu zahlen, doch wir können es uns leisten, sie für jeweils eine Million Pfund nach Ruanda zu verschiffen. Beeindruckende Rechnung."
(si/dpa)
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