Mit Kritik an seinem Führungsstil, so macht es den Eindruck, kommt der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu nicht gut zurecht. Die Fehde zwischen ihm und Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin eskalierte über Monate hinweg regelmäßig. Nachdem Prigoschin untergetaucht ist, wird wohl auch Kritik aus der russischen Armee laut.
General Iwan Popov wurde nun nach eigenen Angaben von seinem Posten abgezogen, nachdem er Schoigu kritisiert und ihm sogar Verrat an der Truppe vorgeworfen hatte. In einer Sprachaufnahme, die Popov auf Telegram veröffentlicht hat, berichtet der General von den Geschehnissen.
Popov war Befehlshaber der 58. Armee und in der Region von Saporischschja in schwere Kämpfe verwickelt. In der Sprachnachricht erklärt er, er habe in Moskau Fragen über "das Fehlen von Gegenbatteriekämpfen, das Fehlen von Artillerieaufklärungsstationen und die massenhaften Todesfälle und Verletzungen unserer Brüder durch feindliche Artillerie" gestellt.
Popov habe außerdem auf höchster Ebene eine Reihe anderer Probleme angesprochen, erklärt er in der Nachricht. Dabei hat der Ex-General demnach wohl kein Blatt vor den Mund genommen.
Daraufhin habe Schoigu ihn loswerden wollen – und das letztlich auch geschafft. Entlassen wurde Popov wohl vom Oberbefehlshaber der Armee, Waleri Gerassimow. Dieser soll Popov vorgeworfen haben, in Panik zu geraten zu sein und dafür die Führungsriege beschuldigt zu haben.
Popov wirft dem Verteidigungsminister nun wegen der ausbleibenden Unterstützung Verrat vor. Ein Berater des ukrainischen Innenministers, Anton Gerahchenko, spekuliert darüber, ob das ein Anzeichen für mögliche weitere Meutereien gegen Putin nach dem Wagner-Putsch sein könnte.
An seine Einheit gerichtet, die er liebevoll Gladiatoren nennt, erklärte Popov außerdem: "Ich bin immer für euch da. Es ist eine Ehre für mich, mit euch in den gleichen Reihen zu stehen." Er werde sich weiterhin dafür einsetzen, dass es für seine Soldaten an der Front leichter würde – und so viele wie möglich von ihnen lebendig zurückkämen.
Laut "CNN" verweist auch das Institute for the Study of War (ISW) auf Berichte, wonach Popov den russischen General Waleri Gerassimow informiert haben soll, dass Teile seiner Einheit eine Rotation bräuchten. Als Grund nannte Popov blutige Kämpfe mit zahlreichen Verlusten, weil die 58. Armee den ukrainischen Vormarsch in West-Saporischschja zu verhindern versuchte.
Aus Sicht des ISW würden diese Berichte, sollten sie zutreffen, frühere Einschätzungen des Instituts bestätigen. Die Annahme: Den russischen Streitkräften fehlt es an genügend Reserven, um eine solche Rotation zu bewerkstelligen. Auch schätzt das Institut, dass die russischen Verteidigungslinien bereits brüchig sein könnten.
Wie die "New York Times" berichtet, stehen die russischen Truppen unter steigendem Druck. Seit dem versuchten Wagner-Putsch sei die Armee zunehmend von Instabilität geprägt. Grund dafür sei auch der immense Druck aus Moskau.
Neben Iwan Popov ruckelt es auch an anderer Stelle innerhalb der russischen Streitkräfte. General Sergej Surowikin, der ein heimliches Mitglied der Wagner-Truppe gewesen sein soll, ist seit dem Putschversuch verschwunden. Zwei weitere Generäle der Armee wurden getötet.