Bekannt als "Putins-Koch" gilt Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin als enger Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin – das könnte nun vorbei sein.Bild: AP
International
15.03.2023, 20:1015.03.2023, 20:22
Anscheinend hat sich Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin zu weit aus dem Fenster gelehnt. In den vergangenen Monaten machte er seine politischen Ambitionen immer wieder deutlich. Vor allem rückte er in den Vordergrund, wie wichtig seine Söldnertruppe für Russlands brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine sei.
Prigoschin gilt als enger Verbündeter Putins – doch nun könnten aus Freunden Feinde werden. Es geht um Macht und Einfluss. Laut der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) erreicht der Konflikt seinen Höhepunkt. Und Putin wisse bereits, wie er Prigoschin wieder in die Schranken weist – oder gänzlich losbekommt.
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Prigoschin legt sich mit dem russischen Verteidigungsministerium an
Besonders in der schwer umkämpften Stadt Bachmut spielen die Wagner-Söldner eine zentrale Rolle. Prigoschin meldet sich immer wieder über Videobotschaften direkt aus der Kriegszone. Es fehle an Munition und Männern, beschwert er sich. Gleichzeitig schränkt das russische Verteidigungsministerium die Rekrutierungsmöglichkeiten Prigoschins von Sträflingen zunehmend ein.
So meldet das Verteidigungsministerium in London, dass Moskau Wagner-Chef Prigoschin die Möglichkeit genommen habe, Söldner in Gefängnissen zu rekrutieren. Mittlerweile sei die Hälfte der eingesetzten Gefangenen Opfer der schweren Kämpfe geworden. Eine landesweite Rekrutierungskampagne gleiche die Verluste nicht aus. "Dauert das Verbot an, wird Prigoschin wahrscheinlich gezwungen sein, Umfang oder Intensität der Wagner-Einsätze in der Ukraine zu reduzieren", heißt es aus Großbritannien.
In voller Kampfmontur meldet sich Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin aus Bachmut zu Wort. Bild: Prigozhin Press Service
Und genau das heißt der Kreml wohl willkommen. Denn laut ISW priorisiere das russische Verteidigungsministerium "derzeit die Eliminierung der Wagner-Truppen auf den Schlachtfeldern in Bachmut". Dem Bericht zufolge könnte Moskau die Wagner-Truppen zum Sterben nach Bachmut schicken.
Prigoschin könnte nun selbst als Kreml- Kanonenfutter enden
Laut dem ISW nutzt das russische Verteidigungsministerium – insbesondere der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu und der Chef des russischen Generalstabs, General Valery Gerasimov – wahrscheinlich die Gelegenheit, Prigoschin zu schwächen. "Daher senden sie absichtlich sowohl Elite- als auch Sträflingstruppen von Wagner nach Bachmut", heißt es im Bericht. Damit sollen seine Ambitionen auf mehr Einfluss im Kreml der Wind aus den Segeln gerissen werden.
Prigoschin hat bereits gedroht, Wagner-Streitkräfte aus Bachmut abzuziehen. Zudem deutete er an, dass das russische Verteidigungsministerium Wagner ausnutze, um die Hauptlast des hochintensiven Häuserkriegs in Bachmut zu tragen. Während sich die russischen konventionellen Streitkräfte schonen würden.
Der Kampf um die Stadt Bachmut hat bereits viele Verluste auf beiden Seiten gekostet. Bild: AP / Yevhen Titov
Für die Denkfabrik ISW seien Prigoschins Drohungen ein Hinweis: Er ist sich dem Ausmaß des Konflikts mit dem russischen Verteidigungsministerium bewusst. Auch der Ukraine entgehen die Unstimmigkeiten nicht.
Prigoschin könnte das Vertrauen Putins verspielt haben
In einem Social-Media-Video erklären laut ISW ukrainische Soldaten, dass sie ihre Stellungen in Bachmut halten und darauf warten, dass sich die Russen "gegenseitig erschießen". Laut ISW überschätzte Prigoschin das Vertrauen Putins in die Wagner-Kräfte. Seine Ambition läge darin, militärische und politische Führung Russlands durch Wagner-nahe Figuren zu ersetzen. Er selbst wolle der nächste Präsident der Ukraine werden, wie er vor Kurzem verkündete.
Prigoschin hat dem ISW zufolge das Versagen des russischen Militärs während der umfassenden Gegenoffensiven der Ukraine in den Oblast Charkiw und Lyman in der Oblast Donezk ausgenutzt. Auch habe er gekonnt die turbulente Reservemobilisierung im Herbst 2022 zu seinem Vorteil ausgespielt. Demnach konnte er Wagner-nahes Personal anstelle der in Ungnade gefallenen Militärkommandanten positionieren.
Immer wieder wies der Wagner-Chef auf die Unfähigkeit des russischen Verteidigungsministeriums hin – dafür könnten Verteidigungsminister Schoigu und General Gerasimov ihn mit seinen Männern in Bachmut ausbluten lassen.
Prigoschin kämpft ums politische Überleben
Diese Drohungen und Beschwerden zeigen, dass Prigoschin sich der Schwere seines Konflikts mit dem russischen Verteidigungsministerium bewusst ist. Aber auch Putin ist dem ISW zufolge aufgrund Prigoschins militärpolitischen Ambitionen alarmiert.
Wladimir Putin und Chef des russischen Generalstabs, General Valery Gerasimov, verstehen sich bestens.Bild: Pool Sputnik Kremlin
So sollen laut dem ISW Kreml-Beamte bestätigen, dass Putin in seinem inneren Kreis zunehmend Loyalität gegenüber Kompetenz vorziehe. "Putin könnte Prigoschins Kritik als eine Form von Verrat empfunden haben", heißt es im Bericht. Dieser könnte wahrscheinlich Prigoschins "aggressive Eigenwerbung" auf Kosten anderer, die sein Vertrauen hatten, als Bedrohung ansehen. Shoigu und Gerasimov seien schließlich Putin und seinem Regime seit Jahren treu.
Am 7. Oktober 2023 begingen Terroristen aus dem Gazastreifen ein Massaker in Israel. Seither herrscht Krieg.