Eine Welle von plötzlichen Todesfällen unter chinesischen Prominenten weckt Zweifel an der tatsächlichen Zahl der Covid-19-Opfer im Reich der Mitte. Zu den Verstorbenen zählen die Opernsängerin Chu Lanlan (39), der Regisseur Wang Jingguang (54), der Schauspieler Fu Zucheng (82) und sein Berufskollege Gong Jintang (83). Sie alle starben im vergangenen Monat.
In den Nachrufen auf die plötzlich Dahingeschiedenen wird keine Todesursache genannt. Die Familie der Sopranistin Chu Lanlan, die an der Peking Oper sang, erklärte lediglich, sie sei "sehr traurig über ihren plötzlichen Hinschied". Auch bei Wang Jingguang, der in China für Filme wie "Never Look Back" und "Lawless" bekannt ist, machte die Familie keine Angaben zur Todesursache, sondern gab lediglich an, er sei erkrankt und habe nicht auf ärztliche Hilfe angesprochen.
Im Dezember hatte Peking die zuvor geltenden, extrem strikten Covid-19-Beschränkungen gelockert, was zu einem Anstieg der Infektionen und zu einer Überlastung von Krankenhäusern und Krematorien führte. Zugleich verschärfte die chinesische Führung die Kriterien dafür, was als Covid-19-Todesfall zu gelten hat, drastisch. Seit Dezember wurden daher offiziell nur 22 Corona-Todesfälle verzeichnet, wie der "Guardian" berichtet. Die offiziellen Zahlen gelten deshalb kaum mehr als realistisch.
Die Todeswelle unter prominenten Chinesen verstärkt den Argwohn. Denn die Prominenten aus dem Kulturbereich sind nicht die einzigen Berühmtheiten, die seit der Kehrtwende in der chinesischen Corona-Politik gestorben sind: Zwischen dem 21. und 26. Dezember sollen auch sechzehn Wissenschaftler von bekannten Universitäten und Instituten verstorben sein. Die Wirtschaftszeitung "Financial Times" berichtete über mehrere chinesische Führungskräfte, die das gleiche Schicksal ereilte. Nur bei einem Wissenschaftler und einem Geschäftsmann wurde Covid-19 als Ursache genannt.
All diese prominenten Abgänge befeuern Spekulationen auf Weibo, dem größten sozialen Medium Chinas. Viele User vermuten dort, dass die Prominenten an Covid-19 gestorben sind. Das Misstrauen der einfachen Chinesen nimmt auch deshalb zu, weil bei ihren eigenen verstorbenen Verwandten und Bekannten in den offiziellen Sterbeurkunden ebenfalls nahezu immer eine andere Todesursache als Covid-19 angegeben wird.
Auch andere Krankheiten könnten natürlich zum Tod führen, räumt ein Weibo-Nutzer ein. "Aber jetzt sterben sie alle zur gleichen Zeit." Versteckte Kritik – mehr erlaubt die chinesische Internet-Zensur nicht – äußerten mehrere User zum Nachruf auf Gong Jintang, der fast zwei Jahrzehnte lang die Rolle als "Vater Kang" in der populären Serie "Schwiegereltern, Schwiegerkinder" gespielt hatte. "Ruhe in Frieden, Vater Kang", schrieb ein User. "Diese Welle hat bereits so viele ältere Menschenleben gefordert, wir sollten sicherstellen, dass wir die älteren Menschen in unseren Familien schützen."
Die Weltgesundheitsorganisation WHO erklärte kürzlich, die Auswirkungen der Corona-Epidemie und insbesondere die Zahl der Todesfälle seien bedeutend schwerwiegender, als die chinesischen Behörden es darstellten. Experten befürchten, dass in diesem Jahr bis zu einer Million Chinesen dem Virus zum Opfer fallen könnten. Die chinesische Bevölkerung von rund 1,4 Milliarden Menschen ist aufgrund der langandauernden Null-Covid-Politik relativ schlecht immunisiert; überdies schützen chinesische Impfstoffe weniger gut als westliche und es haben auch nur relativ wenige Chinesen einen Booster erhalten.
(dhr/watson.ch)