Der neue Star Wars Film "Solo: A Star Wars Story" kommt in die Kinos. Darin spielt unter anderem Donald Glover mit, der die Rolle des Lando Calrissian übernommen hat.
Jonathan Kasdan, Drehbuchautor des Films, sagte nun, der Charakter sei pansexuell, eine sexuelle Orientierung, bei der Personen in ihrem Begehren keine Vorauswahl treffen, was Geschlecht oder Geschlechtsidentität angeht.
In einem Artikel der Website Daily Beast kritisiert Autor Ira Madison III nun, dass die Filmemacher den Charakter zwar als pansexuell betiteln, aber als solchen nicht im Film darstellen.
Yony Leyser ist US-amerikanischer Filmemacher, Stefan Mesch Buch- und Comic-Kritiker. Beide sagen: Queere Sichtbarkeit ist in Comics und Comic-Verfilmungen ein Problem.
watson hat mit Leyser und Mesch gesprochen.
Und das sagen die beiden zur Star-Wars-Thematik:
Das sagt Yony Leyser, 34, Filmemacher:
Bild: yony leyser
Leyser ist Filmemacher, wurde in Chicago geboren und lebt in Berlin.
Sein Film "Queercore – How To Punk a Revolution" dokumentiert die als "Queercore" bezeichnete Queer-Punk-Bewegung der 80er Jahre
In der Zeit des "Queercore" waren auch selbst publizierte Magazine, so genannte zines bedeutsam.
"Ich bin 1984 geboren, ich kannte keine schwulen Charaktere, außer vielleicht "Will and Grace". Ich sah lange niemanden auf dem Bildschirm, der queer war wie ich.
Die erste Idee von queeren Konzepten, die mir als Kind begegnete, ist lustigerweise "X-Men". Ich habe mich zu den Charakteren hingezogen gefühlt, da sie von ihrer Familie und der Gesellschaft zurückgewiesen wurden. Sie waren Ausgestoßene, kreierten ihre eigene Gesellschaft, abseits von festem Freund oder Freundin. Das war meine erster Einstieg in die queere Welt, da war ich 6 oder 7 Jahre alt.
Daher können Comics für die eigene Identifikation sehr wichtig sein. Aber ich denke, Medien, also Filme, Fernsehen sind um einiges wichtiger."
Zur fehlenden Darstellung der Pansexualität im Film:
"Wenn Menschen, die Filme
machen, einen bestimmten Markt für sich gewinnen wollen, ist das immer
schwierig. Queerness zu benutzen oder was auch immer gerade „angesagt“ ist, ohne
das Risiko einzugehen, die community wirklich abzubilden, ist einfach billig.
Das Risiko wäre in dem Fall, dass homophobe Menschen keine Tickets für den Film kaufen. Die Macher wollen, dass queere Menschen die Tickets kaufen, dass Liberale den Film sehen.
Aber sie wollen eben, dass auch rechte Menschen Filmtickets kaufen.
Und das ist schwierig."
Was muss sich ändern?
"Medien spielen eine große Rolle. Es hat sich, beispielsweise was die LGBT- und Transgender-Rechte angeht, in den letzten 5 bis 10 Jahren viel getan. Auch wegen solcher Shows wie "Transparent" oder "Orange is the New Black". Das Erzählen und Normalisieren der Geschichten ändert die öffentliche Meinung und macht die Welt für trans-Menschen sicherer.
Wenn wir diese Geschichten erzählen wollen, brauchen wir aber nicht nur Produzenten und Menschen hinter und vor der Kamera, die diese Communities repräsentieren. Wir brauchen sie auch in der Finanzierung. Sonst haben wir das gleiche Problem wie jetzt bei Star Wars.
Die Geschichten in deutschen Filmen und Fernsehserien sind auch heute noch ziemlich homogen. Dabei gibt es so viele interessante Künstler und Filmemacher in Deutschland. Gerade jetzt, wo Deutschland die Stimme eines demokratischen Europas ist, hoffe ich, dass einige dieser Stimmen ihre Geschichte auch erzählen können."
Das sagt Stefan Mesch, 35, Buch- und Comic-Kritiker:
Mesch ist Kulturjournalist, Buch- und Comic-Kritiker, lebt in Berlin
Seinen ersten Comic hat er erst mit 25 Jahren gelesen
Welche Bedeutung Comics für mich hatten:
"Als Kind habe ich nur die "Micky Maus" gelesen. Helden-Comics habe ich angefangen zu lesen, als ich 25 Jahre alt war. Ich hatte damals ein gut bezahltes Praktikum und konnte mir die Comics leisten. Heute ist das keine Geldfrage mehr, man kann alle Comics im Netz lesen.
Comics, in denen Helden oder Figuren offen als queer sichtbar sind, machen es Menschen natürlich auch leichter, sich zu identifizieren. Ich identifiziere mich als queer.
Dass der Charakter von Donald Glover im Star Wars Film nicht offen pan-sexuell dargestellt wird, finde ich schockierend. Es gibt aber auch sonst in den großen Star-Wars-Erzählungen keine queeren Figuren. Wenn, dann finden die in Nebenfiguren statt. Auch in den 18 Marvel-Filmen gab es noch keine einzige queere Figur.
Das ist armselig.
Das allerschlimmste ist aber die Harry Potter-Welt. Wir wissen seit 7 Romanen, dass Dumbledore schwul ist. Dann gab es den Film "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" und Dumbledore kam nicht vor, aber seine große Liebe. Jetzt ist der zweite Teil bald da und die Macher sagen: "Nee, nee, man sieht die beiden Figuren zwar, und das ist auch der Fokus, aber über Sexualität reden wir nicht." Das verstehe ich nicht.
Ich muss allerdings auch eine Lanze für Star Wars brechen. Seit 2015 gehört alles zu Disney und die Macher geben sich sehr große Mühe: Die Bücher sind politisiert, die Autoren achten genau darauf, wie man beispielsweise totalitäre Systeme oder Unterdrückungsmechanismen widergibt."
Finden queere oder trans Charaktere in Comics statt?
"Nicht genug. Es gibt derzeit keine schwarze, queere Heldin und ich finde, das sollte es jetzt einfach bald geben.
Auch trans Figuren und trans Helden kann ich kaum nennen. Im gesamten DC-Comics-Universum fallen mir nur zwei Nebenrollen ein. Da ist noch so viel zu tun.
Bei den großen Verlagen Marvel und DC Comics ist es so: Je kleiner das Heft und die Nebenrolle ist, desto mehr queere Sichtbarkeit ist da. In gefühlt jeder dritten Marvel-Reihe und in jeder fünften DC-Reihe taucht eine queere Figur auf. Wenn ich aber einen queeren Helden oder eine queere Heldin lesen will, habe ich vielleicht 5 oder 6 Comics zur Auswahl."
Gibt es also Positiv-Beispiele?
"Ja, zum Beispiel "Batwoman", eine lesbische, jüdische Frau. Seit 2007 sehr tolle Comics. "Batwoman" ist meine liebste, queere Heldin.
In Deutschland haben wir unter anderem den Comic-Zeichner Ralf König, der großartige Arbeit macht oder Martina Schradis.
So ein monatliches "Batman"-Heft wird vielleicht von 80.000 Leuten gekauft. Die kleineren Hefte wie "Batwoman" überleben trotzdem, auch wenn es nur 17.000 Leute kaufen.
Es gilt: Je kleiner die Auflage, desto queerer, kantiger, People of Color-zentrierter kann man sein. Das ist das Tolle an Comics: Man kann Figuren schnell realisieren und schauen, wie das dann bei Leuten ankommt. Um eine Fernsehsendung mit den gleichen Charakteren zu produzieren, müsste man viel mehr Leute ansprechen – allein die Finanzierung wäre ein Drama."
Brauchen wir mehr queere Charaktere in Comic und Film? Schreib es uns in den Kommentaren
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