Der WDR hat die Zusammenarbeit mit der Ärztin Nemi El-Hassan vorerst ausgesetzt.Screenshot Instagram/nemi_el_hassan
Interview
16.09.2021, 17:3104.11.2021, 15:53
Eigentlich sollte Nemi El-Hassan, 28-jährige Ärztin mit palästinensischen Wurzeln, ab November durch die Wissenschaftssendung "Quarks" des WDR führen. Stattdessen muss sie sich gegen Vorwürfe wehren, antisemitisches und islamistisches Gedankengut zu verbreiten. Der WDR hat den Start ihrer Moderationsaufgabe vorerst vertagt.
Auslöser der Aufregung um El-Hassan war das Bekanntwerden ihrer Teilnahme an der antisemitischen Al-Kuds-Demonstration 2014 in Berlin – und Äußerungen über den Begriff "Dschihad".
Den Besuch der Al-Kuds-Demo im Jahr 2014 nennt El-Hassan heute einen Fehler und distanziert sich vom Islamismus. Ihre Kritikerinnen und Kritiker hat das bisher kaum besänftigt. Auslöser für die Aufregung um den Begriff "Dschihad" ist ein Video, für das Nemi El-Hassan im Jahr 2015 die Bundeszentrale für politische Bildung interviewt hatte. In dem Clip sagte Hassen unter anderem: "Mein Dschihad bedeutet freundlich sein".
Der Islamwissenschaftler Rüdiger Seesemann ruft gegenüber watson zur Besonnenheit auf – und warnt vor der „Islamismus-Keule“. Seesemann, der an der Universität Bayreuth einen Lehrstuhl innehat, nimmt die Deutsche mit palästinensischen Wurzeln in Schutz.
"Sie hat nicht bestritten, dass es einen Dschihad-Begriff gibt, der den Krieg gegen Nicht-Muslime meint"
Islamwissenschaftler Rüdiger Seesemann über Nemi El-Hassan
Herr Seesemann, Sie sprechen von antiislamischen Reflexen, die in der Debatte um Nemi El-Hassan zum Vorschein kämen. Wie meinen Sie das?
Ich beobachte seit einiger Zeit, wie in öffentlichen Debatten reagiert wird, wenn es um Islamismus-Verdacht geht. Was Nemi El-Hassan über den Dschihad gesagt hat, ist wirklich kein Beleg für Islamismus. Wenn hier die Islamismus-Keule ausgepackt wird, stört mich das als Islamwissenschaftler sehr. Der Vorwurf ist in diesem Fall schlicht deplatziert. Das gilt auch für ihre Besuche in bestimmten Moscheen. Sie hat auch nicht bestritten, dass es einen Dschihad-Begriff gibt, der den Krieg gegen Nicht-Muslime meint.
Beim Thema Islam in Deutschland kommen auch immer wieder konservative Islamverbände wie der Zentralrat der Muslime in Deutschland zu Wort. Welche Rolle spielen sie?
Ich sehe deren Rolle häufig kritisch. Zwar kann man auch hier nicht pauschalisieren. Aber es wäre gut, wenn negative Aspekte von vielen Verbänden und deren Vertretern nicht sofort reflexhaft negiert würden. Da wird dann oft so getan, als gebe es keine Probleme.
"Wir alle sind in der Pflicht, uns genauer zuzuhören."
Was muss passieren?
Wichtig wäre es, einen Mittelweg zu finden und zu schauen, wie wir uns aufeinander zubewegen können. Viele Islamverbände sind meiner Ansicht nach zu apologetisch.
Müssen sich Muslime überhaupt dazu äußern? Immerhin ist Religion Privatsache.
Ob man sich äußern will, ist in der Tat Privatsache. Aber viele Muslime wollen sich ja einbringen und an den Debatten teilnehmen. Ich glaube, wir alle sind in der Pflicht, uns genauer zuzuhören. Da geht im Moment einiges schief, wie jetzt im Fall Nemi El-Hassan.
Nach der Parlamentswahl in Georgien hat die proeuropäische Präsidentin Salome Surabischwili für Montagabend zu Protesten gegen den erklärten Wahlsieg der nationalkonservativen Regierungspartei Georgischer Traum aufgerufen. Surabischwili sagte am Sonntagabend in Tiflis, sie erkenne das mutmaßlich verfälschte Ergebnis nicht an. "Wir sind Zeugen und Opfer einer russischen Spezialoperation geworden", sagte sie.