Politik
Interview

Israel-Iran-Konflikt: Journalistin beschreibt "Totenstille im Land"

13.06.2025, Israel, Tel Aviv: Israelische Feuerwehrleute inspizieren die Schäden nach einem Raketeneinschlag in Ramat Gan in der Nähe von Tel Aviv. Foto: Ilia Yefimovich/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Israelische Feuerwehrleute inspizieren die Schäden nach einem Raketeneinschlag in der Nähe von Tel Aviv.Bild: dpa / Ilia Yefimovich
Interview

Israel: Journalistin in Tel Aviv beschreibt "Totenstille im ganzen Land"

Im Konflikt zwischen Israel und Iran ist keine Deeskalation in Sicht. Nach den israelischen Angriffen von Freitag startete der Iran Gegenangriffe mit Drohnen und Raketen, seitdem ist Israel in Alarmzustand. Die deutsch-israelische Journalistin Sarah Cohen-Fantl ist mit ihrer Familie nahe Tel Aviv.
14.06.2025, 15:5414.06.2025, 17:35
Mehr «Politik»

Die Bilder der Angriffe gehen gerade um die Welt. Die Eskalation zwischen Israel und Iran dauert weiter an. In der Nacht feuerte der Iran nach Angaben des israelischen Militärs Hunderte ballistische Raketen ab, am Morgen ⁠meldete die Raketenwarn-App weitere Drohnenangriffe. In verschiedenen Landesteilen gab es Einschläge, auch in und um Tel Aviv kam es zu Explosionen.

Es ist die Antwort auf die Angriffe Israels, die in der Nacht zu Freitag begonnen hatten. Zur Begründung verwies Israel auf das fortgeschrittene Atomprogramm Teherans. Auch Israel griff nach eigenen Angaben weiter militärische Ziele im Iran an. Doch wie geht es aktuell den Menschen vor Ort?

Die deutsch-israelische Journalistin Sarah Cohen-Fantl ist in Deutschland aufgewachsen, lebt aber seit Jahren mit ihrem Ehemann und den zwei gemeinsamen Kindern in Israel. Watson erklärt sie, wie sie und ihre Familie die Situation in der Nähe von Tel Aviv erleben.

Sarah Cohen-Fantl, Journalistin
Die Journalistin Sarah Cohen-Fantl lebt mit ihrer Familie in Tel Aviv.Bild: Privat / Alumah

watson: Wie geht es dir und euch gerade?

Sarah Cohen-Fantl: Wir sind jetzt die zweite Nacht alle zwei bis drei Stunden in die Bunker gerannt und hatten Raketenalarm im ganzen Land. Normalerweise dauert das zehn Minuten bei Raketen der Huthis oder der Hamas. Aber im Fall vom Iran sitzen wir deutlich länger im Bunker, eher 30 bis 40 Minuten. Das ist sehr zermürbend. Wir haben zwei Kinder dabei. Mit uns zusammen sitzt auch eine hochschwangere Nachbarin. Und wir haben zwei Hunde und einen Welpen, die auch ziemlich durchdrehen. Ganz allgemein sind wir das alles schon gewöhnt. Wir sind erprobt und meistern Angriffe routiniert. Aber die aktuelle Lage ist körperlich und mental extrem anstrengend.

Was bekommt ihr noch mit von den Angriffen?

Wir wissen, dass es sich hier um ballistische Raketen handelt, die einfach anders einschlagen. Aktuell ist es auch das, was uns emotional am meisten mitnimmt: wenn wir Bilder von den Einschlägen sehen und von den Opfern hören. Die werden nur vereinzelt gezeigt, weil wir dem Gegner nicht zu viele Informationen geben wollen. Wir hatten direkte Einschläge in Gebäuden in Tel Aviv und Umgebung sowie im Norden Israels. D⁠rei Menschen wurden getötet, ein Neugeborenes lag unter den Trümmern und weitere Menschen, die aber zum Glück alle gerettet werden konnten. Und es gab auch mehrere andere Menschen, die in den Trümmern eingesperrt waren und glücklicherweise auch gerettet wurden. Es gibt rund 70 Verletzte, darunter auch Schwerverletzte. Das sind alles Zivilisten.

Was für eine Stimmung herrscht gerade in Tel Aviv?

Es herrscht Totenstille im ganzen Land. Alle Menschen sind wahnsinnig müde. Wir haben das Glück, dass wir einen Mamad, also einen Schutzraum in unserem Wohnhaus, haben. Aber viele Menschen müssen sich in Treppenhäuser retten. Allerdings gab es da bereits die Vorgabe der israelischen Verteidigungsstreitkräfte IDF und vom israelischen Sicherheits-Apparat, dass das nicht reicht. Die Menschen sollen also in öffentliche Bunker und Schutzbereiche oder unterirdische Garagen gehen. Die Raketen und Einschläge sind einfach zu heftig.

Was passiert als Nächstes?

Wir warten weiter ab. Israel hat im Iran militärische Ziele angegriffen. Es wird mit den Angriffen wohl wie im Pingpong weiter hin und her gehen. Ob es jetzt tagsüber ruhig bleibt und erst nachts weitergeht oder ob wir auch dann in den Bunker müssen, wissen wir nicht. Auch in den kommenden Tagen werden Schulen und Kindergärten wohl geschlossen bleiben, der Flughafen soll bis auf weiteres gesperrt bleiben, das öffentliche Leben bleibt bis auf Supermärkte wohl weiterhin stillgelegt.

Russland lockt Kameruner mit Lüge in die Ukraine: Krieg statt Shampoo-Fabrik
Im Krieg in der Ukraine setzt der Kreml unter Präsident Wladimir Putin vor allem auf eine Strategie: Abnutzung. Auch aus dem Ausland rekrutiert Russland daher viele Soldaten – häufig unter falschem Vorwand.

Für den ständigen Druck auf die zahlenmäßig unterlegenen Ukrainer:innen werden viele russische Soldaten an der Front geopfert. Dazu nutzt der Kreml bei Weitem nicht nur Landsleute.

Zur Story