Er kam als Praktikant nach Brüssel, 2009 kehrte Jan Philipp Albrecht zurück, als Abgeordneter der Grünen im Europaparlament.
In den schwierigen Gesprächen für die neue Datenschutzgrundverordnung kürte ihn das Parlament zum Chefunterhändler der Abgeordneten für die Verhandlungen mit EU-Kommission und den 28 Mitgliedstaaten. Albrecht, Jurist und Digitalrechtsexperte, erwarb sich rasch den Ruf eines geschickten und fairen Unterhändlers. Gemeinsam mit EU-Justizkommissarin Viviane Reding pushte er die neue Datenschutzgrundverordnung.
Die 2015 besiegelte neue EU-Regelung trägt maßgeblich seine Handschrift. Sie tritt am 25. Mai in Kraft. Kurz vor dem Start gibt es heftige Kritik – vor allem von Wirtschaftsverbänden.
Albrecht hat seinen Job getan. Er verlässt Brüssel und wird im September Nachfolger des neuen Grünen-Chefs Robert Habeck als Minister für Agrar, Energiewende und Digitales in Schleswig-Holstein. Oder wie Albrecht sagt, "Minister für drinnen und draußen".
Herr Albrecht, Sie waren als Berichterstatter des EU-Parlaments
federführend an der neuen Datenschutzgrundverordnung beteiligt. Wie sind die
Reaktionen, die Sie derzeit in den Sozialen Medien erhalten?
Jan Philipp Albrecht: Da gibt es schon persönliche Beschwerden, aber das hält sich noch in Grenzen.
Nach der Aufregung um den jüngsten Facebook-Skandal mit Cambridge Analytica war der Ruf nach mehr Datenschutz groß. Nun kommen die Klagen über zu viel Bürokratie durch die neue EU-Regelung. Sind Sie denn von den heftigen Reaktionen hierzulande überrascht?
Ehrlich gesagt schon. Die Regelung wurde ja schon 2015 erzielt, 2016 trat das
Gesetz in Kraft. Nun endet am 25. Mai die Übergangsfrist. Es ist also nicht so,
dass das Gesetz überstürzt oder über Nacht, wie manche jetzt sagen, eingeführt
wurde. Europa arbeitetet da sorgfältig.
Welche Kritik hat Sie am meisten verwundert?
Naja, wenn zum Beispiel von einem Bürokratiemonster geredet wird. Die neue
Datenschutzgrundverordnung bringt nicht mehr, sondern weniger Bürokratie.
Bislang mussten sich die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Unternehmen in
der EU mit 28 unterschiedlichen Regelungen herumschlagen, künftig, gibt es
EU-weit nur noch eine. Das ist eine erhebliche Vereinfachung und das schafft
Rechtssicherheit.
Kritiker fürchten dennoch ein Übermaß an Vorschriften...
Es
wird immer so getan, dass die neue Regelung viel schärfer sei. Das stimmt
nicht. Wir setzen das bereits bestehende
Recht künftig nur tatsächlich durch, deshalb auch die Möglichkeit, hohe
Bußgelder von bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes zu verhängen.
Nochmal: Wer sich bisher an die Datenschutzregeln gehalten hat, der wird auch
mit dem neuen Recht kein Problem bekommen.
Und weshalb der Proteststurm?
Der Unmut und das Lobbying sind ja nicht neu. Das lief ja über Jahre. Mitunter
scheint es, dass Wirtschaftsanwälte nur deshalb so viel Wirbel machen, um ihre
Beratung und ihre Datenschutzseminare zu bewerben.
Auch Kanzlerin Angela Merkel hatte zuletzt erklärt, manches sei "wirklich eine Überforderung" und Änderungen in Aussicht gestellt...
Ehrlich gesagt ist das fast ein bisschen peinlich von einer
Regierungschefin, die 2013 selbst in einer Regierungserklärung eine neue
Datenschutzregelung auf EU-Ebene angemahnt hat und die in Brüssel schließlich
selbst zugestimmt hat. Es ist das alte Spiel: Läuft es gut mit einer
EU-Regelung, dann haben das die nationalen Regierungen auf den Weg gebracht.
Gibt es Kritik, dann waren es die in Brüssel.
Lässt sich überhaupt noch was ändern?
Nochmal, das war ein jahrelanger Prozess, da wurde verhandelt zwischen
EU-Kommission und Europaparlament und mit den 28 Mitgliedstaaten. Wer jetzt so
tut, als ließe sich das einfach so ändern, handelt nicht redlich.
Die neue Regelung ist eine Verordnung, das heißt, sie ist unmittelbar
nationales Recht. Da lassen sich über die Ausführungsbestimmung höchstens noch
Feinheiten nachjustieren.
Bei all der Kritik. Wo sehen Sie denn den großen Vorteil
der neuen Regelung?
Der große Vorteil liegt darin, dass wir den Datenschutz nicht länger als hehren
Anspruch, sondern als durchsetzbares Recht verankert haben. Alle Unternehmen –
also auch die aus den USA oder anderen Teilen der Welt – müssen sich auf dem
europäischen Markt an dieselben Regeln halten und können die Bußgelder nicht
länger aus der Portokasse zahlen. Für Unternehmen bedeutet das aber auch, dass
mehr Vertrauen in den digitalen Markt geschaffen wird und Datenschutz ein
echter Wettbewerbsfaktor wird.
Sie wechseln jetzt als Nachfolger von Robert Habeck nach Schleswig-Holstein und werden Landesminister. Was hat Kiel, was Brüssel nicht hat?
Ein Digitalministerium, das
Digitalisierung themenübergreifend angeht, von der Landwirtschaft bis zur Energiewende.
In Deutschland wird die Europapolitik ja gern etwas verzerrt wahrgenommen. Auf
der Ebene Landespolitik wird ganz praktisch umgesetzt, was in der EU
beschlossen wurde. Da lässt sich viel für das Bild Europas tun. Insofern bleibe
ich Europa verbunden.