Verkehrsminister Volker Wissing stellte am Mittwoch ein umfassendes Programm für den Verkehrssektor vor.bild: picture alliance/dpa | Jörg Carstensen
Klima & Umwelt
Weil im Verkehr und in Gebäuden zu viel
Treibhausgase ausgestoßen werden, muss die Bundesregierung beim
Klimaschutz nachsitzen. Am Mittwoch präsentierten drei Ministerien
Aufhol-Programme. Doch zugleich wurde klar: Das geplante große
Klimapaket liegt erstmal auf Eis. Zu groß sind die Differenzen
zwischen FDP-geführten Ministerien wie dem Verkehrsressort auf der
einen und von den Grünen geführten Ministerien wie dem
Wirtschaftsressort auf der anderen Seite.
Eigentlich habe man ein Klimaschutz-Sofortprogramm vorlegen
wollen, das alle Sektoren umfasse, sagte Wirtschaftsstaatssekretär
Patrick Graichen. Doch: "Die Diskussionen dazu im Ressortkreis dauern
noch an." So gab es am Mittwoch zwei nahezu zeitgleiche Termine in
Berlin: Graichen stellte mit Bauministerin Klara Geywitz (SPD) die
Pläne für den Gebäudesektor vor. Unweit davon präsentierte
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sein Programm für den
Verkehrssektor.
"Klassenziel" im Klimaschutz verfehlt
Bei Gebäuden und im Verkehr waren zulässige CO₂-Emissionsmengen,
die im Klimaschutzgesetz verankert sind, 2021 überschritten worden – "Klassenziel verfehlt", sagte Geywitz. Die zuständigen Ministerien
hatten drei Monate Zeit, ihre Nachbesserungen vorzulegen, diese Frist
lief am Mittwoch ab. Allein bei den Gebäuden müssen bis 2030 noch 152 Millionen Tonnen CO₂ und ähnliche Treibhausgase mehr eingespart werden als bisher. Im Verkehrsbereich geht es laut Graichen sogar um 270 Millionen Tonnen.
Sanieren und klimafreundlicher Heizen
Im Gebäudebereich soll die Lücke vor allem aufgeholt werden,
indem mehr Häuser saniert werden und eine Wärmeversorgung ohne
fossile Brennstoffe etabliert wird. Die Herausforderung: die Bürger
dabei finanziell nicht zu überlasten. Weil die Umstellung nicht von
heute auf morgen geht, rechnen die Ministerien damit, dass sie die
Klimaziele noch bis mindestens 2026 reißen werden - ab 2027 aber
werde dann alles aufgeholt.
Aus für reine Gasheizungen
Schon ab 2024 sollen möglichst nur noch Heizungen neu eingebaut
werden, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien
arbeiten. Reine Gasheizungen sind dann nicht mehr erlaubt – ein
weiterer Schritt, um die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen
zu reduzieren. Außerdem gelten höhere Effizienzstandards für
Neubauten. Staatliche Förderung soll es zwar weiterhin für sehr
klimafreundliche Neubauten geben, vor allem aber fürs Sanieren. Denn
rund drei von vier Altbauten wurden vor 1979 gebaut und sind bis
heute kaum energetisch saniert.
In vielen Häusern wurden Gasheizungen verbaut.bild: IMAGO / Manngold
Förderung für klimafreundliche Fernwärme und Wärmepumpen-Offensive
In großen Städten soll Fernwärme eine klimafreundliche Lösung zum
Heizen werden. Bisher werden die Netze noch überwiegend aus fossilen
Energien gespeist, das soll sich mit staatlicher Förderung ändern.
Standardlösung für Ein- und Zweifamilienhäuser soll die Wärmepumpe
werden. Doch bisher fehlt es am Wissen zur Installation, Bedienung
und Wartung der noch recht neuen Technologie. Handwerker sollen
deshalb gezielt fortgebildet werden.
Optimierung bestehender Heizungssysteme – Vorschriften fürs Heizen?
Energieeffizienz rückt durch den russischen Krieg in der Ukraine
immer mehr in den Mittelpunkt – vor allem vor dem Hintergrund, dass
russische Gaslieferungen wegfallen könnten. Die Einstellungen
bestehender Heizungssysteme sollen deshalb schnell optimiert werden.
Es heißt, auch "ordnungsrechtliche" Optionen würden erarbeitet, also
etwa Vorschriften fürs Heizen.
Ausbau des Ladenetzes für Elektroautos
Ein zentraler Aspekt im Sofortprogramm von Wissing ist neben mehr
Radwegen ein flächendeckendes Ladenetz für Elektroautos - damit die
"Reichweitenangst" wegfällt und mehr Menschen E-Autos kaufen. Für den
Ausbau der Ladeinfrastruktur meldet Wissing mehr Geld im Haushalt an.
Es werde davon ausgegangen, dass weitere Haushaltsmittel im Umfang
von etwa acht Milliarden Euro erforderlich seien, hieß es. Geeint ist
dies aber noch nicht.
Wie soll es weitergehen mit dem ÖPNV?
Millionen von Menschen haben das 9-Euro-Ticket genutzt, nur wie
geht es nach dessen Auslaufen Ende August weiter? Vor allem die
Grünen wollen ein ganzjähriges, günstiges "Klimaticket" für den öffentlichen Personennahverkehr. Wissing will aber erst Reformen. Ein
zentraler Punkt für ihn sind einfachere Tarifstrukturen, am Mittwoch
sprach er erneut von einem "Tarifdschungel". Die Verkehrsbranche hat
schon gewarnt, ohne mehr Geld müsse nach dem 9-Euro-Ticket das
Angebot gekürzt werden.
Das Verkehrsministerium verkündete einen Ausbau des Ladenetzes für Elektroautos.null / picture alliance/dpa | Paul Zinken
Kein Tempolimit – und andere Streitpunkte
Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen lehnte Wissing erneut
ab. Keine Einigkeit gibt es in der Regierung auch über den Abbau
klimaschädlicher Subventionen oder die Reform der Kfz-Steuer - das
wollen die Grünen und viele Umweltverbände, damit Autofahrer mit
wenig klimafreundlichen Autos mehr zahlen müssen. Der
Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar forderte Wissing zu einer
deutlichen Nachjustierung auf. Die Klima-Allianz Deutschland
kritisierte, der Minister versage auf ganzer Linie.
Der Streit in der Koalition dreht sich vor allem um eine
entscheidende Frage: Braucht es für mehr Klimaschutz Ordnungsrecht,
also gesetzliche Vorgaben bis hin zu Verboten? Das lehnt die FDP
entschieden ab. Der Konflikt dürfte noch Monate schwelen, in der
Sommerpause ist wenig Bewegung zu erwarten. Der Klimapolitiker der
oppositionellen Union, Andreas Jung (CDU), forderte daher: "Jetzt
muss der selbst ernannte Klimakanzler ran." Bisher habe die Regierung
von Olaf Scholz (SPD) keinen Plan zum Erreichen des
Klimaziels.
(crl/dpa/afxp)
Die Küche ist ihr Revier. Hier zaubern sie Brot, Eintöpfe und Torten. Mit einer Schürze schützen sie ihre schönen Kleider; das Haar ist kunstvoll frisiert.