Eigentlich sollte man Spotify keinen Vorwurf machen. Die Musik-Plattform will Künstler aus seinen Playlisten schmeißen, weil deren Songs "besonders schädliche oder hasserfüllte" Botschaften transportieren – das ist erst einmal eine gute Sache. Wer diesen Gedanken aber weiterführt, stößt auf schwer lösbare Probleme. Auch Spotify rutscht jetzt in ein Dilemma, an dem schon andere gescheitert sind.
Konkret geht es um die Musik des Sängers R. Kelly und des Rappers XXXTentacion. Beide will Spotify nicht länger abspielen.
R. Kelly wies die Anschuldigungen zurück. Dennoch löschte ihn Spotify und bekennt sich zu einer gerade in den USA laufenden Social-Media-Kampagne: #MuteRKelly will Musik und Konzerte des Popstars boykottieren.
Gewalt gegen Kinder oder sexuelle Gewalt, könne die Art der
Zusammenarbeit "verändern", erklärte dann auch Spotify. Das sei keine Zensur, man lege allerdings Wert darauf, dass die Musikangebote in dem Streamingdienst
"unsere Werte spiegeln". Das Problem mit dieser Sicht der Dinge lässt sich schnell erklären:
Seit die #metoo-Debatte unmögliche Zustände in Hollywood zu Tage gebracht hat, muss zum Beispiel auch Netflix überlegen, ob es etwa den neuen Woody Allen-Film eigentlich noch zeigen möchte oder nicht. Auch gegen Allen stehen zahlreiche Missbrauchsvorwürfe im Raum.
Aber es geht nicht nur um #metoo. Es geht auch um politische Debatten, etwa die Antisemitismus-Vorwürfe gegen die Rapper Farid Band und Kollegah und den deutschen Echo. Es geht auch um die Inhalte von Songs und Filmen.
All diese Debatten sind emotional aufgeladen, die Fälle höchst kontext abhängig. Nicht immer ist so klar wie in den #metoo-Fällen, wo die Wahrheit liegt und wer der Schuldige ist.
In diesem Gewirr können die Streaming-Anbieter gar nicht wirklich beantworten, wie hoch ihre "Lösch-Schwelle" liegen soll. Welche Filme und Songs sie also stehen lassen und welche fliegen:
Wenn die Unternehmen immer nur löschen, was gerade öffentlich diskutiert wird, dann:
Wenn Spotify und Co. auf der anderen Seite aber konsequent sein wollen, dann müsste ein Großteil des Musikangebots von den Plattformen verschwinden. Man denke etwa an die oft sexistischen, homophoben und rassistischen Inhalte vieler internationaler Rap-Songs.
Das würde das Geschäftsmodell von Spotify aber schwer beschädigen. Es bleibt zu vermuten, dass genau deshalb am Schluss alles beim alten bleiben wird und das schwedische Unternehmeh hin und wieder Lippenbekenntnisse geben wird. So ähnlich ist das auch im Falle von R. Kelly. Spotify meint es bestimmt gut, aber das war es dann auch schon.
(mit afp)