Jonathan Kalmanovich ist jetzt schon seit über 20 Jahren im Deutschrap als Ben Salomo unterwegs.
Vor zwei Jahren veröffentlichte er sein erstes Solo-Album "Es gibt nur einen", auf dem er seine jüdische Identität thematisierte.
Seit 2010 veranstaltet er regelmäßig das Rap-Battle "Rap am Mittwoch", bei dem er Deutschrapper gegeneinander antreten lässt. Dort stellte er sich auch immer wieder gegen antisemitische Vorurteile.
"Ich will mit der deutschen Rap-Szene nichts mehr zu tun haben."
Im watson-Interview kündigt der Rapper exklusiv an:
"Rap am Mittwoch" hat jetzt die letzte Saison und wird im Mai die letzte Show haben. Ich werde mich erstmal mehr meiner Familie widmen.
Sein Team werde ohne ihn unter anderem Konzept weitermachen.
Lest hier das watson-Interview mit Ben Salomo:
Du sagst, du willst dich aus dem Rap-Geschäft zurückziehen. Wie kommt es jetzt dazu?
Ich habe keine Lust mehr. Ich habe mich jahrelang immer wieder
zu Wort gemeldet, um darauf aufmerksam zu machen, dass es ein Antisemitismus-Problem
im Deutschrap gibt.
Da fühlt man sich ziemlich allein.
Es gibt vielleicht eine Handvoll
Rapper und Bands die sich ab und an zu Wort melden. Das waren jetzt im Kontext
des Echo-Preises die "Antilopen Gang“ oder – was mich überrascht hat – auch der
Rapper "Retrogott". Aber die große Masse sagt da gar nichts zu.
Und nicht nur in den Songtexten, auch backstage wurde ich regelmäßig mit
antisemitischen Narrativen konfrontiert. Mich haben Leute gefragt, ob es
eigentlich stimmt, dass ich als Jude in Deutschland keine Steuern zahlen muss.
Als wir mal den Eintrittspreis von "Rap am Mittwoch" von drei auf fünf Euro erhöht hatten, sagten
Gäste und einige Künstler: "Guck mal, der Jude".
Viele Rapper vertreten eben auch als Privatperson dieselben antisemitischen Vorurteile, die sich in ihren Texten wiederfinden. Und die
behaupten dann, sie seien gar nicht antisemitisch.
Das finde ich ziemlich dumm, zu sagen: "Alle Juden beherrschen die Welt, aber
ich bin kein Antisemit.“ Das ist eine uralte Verschwörungstheorie, die schon
die Nazis hatten. Und waren Nazis etwa keine Antisemiten?
Ich habe damals mit Hip-Hop und Breakdance angefangen, weil
Hip-Hop die einzige Kultur war, in der ich mit meinem jüdischen Background
vollkommen willkommen war. Ich wurde deswegen nicht angefeindet.
Was
hast du gedacht, als du die Auschwitz-Zeile von Farid Bang gehört hast?
Ich könnte mir vorstellen, dass vieles auch Kalkül ist.
Sollte dem so
sein, wäre das sehr kaltherzig und auf Kosten von Holocaust-Opfern und jungen
Juden, die an Schulen nicht mehr sicher sind und geschlagen werden, weil ihre
Mitschüler auch durch solche Musik und Verschwörungstheorien so enthemmt sind.
Für mich geht es hierbei aber nicht um diese eine Zeile. Die
ist geschmacklos und wäre von mir aus auch im Battle-Rap-Kontext eine
vertretbare Punchline, wenn es einen jüdischen Gegner gäbe.
Danach wäre es
vorbei, beide geben sich die Hand und der Zuschauer kann sehen: Das ist einfach
nur Rap. Das alles sieht man aber bei Alben nicht.
Das sieht dieser Duisburger Sozialarbeiter ähnlich
Bei einem Rap-Battle sind zwei Rapper voreinander und rappen
gegeneinander. Da gibt es jemanden, der auch auf solche Punchlines antworten
kann.
Und das ist wirklicher Battle-Rap. Die Punchlines werden auf den
Gegner angepasst und seinen Background bezogen.
Aber wenn das Battle vorbei ist, geben sich beide Rapper die
Hand, die Leistung wird gewürdigt und das Gesagte wird aufgearbeitet.
Außerdem: Ein Rap-Battle ist bei weitem nicht so langlebig
wie ein Song, den die Leute sich hunderte Mal anhören. Wenn sich Leute in einem Song immer
wieder einen imaginären Gegner zusammenbasteln – und der ist immer wieder jüdisch – dann ist das doch etwas völlig anderes, als bei
einem Live-Battle.
Welche Regeln gibt es im Rapbattle?
Geschmacklosigkeiten im Battle gehören dazu.
Aber Worte und Begriffe, die zu
Nazi-Repertoire gehören, sollten einfach außen vorgelassen werden.
Und immer dann, wenn eine spezielle Ethnie mit einem Wort
komplett entwertet und entmenschlicht wird – egal ob "Judenpack", "Moslempack“
oder "Araberdreck", sage ich: Sowas geht einfach nicht.
Wenn du bei der Echo-Preisverleihung gewesen wärst – hättest du mit
Kollegah das Gespräch gesucht?
Ich weiß nicht, ob ich ihn an dem Abend angesprochen hätte,
wenn, dann wäre das aus dem Bauch heraus gekommen.
Aber ich hätte gar kein Problem damit, Kollegah und solchen Leuten
gegenüber zu sitzen und zu erklären, dass das, was die da machen, nicht von der
Kunstfreiheit gedeckt ist.
Dass es einfach etwas ist, das Menschen aufhetzt. Die Ergebnisse kann man an
den ganzen Angriffen an Schulen gegen jüdische Kinder sehen.
Wenn das große
Idol der Jugendlichen von "jüdischem Zins" oder "Rothschild" spricht, brauchen sie ja nur
bei YouTube diese Begriffe einzugeben und finden dazu unzählige Videos, die in
ihren Aussagen nichts dem nachstehen, was die Nazis damals gesagt haben. Und
das ziehen die Jugendlichen sich dann rein.
Mir ist es egal, ob es Populismus ist, oder ob die Rapper das aus
Kalkül machen. Mit den Hip-Hop Werten hat das nichts mehr zu tun.
Und diese
Werte sind für mich:
Nein zu Rassismus, Nein zu Antisemitismus und Nein zu Krieg.
Wie schätzt du das Statement von Campino ein?
Ich fand das Statement von Campino sehr mutig, er war einer
der wenigen, die sich geäußert haben. Die Entscheidung der Menschen, die ihre Echos zurückgeben, finde ich
konsequent.
Deswegen ziehe auch ich mich jetzt zurück.
Ich habe 20 Jahre lang versucht, das Problem in der Szene
von innen zu bekämpfen. Und habe hier und da auch einiges erreicht. Aber ich
bin gegenüber der Anzahl an sehr populären Rappern machtlos, die ihren
Antisemitismus durch Texte oder in Musikvideos zeigen, privat oder backstage.
Dagegen komme ich als Rapper nicht an, als Privatmensch
nicht und auch nicht als Moderator von "Rap am Mittwoch“.
Und wenn die anderen
Künstler im Rap da keine Solidarität zeigen, weil sie Angst haben, dass ihnen
eine relevante Zielgruppe wegbricht, dann ist das doch reiner Kapitalismus und
Opportunismus und hat auch nichts mehr mit Hip-Hop zu tun.
Übrigens: Auch in Kollegahs' Karriere ändert sich so einiges
Geht jetzt mit dir nicht auch eine wichtige Stimme
verloren, die sich im Rap gegen Antisemitismus stellt?
Ich sage: Die Deutschrap-Szene ist ähnlich antisemitisch wie
Rechtsrock, nur ist sich Deutschrap dem Antisemitismus-Problem nicht bewusst.
Würde irgendjemand von einem Juden erwarten, sich in so
etwas wie der Rechtsrock-Szene aufzuhalten, nur um eine wichtige Stimme zu sein?
Nein. Da muss die Szene selbst versuchen, solidarisch zu sein.
Es reicht nicht aus, wenn Juden für Juden sprechen. Die Nichtjuden müssen auch für die Juden sprechen.
Antisemitismus erlebe ich seit Jahrzehnten in Deutschland – ich sitze deswegen schon lange gefühlt auf gepackten Koffern. Und das gilt nicht nur für mich, sondern für tausende Juden in diesem Land.
Und es wird nicht besser. Erst recht nicht, wenn sich solche Künstler über längere Zeiträume antisemitisch äußern dürfen und dann auch noch Preise bekommen.