Bei diesem Video muss man geradezu die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Es kommt direkt vom Twitter-Account des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Nein, man muss genauer sein: Es kommt direkt von der Ministerin selbst, von Julia Klöckner.
Es geht im Video um Gesundheit und Umweltbewusstsein beim Thema "Essen und Trinken". Dazu hat sich Klöckner einen "Experten" eingeladen. Dieser Experte ist allerdings niemand geringeres als Marc-Aurel Boersch – der Deutschland-Chef der Firma Nestlé. Über deren Unterstützung freue sie sich ganz besonders, sagt Ministerin Klöckner.
Man muss sich doch fragen, ist diese Aktion gerade beim Thema Ernährung wirklich ihr Ernst?
Falls nicht, dürfen wir Sie kurz aufklären: Bei Nestlé handelt es sich um jenen Riesen-Nahrungsmittel-Konzern mit mehr als 2.000 Marken, der sich immer wieder schwere Vorwürfe gerade wegen seiner Einstellung zu Verbrauchern und Umwelt anhören muss.
So einen Konzern, Frau Klöckner, hofieren Sie in Ihrem Video ohne eine einzige kritische Frage zu stellen. Mehr noch: Sie geben seinem Deutschland-Chef die Möglichkeit, sich staatsmännisch als Sauber-Mann hinzustellen. Wer Ihnen deshalb jetzt öffentlich Lobby-Hörigkeit vorwirft, den kann man gut verstehen.
Schon im Februar 2019 hatten Sie den Plan zur Umsetzung Ihrer "Strategie zur Reduzierung von Zucker, Fett und Salz" – schon damals aber stieg die Deutsche Diabetesgesellschaft (DGB) aus ihrem angekündigten Experten-Gremium aus.
"In seiner jetzigen Form hat die Wissenschaft in dem Gremium praktisch keinen Einfluss auf die Formulierung konkreter Reduktionsziele", sagte damals DDG-Präsident Dirk Müller-Wieland der Süddeutschen Zeitung. "Bisher bleiben diese weit hinter dem zurück, was aus wissenschaftlicher Sicht notwendig wäre, um den Anstieg von Übergewicht und Diabetes in Deutschland zu stoppen."
Die Experten glaubten Ihnen also schon Anfang des Jahres nicht, dass Sie bei der Frage nach guter Ernährung ernsthaft unabhängig agieren würden.
Ihr eigene Glaubwürdigkeit wurde also schon einmal angezweifelt. Wenn Sie aber jetzt ein solch unreflektiertes Video mit einem Unternehmensvertreter drehen, dann... siehe Punkt 1: Wer Ihnen öffentlich Lobby-Hörigkeit vorwirft, den kann man gut verstehen.
Ihre CDU leidet gerade bei jungen Wählerinnen und Wählern massiv, weil sie Glaubwürdigkeit verspielt hat. Dabei geht es gerade um Themen wie Umwelt und Nachhaltigkeit. Mit solch einem Auftritt, Frau Klöckner, machen Sie die Situation für Ihre Partei nun wirklich nicht besser.