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Zoll-Deal mit den USA: Klimaziele dürften so scheitern

27.07.2025, Großbritannien, Turnberry: US-Präsident Donald Trump schüttelt der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen die Hand, während sie sich auf dem Trump Turnberry Golfplatz ...
Der Zoll-Deal zwischen den USA und der EU birgt eine Gefahr.Bild: AP / Jacquelyn Martin
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Zoll-Einigung mit den USA: "Ein Kniefall vor fossilen Interessen"

Die USA und die EU konnten sich auf einen Zoll-Deal einigen. Der birgt aber klimapolitisch eine große Gefahr.
29.07.2025, 18:2730.07.2025, 08:13
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Er ist erstmal beigelegt, der Handelskonflikt zwischen USA und EU. Donald Trump und Ursula von der Leyen konnten sich einigen, verewigt in einem symbolträchtigen Foto. Ein Handschlag mit Wirkung. Für die meisten Exporte in die USA werden künftig 15 Prozent Zoll fällig, zuvor drohte Trump mit 30 Prozent. Die Drastik bekam einen Dämpfer, wenngleich die deutsche Industrie schwere Zeiten aufkommen sieht.

Nicht nur die. Denn wie das so mit Deals ist, fußen sie nicht wirklich auf Einseitigkeit. Die EU-Kommissionspräsidentin erklärte sich bereit, eine gewaltige Menge fossiler Energien aus den Vereinigten Staaten zu kaufen. Für Klimaziele sind das bittere Aussichten.

Zoll-Deal mit fossiler Verpflichtung ist ein Problem

In den kommenden drei Jahren will die EU dafür sorgen, dass europäische Unternehmen Energie für insgesamt 750 Milliarden US-Dollar aus den USA kaufen, erzeugt aus Flüssigerdgas (LNG), Öl und Kernbrennstoffen. Auch wenn von der Leyen kaum Unternehmen dazu zwingen kann, Energie nach ihrem Gusto zu kaufen, setzt sie damit ein Signal. Trumps Fossil-Fokus bekommt dadurch Legitimation. Klimaschützer:innen sind alarmiert.

Zum Beispiel André Prescher-Spiridon, Leiter des EU-Politik-Ressorts beim BUND für Umwelt und Naturschutz. "Das Zugeständnis der EU-Kommission an die US-Regierung zur Steigerung der Gas- und Ölimporte in die EU gleicht einem Kniefall vor fossilen Interessen", sagt er zu watson. Das Vorhaben würde uns klimapolitisch dramatisch zurückwerfen.

Es ist auch offensichtlich: Der Deal kollidiert mit der Zielsetzung der EU, fossile Energieträger zu reduzieren, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Ein Ziel, das sich mehr durch Flexibilität als durch Ehrgeiz auszeichnete. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent reduziert werden.

Fortschritte konnte die EU dabei sogar verbuchen. Die Netto-Emission sind seit 2005 allmählich gesunken, 2023 im Vergleich zum Vorjahr sogar um acht Prozent, wie aus einem Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) hervorgeht. Eine Trendumkehr durch die Energieabnahme ist noch unklar, eine Signalwirkung bleibt dennoch. Die Emissionen werden zudem mit dem Deal wieder stark steigen.

"Durch die Verbrennung der aus den USA importierten fossilen Energieträger werden voraussichtlich vier bis sechs Milliarden Tonnen Kohlendioxid verursacht", schätzt Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme der HTW Berlin. Auf drei Jahre gestreckt entspricht das bis zu zwei Milliarden Tonnen CO2 im Jahr. Zum Vergleich: 2023 hat die EU 3,4 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen, zeigt ein Eurostat-Bericht.

Nicht mehr viel Spielraum für Klimaziele

Quaschning weist im Gespräch mit watson darauf hin, dass die EU nicht mehr viel Spielraum hat, verbindliche Klimaschutzziele einzuhalten. Und hier wird es zusätzlich problematisch.

Kürzlich erschien ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs, demnach Länder zu Klimaschutz verpflichtet sind und für Klimaschäden möglicherweise haftbar gemacht werden können. Ein wegweisendes Gutachten, das Aktivisten des Inselstaates Vanuatu angestoßen haben. In ihrer Heimat sind die existenzbedrohenden Folgen des Klimawandels längst spürbar. Für die EU eigentlich ein Alarmsignal.

"Pro Jahr verursacht die EU derzeit Klimafolgeschäden von rund einer Billion Euro, wenn man von 300 Euro pro Tonne CO2 ausgeht", sagt Quaschning. Bisher sind die Auswirkungen im Norden aber nicht so spürbar wie zum Beispiel auf Vanuatu, was eine nachlässige Haltung bedingt. Wobei Waldbrände, Dürren, Hitzeperioden, Artensterben, längst genauso ein Teil europäischer Lebenswirklichkeit ist. Muss Europa als Industriemacht aber für andere Länder zahlen, sieht es wieder anders aus.

Triftige Gründe also, Klimaschutzbemühungen zu verstärken und verstärkt auf kostengünstige erneuerbare Energien zu setzen. "Wir haben aber Abnahmeverpflichtungen für klimaschädliche fossile Energieträger aus den USA, die wir gar nicht mehr abnehmen dürften und trotzdem teuer bezahlen müssen."

Der Deal ist insgesamt also eine brandgefährliche Angelegenheit, ein allmähliches Vergiften des Weltklimas. Er sorgt für "negative Folgen, die wir am Ende noch teuer bezahlen müssen." Zumal aufgrund strenger Haushaltsregeln bei möglichen Strafzahlungen für Umweltschäden weniger Spielräume für die Umsetzung eigener Klimaziele bleibt.

Welche Alternativen bleiben noch?

Ebenso belegt der Deal wieder einmal, wie gut fossile Energieträger als Erpressungsmittel funktionieren, etwas, das bereits nach Beginn des Ukraine-Kriegs spürbar war. "Die Abhängigkeit von Kohle, Öl und Gas zerstört nicht nur das Klima, sie macht uns erpressbar", sagt André Prescher-Spiridon. Die Antwort darauf könne nur der vollständige Ausstieg aus den fossilen und die Transformation hin zu 100 Prozent erneuerbare Energien sein.

Vielleicht sollte das eher ins Gedächtnis rücken. Denn der historische Deal verliert so seinen Glanz und das Handschlag-Foto zwischen Trump und von der Leyen wirkt da wie eine Aufnahme aus der Vergangenheit – einem Moment, den sich die Zukunft nicht mehr leisten kann.

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