Eine Demokratie lebt vom Widerspruch. Damit hat Bundesinnenminister Horst Seehofer jedoch offenbar ein Problem. Er sagte am Donnerstag in Berlin, man müsse Gesetze komplizierter machen, damit sie nicht "unzulässig in Frage gestellt" werden. Diese Aussage strotzt nur so vor Verachtung für die Grundfesten der Demokratie. Und sie zeigt deutlich: Horst Seehofer ist als Innenminister ungeeignet.
Darum geht es:
Der Bundestag hat am Freitag das "Zweite Datenaustauschverbesserungsgesetz" beschlossen. Das soll Behörden einen einfacheren Zugriff auf das Ausländerzentralregister verschaffen. Teil des Entwurfs ist, dass bereits sechsjährige Flüchtlinge ihre Fingerabdrücke abgeben müssen. Datenschützer kritisieren den Gesetzesentwurf und melden Zweifel an, ob er überhaupt grundgesetzkonform ist.
Das Gesetz ist Teil des "Migrationspakets" der Bundesregierung. Im Gegensatz zu anderen Aspekten wurde es von der Öffentlichkeit bislang jedoch kaum wahrgenommen. Darüber sprach Seehofer am Donnerstag auf dem "Zweiten Berliner Kongress für wehrhafte Demokratie".
Er erklärt sich das so:
"Das Gesetz nennt man Datenaustauschgesetz. Ganz stillschweigend eingebracht. Wahrscheinlich deshalb stillschweigend, weil es kompliziert ist, das erregt nicht so. Ich hab' jetzt die Erfahrung gemacht in den letzten 15 Monaten: Man muss Gesetze komplizierter machen (lacht). Dann fällt das nicht so auf. Wir machen nichts Illegales, wir machen Notwendiges. Aber auch Notwendiges wird ja oft unzulässig in Frage gestellt."
Aufgenommen wurden Seehofers Äußerungen von der ARD:
Seehofer hält demokratischen Widerspruch für unzulässig
Etwas Fataleres kann ein Innenminister kaum sagen. Horst Seehofer ist für den Schutz der Verfassung zuständig. In Artikel 20 des Grundgesetzes heißt es: "Alle Macht geht vom Volke aus."
Seehofers Aussage bedeutet hingegen frei übersetzt so etwas wie: Wenn wir Gesetze so umständlich formulieren, dass das Volk sie nicht versteht, können wir sie an den Wählern vorbeischummeln.
Demokratische Willensbildung scheint für den Minister offenbar ein lästiges Übel zu sein, das es zu umgehen gilt. Diese Verachtung für den demokratischen Prozess – der die Möglichkeit des gesellschaftlichen Widerspruchs gerade vorsieht – passt zu autoritären Scheindemokratien, aber nicht in einen Rechtsstaat.
Ein Politiker, der so spricht, ist als Hüter der Verfassung nicht geeignet. Horst Seehofer ist auf dieser Position also nicht haltbar.
Die Union hat nichts gelernt
Seehofer ist kein Einzelfall. Als in den vergangenen Monaten Zehntausende gegen die EU-Urheberrechtsreform und die mit ihr drohenden Uploadfilter auf die Straße gingen, wurden sie von Unions-Politikern diffamiert. Die Proteste seien eine Fake-Kampagne der "IT-Giganten", schrieb etwa die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier. Kinder und Jugendliche würden instrumentalisiert.
Auch der CDU-Europaparlamentarier Sven Schulze witterte eine Fake-Aktion hinter den Protesten. Er mutmaßte, die E-Mails, die Bürger ihm schickten, seien insgeheim von Google verfasst worden.
Unter anderem hat auch diese Haltung zu demokratischem Protest zu einer großen PR-Krise für die Union geführt: Mit zwei Videos richteten sich Rezo und mehr als 80 weiteren Youtuber kurz vor der Europawahl gegen die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD. Zwar ging es ihnen in erster Linie um das Thema Klimaschutz. Die Videos sind jedoch nur vor dem Hintergrund der Arroganz zu verstehen, die der "Generation Youtube" im letzten halben Jahr von Unionspolitikern entgegen geschlagen ist.
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Nach der Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten herrscht viel Ungewissheit darüber, wie es jetzt mit der Ukraine weitergeht. Es gibt nicht unbegründete Ängste davor, Trump könne dem Land bald den Geldhahn zudrehen.