Nach der Wahl ist vor Anne Will: Am Sonntagabend diskutierte die ARD-Moderatorin die Ergebnisse in Thüringen und den anderen ostdeutschen Bundesländern – in der Runde saß auch AfD-Politiker Georg Pazderski.
Der Vorsitzende des Berliner AfD-Landesverbands wird von Beobachtern zu den gemäßigteren Mitgliedern der in Teilen rechtsradikalen Partei gezählt. Im Talk mit Anne Will bewies Pazderski, dass auch vermeintlich "gemäßigte AfD-Politiker" ein übles Politikverständnis haben.
Zu inhaltlichen politischen Fragen äußerte sich Pazderski in der ARD nicht, er versuchte es auch gar nicht. Stattdessen bemühte der AfD-Politiker durchgängig ein Bild vom Kampf seiner Partei gegen das angebliche Establishment – und feierte die AfD: So verklärte Pazderski die rechtspopulistische Partei ernsthaft zum "größten Demokratieprojekt der letzten Jahre" – da gab es Applaus und Buhrufe im ARD-Studio gleichermaßen.
Pazderski.ard-screenshot
Später beharrte Pazderski dann aller Realität zum Trotz, dass die AfD eine "bürgerliche Partei" sei. Der überwiegende Anteil seiner Parteimitglieder "stehe auf dem Boden des Grundgesetzes". Lediglich Anne Will mühte sich da noch, Pazderski zu widersprechen: "Die nächste Wahl, derselbe Trick: Sie versuchen Ihre Partei zu einer bürgerlichen Partei zu machen."
Will fragte den AfD-Politiker: "Sie waren Berufsoffizier. Sie haben geschworen, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Frage ich mich, wie können Sie dann in einer Partei sein, die der Verfassungsschutz prüft, und den Flügel (eine extrem rechte AfD-Gruppierung, der Höcke vorsteht, Anm. d. Red.) im Sonderfall als Verdachtsfall ansieht, und diesen Flügel als immer extremistischer ansieht?"
Das ist tatsächlich die Gretchenfrage, der sich alle vermeintlich moderaten Mitglieder (und Wähler) der AfD stellen müssten:
Wieso halten es angeblich bürgerliche Politiker und Wähler in einer Partei mit klar erkennbaren Rechtsextremisten und Neonazis aus?
Müssten Politiker, die vorgeben, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, solche Extremisten nicht bekämpfen?
Dazu fielen Pazderski nur zwei Sachen ein: Relativierung und Ablenkung. Der AfD-Politiker wiederholte seine Auffassung, dass die rechtspopulistische Partei auf dem Boden des Grundgesetzes stehe.
Pazderski behauptete weiter, dass die Einschätzung des Verfassungsschutzes politisch motiviert, der neue Verfassungsschutzpräsident "installiert" worden sei. Eine Behauptung, die am Sonntag auch andere AfD-Politiker aufstellten.
Das nahm ihm Will nicht ab: "Denken Sie das wirklich, Herr Pazderski, oder ist das das einzige Argument, das Ihnen einfällt?"
Es war tatsächlich das Einzige, was Pazderski dazu sagen wollte. Stattdessen kündigte der AfD-Politiker eine "Aufklärungskampagne" an, in der man die Verfehlungen des Verfassungsschutzes aufzeigen wolle.
Diese Ankündigung muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen. Und dann aufgrund des üblen Geschmacks, den sie hinterlässt, schlucken.
Statt sich ernsthaft mit den eigenen rechtsextremen, verfassungsfeindlichen Parteikollegen auseinanderzusetzen, kündigt einer der angeblich moderaten AfD-Politiker zur besten Sendezeit an, öffentlichkeitswirksam dagegen vorzugehen, dass seine Partei als verfassungsfeindlich oder rechtsextrem wahrgenommen werden könnte.
Wir gegen alle – völlig egal, wie extrem das eigene "Wir" da mittlerweile eigentlich geworden ist.
Bloß kein Zugeständnis, erst Recht keine Selbstkritik – Pazderski ist völlig egal, welche desaströsen Folgen der Aufstieg des rechtsextremen "Flügels" haben wird. Solange er sich selbst in der Partei irgendwie behaupten kann.
Dieses Politik-Verständnis eines angeblich gemäßigten AfD-Politikers ist die vielleicht erschütterndste Beobachtung eines ohnehin beunruhigenden Talk-Abends.
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