Am 8. September starb Queen Elizabeth II.Bild: www.imago-images.de / imago images
Meinung
Nach dem Tod von Queen Elizabeth II. las man viele Lobgesänge auf diese "starke Frau" und dieses feministische Idol. Doch die Queen war keine Feministin, findet unsere Autorin. Auch, wenn sie vieles richtig machte.
18.09.2022, 10:2118.09.2022, 20:10
Ich mag vielleicht mit meiner Meinung bei einigen auf Gegenwind stoßen. Aber ich bin ganz ehrlich: Als die Queen starb, wurde ich teilweise echt wütend.
Und nicht, weil die ganze Welt um diese Frau trauerte. Das verstand ich nur zu gut – mit ihr hatte eine ganze Ära ihr Ende gefunden. Auch wenn der Tod von Queen Elizabeth II absehbar war: Er war doch ein Schock.
Heldin der Frauenbewegung?
Aber mir ging es um etwas anderes: Plötzlich las ich überall Beileidsbekundungen von bekannten Menschen, die die Queen als Heldin der Frauenbewegung oder als Vorbild für die Emanzipation deklarierten. Und ich muss sagen: Wer behauptet, die Queen sei eine Feministin gewesen, der oder die hat da so einiges falsch verstanden.
Die Queen profitierte vom Patriarchat.
Denn auch im Patriarchat gibt es Frauen, die es nach ganz oben schaffen – was sie bekanntermaßen ja nicht mal aus eigener Kraft heraus tat, sondern sie wurde hineingeboren. Aber selbst wenn: Erfolgreiche Frauen sind noch lange keine Feministinnen.
Was wurde die Queen dafür gefeiert, dass sie eine "Powerfrau" war. Dass sie vier Kinder hatte und trotzdem die Monarchin eines Landes war. Allein der Begriff "Powerfrau" ist schon ziemlich antifeministisch. Er spricht Frauen, die sich nicht dumm und dämlich ackern, das Recht ab, tolle Frauen zu sein.
Worauf ich hinaus will: Feminismus bedeutet nicht, dass sich Frauen in einer von Männern geprägten Welt wie Männer verhalten. Mit dieser Heroisierung von angeblicher Stärke und Disziplin deutet man lediglich das Nachahmen männlich gelesener Attribute als feministisch um.
Schauen wir doch mal:
- Die Queen liebte es, Auto zu fahren. Sie bestand sogar darauf, den saudi-arabischen Kronprinz Abdullah selbstständig über ihr Anwesen zu fahren.
- Während des Zweiten Weltkrieges diente die Queen im Militär und machte dort auch noch eine Ausbildung zur Mechanikerin.
- Ihre Hobbys waren Jagen, Fischen, Reiten.
So weit, so gut.
Die Queen fuhr ihre Autos am liebsten selbst.Bild: www.imago-images.de / imago images
All das (bis auf das Reiten vielleicht) sind Eigenschaften und Präferenzen, die die Gesellschaft Männern zuschreibt. Nun bedeutet Feminismus aber nicht, dass Frauen gute Männer sein sollten.
Über genau dieses Thema habe ich in der Vergangenheit einmal mit der Psychologin und Wirtschaftsprofessorin Ariana Finkel aus Mannheim gesprochen. Sie erzählte mir von einem Stereotyp, das es Frauen wie Männern in der Gesellschaft – und in der Karriere – schwer macht.
"Man hat Arbeitnehmer gebeten, einen Manager und einen Mann mit typischen Eigenschaften zu beschreiben", erzählte mir Finkel. "Die Überlappungen zwischen den beiden waren sehr groß. Die Beschreibung einer weiblichen Person hingegen ergab signifikant weniger Überlappungen mit dem Bild des Managers."
Wir werden daran gemessen, wie gut wir Männer sind
Dieses Stereotyp hat in der Wissenschaft sogar einen Namen: "Think Male, Think Manager" heißt es. Deshalb werden Frauen bei Beförderungen oft übergangen. Weil sie daran gemessen werden, wie gut sie ein Mann sind. Benimmt sich eine Frau wie ein Mann, profitiert sie von dieser patriarchalen Gesellschaftsstruktur.
Nun dürften viele jetzt sagen, einen Manager kann man nicht mit einem Staatsoberhaupt vergleichen. Aber warum eigentlich nicht? Vielleicht sind die Aufgaben nicht genau dieselben, aber die Repräsentation ist doch sehr gut vergleichbar. Und wenn eine Frau in einem normalerweise männlich geprägten Beruf ist – Königin statt König –, dann doch wohl allemal.
Und die Queen? Was hat sie denn hier nun falsch gemacht?
Grundsätzlich hat sie in ihren 70 Jahren Regentschaft vieles gut gemacht: 2015 erkannte sie in einer Rede an, dass Frauen "heute eine viel größere Rolle im öffentlichen Leben spielen – durch ihr eigenes Verdienst".
Royals durften dank der Queen bürgerliche Frauen heiraten, sich modern kleiden und, wenn auch diskret, Emotionen zeigen. Anfang 2022 kümmerte sie sich noch eigenhändig darum, dass die Frau des damaligen Prinzen Charles nach dem Tod der Queen als "Queen Consort" angesprochen wird.
Die neue "Queen Consort" CamillaBild: Pool Getty / Chris Jackson
Was hier aber viele übersehen: Dass Ehefrauen von Königen als "Queen Consort" gekrönt werden, ist die Regel in Großbritannien. Im Fall von Camilla wurde nur über Jahrzehnte darüber gestritten, weil sie als die "Ehebrecherin" angesehen wurde. Sie wurde damals für das Aus der Ehe von Prinz Charles und Prinzessin Diana verantwortlich gemacht.
Das frauenverachtende System
Und da sind wir schon beim eigentlichen Thema. Selbst wenn die Queen hin und wieder kleine Vorstöße machte und auch in jungen Jahren schon als Vorbild für ganze Generationen des weiblichen Geschlechts galt: Sie stützte ein frauenverachtendes System.
Schauen wir also genauer hin:
- Prinzessin Dianas Rolle in der Königsfamilie entwickelte sich bekanntlich anders als geplant. Schon vor der Scheidung von dem damaligen Prinzen und heutigen König Charles machte sich die Boulevardpresse über sie her. Auch die Scheidung wurde ausgeschlachtet. Als sie in Paris bei einem Autounfall starb, schwieg die Queen erst einmal – und äußerte sich erst, nachdem es aus dem Volk Kritik gegeben hatte.
Prinzessin Diana zusammen mit ihrem damaligen Mann Prinz CharlesBild: imago stock&people / United Archives
- Prinzessin Margaret war die jüngere Schwester der Queen und war bis zu Charles’ Geburt die Nummer zwei in der Thronfolge. Erst galt sie als strahlend schöne Frau der Gesellschaft. Wenige Jahre nach ihrer unstandesgemäßen Heirat mit dem Fotografen Antony Armstrong-Jones wurde sie für die Öffentlichkeit zum kettenrauchenden königlichen Unglücksraben.
- Prinzessin Anne ist die einzige Tochter Elizabeths. Auch sie setzte sich in den Kopf, einen Bürgerlichen zu heiraten – und diese wurde medial romantisiert. Dann aber: Ehekrise. Die Yellow Press stahl Liebesbriefe, die Anne mit ihrem heutigen Ehemann schrieb und veröffentlichte sie. Wie peinlich für das Königshaus ...
Und das war noch nicht alles:
- Sarah Ferguson, die Herzogin von York, galt bei der Royal Family als komisch und ordinär. Doch irgendwie kam die Ehefrau von Prinz Andrew gerade noch so durch. Später war sie – vom Boulevard "Fergie" genannt – den Windsors lange Zeit vor allem peinlich. Erst nach der Scheidung besserte sich das Verhältnis zwischen "Fergie" und der Queen.
- Auch Camilla Parker Bowles war dem Hof anfangs peinlich. Denn auch hier veröffentlichte die Boulevardpresse persönliche Korrespondenzen zwischen ihr und dem heutigen König Charles, der damals seiner Frau Diana mit Camilla fremdging. Weil sich Camilla am Ende geräuschlos ins königliche Team eingeordnet hat, spricht kaum noch jemand darüber.
- Mit Meghan Markle gab es im königlichen England fast schon von Anfang an Probleme: Eine schwarze, bürgerliche Frau, die Karriere macht. Eine Frau, die politisch ist und sich auch noch darüber beschwert, wie das Königshaus und die Presse mit ihr umgehen. Wo doch "never explain, never complain" das Credo der Queen war. Meghan und ihr Mann Harry verließen das Königshaus.
Meghan Markle wurde von der Boulevardpresse verfolgt.Bild: www.imago-images.de / IMAGO/Pool
In den allermeisten Fällen war es nicht die Queen, die sich ernsthaft mit den Frauen im britischen Königshaus anlegte. Zumindest befeuerte sie nie öffentliche Skandale oder Hasstiraden.
Feministinnen sind Alliierte
Sie ließ diesen verachtenden Umgang der Bevölkerung mit den Frauen aber einfach so laufen. Sprang nie ein, um zu unterstützen. Und genau das ist der große Fehler, den ich der Queen übel nehme. Echte Feministinnen sind nicht dafür da, der Welt zu zeigen, wie gut eine Frau funktionieren und wie viel Macht sie ausüben kann. Echte Feministinnen sind vor allem eines: Alliierte.
Das war die Queen nie.
Wie sie selbst über die großen Fragen des Feminismus gedacht hat, bleibt wohl sowieso für immer ein Rätsel. Die "Guardian"- Kolumnistin Rachel Cooke meint übrigens: "Es wäre absurd, die Königin als Feministin zu bezeichnen."
Seit über 1000 Tagen herrscht bereits Krieg in der Ukraine. Und das, obwohl der russische Präsident Wladimir Putin das kleinere Nachbarland binnen weniger Tage einnehmen wollte. Nach bald drei Jahren herrscht eine enorme Kriegsmüdigkeit – nicht nur in der Ukraine.