Ursula von der Leyen (l.) und Greta Thunberg.Bild: AA / EU Commission / Pool
Klima & Umwelt
04.03.2020, 12:5504.03.2020, 15:32
Ein Europa ohne neue Treibhausgase: Das Ziel
der "Klimaneutralität" bis 2050 soll in der Europäischen Union
gesetzlich festgeschrieben werden. Dazu stellte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen stellte am Mittwoch einen Entwurf vor.
- Aus der Wirtschaft wie auch von Umweltschützern kam aber sofort Kritik – am heftigsten reagierte die Aktivistin Greta Thunberg.
- Thunberg prangerte die Pläne der EU als "Kapitulation" an, weil nur ein Fernziel gesetzt wird. Gegenmaßnahmen müssten sofort beginnen, schrieb Thunberg in einem offenen Brief mit anderen Aktivisten.
Der europäische "Green Deal" – darum geht's:
Zentraler Punkt im EU-Klimagesetz ist die verbindliche Festlegung des Ziels für 2050. Klimaneutralität bedeutet, dass dann alle Treibhausgase vermieden oder ausgeglichen werden, etwa durch Aufforstung oder Speicherung. Damit soll die Erwärmung der Erde bei einem verträglichen Maß gestoppt werden.
Das Ziel für 2050 ist von den EU-Staaten bereits grundsätzlich vereinbart. Das Gesetz umreißt nun den Weg dorthin. So soll von 2023 an alle fünf Jahre überprüft werden, ob die Zielmarke zu halten ist. Falls nicht, sollen die EU-Staaten Empfehlungen annehmen. Für die Jahre 2030 bis 2050 ist ein Zielkorridor vorgesehen. Etappenziele sollen nötigenfalls von der EU-Kommission nachgeschärft werden.
- "Wenn dein Haus brennt, wartest du nicht noch ein paar Jahre, bevor du es löschst", sagte Thunberg dazu. Doch genau das tue die EU-Kommission. "Das macht überhaupt keinen Sinn." In Brüssel werde offensichtlich nicht darauf gehört, was die Wissenschaft sage.
- Auch verstehe sie nicht, wie "nach wie vor Infrastruktur für fossile Energieträger gebaut und subventioniert" werden könne, fuhr die Schwedin fort. Besonders Projekte zur Verwertung von Erdgas sollen der Kommission zufolge vorerst förderwürdig bleiben. Erdgas soll als "sauberster" der fossilen Brennstoffe eine wichtige Rolle in der Übergangsphase hin zur Klimaneutralität spielen.
Das kritisiert Greta an der Europäischen Union:
Hauptkritikpunkt von Umweltschützern und Grünen ist, dass noch
kein neues Ziel für 2030 gesetzt wird. Bisher gilt, dass die EU die
Klimagase bis 2030 um 40 Prozent unter den Wert von 1990 drücken
will. Die EU-Kommission erwägt eine Verschärfung auf 50 bis 55
Prozent, will aber vorher die Folgen genau prüfen und erst im
September einen Vorschlag machen. Klimaschützer verlangen 65 Prozent
und dringen darauf, das rasch festzulegen.
Auch Thunberg hakte an diesem Punkt ein. Sich auf die Zielmarke
2050 zu konzentrieren, bedeute aufzugeben, schrieb sie in dem offenen
Brief:
"Wir brauchen nicht nur Ziele für 2030 oder 2050. Wir brauchen sie vor allem für 2020 und jeden Monat und jedes Jahr, das nun folgt."
Entscheidend sei, dass für einen Stopp der globalen Erwärmung bei
1,5 Grad Celsius weltweit höchstens noch 340 Gigatonnen Kohlendioxid in die
Atmosphäre gelangen dürften. Doch dieses CO2-Budget werde völlig
ignoriert. "Das muss sich in dieser Minute ändern."
Je kurzfristiger das Klimaziel, desto größer ist aber der
politische Streit. Denn nötig würden rasch spürbar härtere Auflagen
für Industrie, Energieversorger, Landwirtschaft und private
Haushalte. Zur Verschärfung der Marke für 2030 hat auch Deutschland
bislang keine Position. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sind sich uneins.
Die Industrie warnt vor einer Verschärfung:
Der Bundesverband der Deutschen Industrie warnte vor immer
schärferen Zielen, die Unternehmen überfordern könnten. Zum
EU-Klimagesetz sagte der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer
Holger Lösch der Deutschen Presse-Agentur: "Es bleibt völlig offen,
ob und mit welchen Instrumenten weitere Zielverschärfungen überhaupt
erreicht werden könnten." Der Deutsche Gewerkschaftsbund äußerte
Vorbehalte gegen schärfere Zwischenziele. Nötig seien vielmehr
konkrete Maßnahmen für einen gerechten Strukturwandel.
(ll/pcl/afp/dpa)
Boris Pistorius (SPD) ist seit Januar 2023 Bundesverteidigungsminister unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er gilt als einer der beliebtesten Politiker Deutschlands.