Die Angst im Winter frieren zu müssen wächst in der Bevölkerung. In Hamburg zum Beispiel sind Anfang Juli Heizlüfter teilweise ausverkauft. Mietkonzerne kündigen an, die Heizungen der Mietenden zu drosseln.
Energiesparfieber in der Republik.
Der Grund: Die Sorge, dass Russland den Gashahn nach den Wartungsarbeiten von Nord Stream 1 nicht wieder aufdreht, ist groß.
Angesichts einer möglicherweise drohenden Energie-Knappheit im Winter arbeiten die Städte an Krisenplänen und prüfen Maßnahmen zum Einsparen von Gas, die jetzt schon umgesetzt werden sollen.
"Klar ist dabei: Niemand soll im Winter frieren müssen", sagte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Städtetages, Verena Göppert, der Nachrichtenagentur dpa.
Wie bereiten sich die Städte und Gemeinden vor? watson hat bei vier jungen Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen von Kleinstädten und Gemeinden nachgefragt, was sie planen. Und, was sie von den Entscheidern in Berlin erwarten.
Eine dieser Kleinstädte ist Bad Soden-Salmünster. Eine Kurstadt im Südosten Hessens. 13.414 Menschen leben dort, berühmt ist das Städtchen in den grün-bewaldeten Hügeln des Spessarts für seine Thermalsole – und die Spessart Therme.
Der Bürgermeister der Stadt ist Dominik Brasch. 2018 wurde der Parteilose mit 32 Jahren ins Amt gewählt. Heute ist Brasch 36 Jahre alt.
Er sagt: "Wir arbeiten momentan mit Hochdruck an der Frage, wie wir Einsparungen beim Gas hinbekommen."
Das sei als Kurstadt aber schwierig. Die Spessart Therme sei eine der größten Thermalbäder in Hessen – und habe einen hohen Energiebedarf. Einen hohen Gasbedarf, um genau zu sein. Abschalten ist allerdings nicht so einfach, meint der Bürgermeister.
Er sagt:
Die Stadt habe die größten Verbraucher analysiert, meint Brasch. Nun werde geprüft, welche Reduzierungen in jedem Einzelfall möglich sind. Und ob zum Beispiel kurzfristige technische Änderungen wie Wärmepumpen einsetzbar sind. Außerdem denke er über die Einrichtung von Wärmeräumen für den Winter nach. Noch gebe es aber keine Einschränkungen.
Allerdings: Das Freibad ist geschlossen. Aus wirtschaftlichen Gründen, sagt Brasch. Denn die gestiegenen Energiekosten rissen schon heute ein großes Loch in die Kasse von Bad Soden-Salmünster.
Brasch meint, auf Bundesebene habe man mit dieser Krise rechnen müssen. Er sagt, die mangelnde Vorbereitung müsse kritisiert werden. Genauso wie der Mangel an Alternativen in der Energieversorgung.
Dass nun aber Erneuerbare Energien schnell ausgebaut werden sollen, freue den Bürgermeister. Er ist sich sicher: Die Städte und Gemeinden seien bereit dafür, ihren Teil auf kommunaler Ebene beizutragen.
Entscheidend werde sein, dass die Energiewende für die kommunale Ebene auch bezahlbar bleibe.
Brasch sagt:
Diesen Umgang mit der Krise sehe Brasch in Berlin. Deswegen zeigt er sich optimistisch: "Es werden anstrengende Jahre für alle politischen Ebenen, aber wir werden sie meistern."
Auch Laura Isabelle Marisken ist Bürgermeisterin eines Ortes, der vor allem für seine Bäder bekannt ist. Ihre Gemeinde ist das Ostseebad Heringsdorf auf der Insel Usedom.
Knapp 10.000 Menschen leben dort. Anders als Bad Soden-Salmünster allerdings, spielt die Gemeinde der 34-Jährigen mit dem Gedanken, die Ostseetherme vom Netz zu nehmen, um Energie zu sparen.
"Ich sehe der Entwicklung mit Sorge entgegen", sagt Marisken. Derzeit prüfe die Gemeinde Energiemodelle, die die Kommune autarker machen könnten. Eine Möglichkeit für das Ostseebad: Geothermik.
Die geologischen Begebenheiten seien bereits geprüft worden – das Potenzial sei da. Für den Winter sei die Geothermik als Energiequelle allerdings noch keine Option, meint Marisken. Denn noch stehe das Projekt ganz am Anfang.
Was stattdessen gerade in Heringsdorf passiere: Die kommunalen Wohnungsgesellschaften versuchten Verträge zu sichern. Und es würden Szenarien durchgespielt, meint Marsiken, welche großen Energiefresser man frühzeitig vom Netz nehmen könne. Als Beispiel nennt sie die Ostseetherme.
Hügel, Wälder und dazwischen Fachwerkhäuser. Heidenheim an der Brenz liegt im Osten Baden-Württembergs, direkt an der bayerischen Grenze.
Der Oberbürgermeister der 48.000-Einwohner-Stadt ist Michael Salomo. 2013 war er mit 25 Jahren der jüngste Bürgermeister Deutschlands, heute ist er 33 Jahre alt.
Um Energie zu sparen, meint Salomo, beabsichtige die Stadt Heidenheim, die Wassertemperaturen im Freibad auf 22 Grad Celsius zu senken – normalerweise liegt die Wassertemperatur bei 24 Grad Celsius.
Salomo sagt, so könne ein Drittel der bisher notwendigen Jahresgasmenge gespart werden. Auch das Hallenbad soll nach der Sommerpause nur eingeschränkt geöffnet werden. Salomo präzisiert:
Zum Sportschwimmen bleibe das Bad aber weiterhin geöffnet, sagt der Oberbürgermeister.
Gleichzeitig seien die Stadtwerke Heidenheim auch im Bereich der Erneuerbaren Energien tätig. Die regenerativen Energien deckten den jährlichen Strombedarf von etwa 143.000 Haushalten, meint Salomo.
Für den Sozialdemokraten ist klar: "Das Krisenmanagement in Berlin ist nur ein Aspekt der neuen Situation." Es sei notwendig, Rahmenbedingungen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien zu schaffen.
In den Weinbergen im nordwestlichen Baden-Württemberg liegt die Gemeinde Sternenfels. Die Bürgermeisterin des 2821-Einwohner-Dorfes ist Antonia Walch.
Seit 2020 ist die 30-Jährige die Herrin im Rathaus. Und dort werde aktuell geprüft, wie Sternenfels Energie sparen kann. Walch zählt auf: Straßenbeleuchtung, Warmwasser, möglicherweise auch Schließungen von kommunalen Hallen, Überprüfung von Heizungseinstellungen.
Walch hofft, dass ihre Gemeinde genügend Einsparpotenzial erkennt. Sie sagt:
Auswirkungen hätten die Energiesparversuche bisher nicht. Zumindest nicht auf die Bürgerinnen und Bürger. Schon aber auf die Mitarbeitenden der Gemeinde – denn die Planung sei ein enormer Mehraufwand.
Von den Politikerinnen und Politikern in Berlin erwartet Walch vor allem, dass sie sich von den Streitereien der Parteizugehörigkeit lösten. Gerade mit Blick auf die drohende Energie- und Klimakrise sei das unerlässlich. Walch sagt:
Die Bürgermeisterin hofft, dass nicht mit den Ängsten der Bürgerinnen und Bürger gespielt werde – und, dass nicht mehr ständig die Schuldfrage gestellt werde.
Stattdessen müsse der Blick in die ungewisse Zukunft gerichtet werden, damit "mutig nach neuen Ansätzen und Lösungen überparteilich gesucht werden kann."
Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bereiten sich und ihre Kommunen also vor – gleichzeitig fordern sie von der Bundespolitik jedwede Unterstützung. Denn auch wenn sie willig sind, die Energiewende anzugehen: Am Ende ist die Schnelligkeit und die Leichtigkeit eine Entscheidung des Bundes.