Tim Walz war lange Zeit selbst für Kenner der US-Politik ein unbeschriebenes Blatt. Erst Anfang August 2024 zauberte Kamala Harris den Gouverneur von Minnesota aus dem Ärmel. Der 60-jährige Hobby-Jäger ging als Vize-Präsidentschaftskandidat mit Harris gegen das republikanische Duo ins Rennen und wollte mit politischen Erfolgen und seiner nahbaren Persönlichkeit im Wahlkampf punkten. Am Ende reichte es jedoch nicht zum Sieg gegen Donald Trump und JD Vance.
Wir stellen den Politiker vor, nehmen seine Karriere und Familie unter die Lupe und erklären, was er mit China zu tun hat.
Hier gibt es alle Informationen über Tim Walz.
Wie sein Nachname erahnen lässt, stammen viele von Tim Walz' Vorfahren aus Deutschland. Daneben hat er Wurzeln in Schweden, Luxemburg und Irland. Walz wurde katholisch erzogen, spielte in seiner Jugend Football, Basketball und versuchte sich in der Leichtathletik.
Mit drei Geschwistern wuchs er im ländlichen Nebraska auf. Zunächst lebte die Familie in Valentine. Sein Vater, der für die USA im Koreakrieg diente, arbeitete dort als Lehrer, während seine Mutter ihre Rolle als Hausfrau auslebte. Als Walz' Vater an Lungenkrebs erkrankte, zog die Familie innerhalb Nebraskas nach Butte, wo Walz seinen High-School-Abschluss machte.
Als sein Vater starb, half Walz auf der Farm der Familie aus. Nach dem Abschluss zog er nach Houston, Texas, wo er sich für ein Studium der Ostasienwissenschaft mit Schwerpunkt auf China, Japan und Korea einschrieb. Gleichzeitig diente er in der Armee für die texanische Nationalgarde.
Nach seiner Rückkehr nach Nebraska 1987 schloss Tim Walz sein Studium ab und wurde Lehrer. Erste berufliche Schritte machte Tim Walz allerdings in China. In Peking hatten sich kurz zuvor Studentenproteste abgespielt, bei deren blutiger Niederschlagung mehrere Hunderte Studierende getötet wurden.
Dennoch wählte er den riskanten Schritt und lehrte in der Industriestadt Foshan zwischen Dezember 1989 und Dezember 1990 Englisch und amerikanische Geschichte. Gemeinsam mit seiner späteren Frau Gwen gründete er nach seiner Rückkehr in die USA ein Unternehmen, das US-amerikanischen und chinesischen Schüler:innen den Austausch erleichterte.
Republikaner werfen ihm deshalb eine ungesunde Nähe zum Regime in Peking vor. Der Senator aus Arkansas, Tom Cotton, verlangte eine Erklärung für die "ungewöhnliche, 35 Jahre anhaltende, Beziehung zum kommunistischen China". Allerdings kritisierte Walz immer wieder die soziale und menschenrechtswidrige Politik in Peking.
In Nebraska trat Tim Walz seine erste Anstellung als Lehrer einer US-amerikanischen Highschool an. In der Kleinstadt Alliance unterrichtete er Sozialwissenschaften und Erdkunde und verdiente sich den Spitznamen "Coach Walz" als Trainer des Football-Teams.
Während seiner Lehrtätigkeit lernte er Anfang der 1990er-Jahre seine Kollegin Gwen Whipple kennen. Das Paar gab sich 1994 an einem denkwürdigen Datum das Ja-Wort.
Am 4. Juni, fünf Jahre nach dem Studentenmassaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking, heiratete Walz seine Frau. Nach eigener Auskunft habe er nach einem Termin gesucht, "an den er sich erinnern kann". Auf die Hochzeitsreise nach China nahm das Paar zwei Gruppen von Schüler:innen zum Austausch mit.
Das Ehepaar aus dem Mittleren Westen, das nach der Kochzeit nach Minnesota zog, gilt als gut abgestimmtes Tandem. Gwen Walz arbeitete an der Mankato West High School als Englischlehrerin und trainierte die Cheerleader von Tim Walz' Football-Mannschaft.
Beide engagieren sich sozial. Bereits ab 1999 leitete Tim Walz eine queerfreundliche Schülervereinigung für homosexuelle Jugendliche und seine Frau unterstütze Sträflinge in einem örtlichen Gefängnis. Dort unterwies sie die Häftlinge im Debattieren und schlug damit sogar ein Team von Studierenden aus der renommierten Harvard-Universität.
Tim Walz gilt unter US-Politiker:innen als arm. Laut Steuerunterlagen verfügt er über weniger als eine Million Dollar.
Die Nominierung von Tim Walz als Vize-Präsidentschaftskandidat hat über die Parteigrenzen hinaus Strahlkraft. Nicht nur als Kind des Mittleren Westens, einer Domäne der konservativen Republikaner, sondern auch im Hinblick auf seine Familie strahlt er Glaubwürdigkeit in Fragen der Abtreibung und der künstlichen Befruchtung aus.
Der Grund: Walz' Tochter Hope (23) und Sohn Gus (17) wurden beide durch künstliche Befruchtung gezeugt. Zuvor hatte sich das Ehepaar jahrelang vergeblich um Nachwuchs bemüht. Walz bekannte im Wahlkampf: "Unser Weg zur Fruchtbarkeit war eine unglaublich persönliche und schwierige Erfahrung."
Die medizinische Behandlung stellt einen wichtigen Teil in der Biografie von Tim Walz dar, weil die Republikaner die Rechte auf Selbstbestimmung der Frau in diesem Zusammenhang attackieren. Besonders Donald Trumps Vize-Kandidat J.D. Vance gilt als erzkonservativ in Fragen der Fortpflanzungsrechte.
Bereits 1981 verpflichtete sich Walz als 17-Jähriger für den Dienst in der Nationalgarde. In 24 Dienstjahren kam er viel um die Welt und erlebte Stationen in Italien, nördlich des Polarkreises in Norwegen und neben weiteren Aufenthalten in den USA auch im schwäbischen Neu-Ulm.
Als Reservesoldat brachte er es bis zum Command seargant major, einem Dienstrang ähnlich dem Oberfeldwebel. Im Jahr 2005 zog er sich zurück, nachdem er seine Dienstzeit aufgrund des Terroranschlags vom 11. September 2001 auf das World Trade Center um vier Jahre verlängert hatte. Während des Dienstes galt er unter anderem als ausgezeichneter Scharfschütze.
Als Kind der Mittelschicht aus Nebraska hatte Tim Walz früh mit Schusswaffen zu tun. Eines seiner Hobbys ist daher nicht unüblich: die Jagd. Lange galt er als Verfechter von Waffenrechten. Erst 2018 änderte er nach dem Schulmassaker von Parkland seine Haltung. Ein Ex-Schüler hatte in einer Highschool in Florida 17 Menschen getötet.
Auch abseits davon vertritt Walz typisch demokratische Ansichten. Er setzte sich ab 2006 als Abgeordneter im Repräsentantenhaus für das Recht auf Abtreibung ein, förderte ab 2019 als Gouverneur erneuerbare Energien und sicherte den Schüler:innen in Minnesota kostenloses Schulessen. Außerdem setzte er sich erfolgreich für die Legalisierung von Cannabis ein.
Der Pädagoge und Gewerkschafter zog den Unmut der Konservativen auf sich, weil er ein Gesetz verabschiedete, das kostenlose Tampons auf Schultoiletten vorschreibt. Zudem senkte er Steuern für mittlere und niedrige Einkommen.
Walz gilt wegen seiner volksnahen, verbindlichen Art und seinen feurigen Reden als idealer Landesvater im demokratisch geprägten Minnesota. Er feuerte zahlreiche Attacken gegen die Politik und Persönlichkeiten der Republikaner.
Kurz vor seiner Nominierung prägte er mit Blick auf die Republikaner den Begriff "weird", also seltsam, gegen den die Konservativen seitdem auf Twitter, Instagram, Facebook und Tiktok vergeblich ankämpfen.
Zudem versprüht Walz den spröden Charme eines Vaters aus dem Mittleren Westen, die "Dad Energy". Diese macht Walz als Kamala Harris "Running Mate" zur perfekten Ergänzung. Sein Image und seine Herkunft gelten als Trumpf im Kampf um die Stimmen von weißen, eher konservativen Menschen in den wahlentscheidenden Swing States.