Für den Kreml und Russlands Präsident Wladimir Putin läuft es im Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht wie gewünscht. Die Offensive auf Charkiw bringt bisher nur kleine Geländegewinne bei hohen personellen Verlusten. Aber nicht nur an der Front hakt es.
Nach ausbleibenden Erfolgen auf dem Schlachtfeld und zudem Korruptionsvorwürfen gegen Beamte im Verteidigungsministerium baut Putin gerade den Machtapparat Russlands um. Neben neuem Personal ist auch eine Neustrukturierung der russischen Wirtschaft geplant.
Anscheinend spielt bei genau diesen Umwälzungen nun auch überraschend Putins jüngste Tochter eine Rolle.
Seit Mittwoch findet in St. Petersburg ein großes Wirtschaftsforum statt. Am ersten Veranstaltungstag sprach auch Präsident Wladimir Putin selber in einer Medienrunde. Dort äußerte er sich etwa zu Russlands Krieg in der Ukraine und den Konflikt mit der Nato. Deren Sorgen, Russlands Armee könne Invasionen auf Nato-Mitgliedsstaaten planen, sei "Bullshit".
Doch der Kreml-Chef war nicht der einzige Putin in Petersburg. Einen Tag später, am Donnerstag, stand auf dem Programm eine Veranstaltung, bei der eine Rednerin namens "Katerina Wladimirowna" auftrat. Für Beobachter:innen ohne Hintergrundwissen dürfte das nicht weiter auffällig gewesen sein. Für andere wiederum war klar: Da redet Wladimir Putins jüngste Tochter.
Diese heißt mit vollem Namen Katerina Wladimirowna Tichonowa und ist in der Öffentlichkeit nur selten präsent. Putin schirmt seine Familie nämlich in weiten Teilen ab.
Bei der Veranstaltung am Donnerstag sprach sie zum Thema Im- und Export im Militärbereich. Das mag sich zunächst unspektakulär anhören – ist jedoch ein Kernbereich von Putins Plan für den Krieg in der Ukraine.
Der russische Präsident möchte nämlich die russische Wirtschaft nun noch mehr auf den Krieg ausrichten. Teil dieses Plans war bereits, Ökonom Alexei Beloussow zum Nachfolger von Sergei Schoigu als Verteidigungsminister zu ernennen.
Dem neuen Amtsinhaber dankte Putins Tochter Tichonowa laut der "Bild" auch bei ihrer Rede in Petersburg für seine Unterstützung bei ihrem Projekt. Tichonowa ist Generaldirektorin von Innopraktika, einem Innovationsfonds der Moskauer Lomonossow-Universität. In ihrer Rolle hat sie auch Einfluss auf Aufträge in der Rüstungsindustrie.
Diese, so Tichonowa, sollten von ausländischen Firmen mehr auf russische Unternehmen übertragen werden, um eine "technologische Souveränität" zu erlangen. Sprich: Mit der Aufsicht über russische Rüstungsaufträge sorgt Tichonowa dafür, dass mehr Militärausrüstung in Russland produziert wird.
Sie verkündete, dass bereits Aufträge im Wert von umgerechnet 890 Millionen Euro "aus dem Ausland an russische Unternehmen übertragen" worden seien. Bei weiteren Aufträgen im Wert von 3,4 Milliarden Euro sei dies geplant.
Tichonowas Ausführungen zur Umverlagerung der Rüstung auf die heimische Wirtschaft passt zu den angekündigten Plänen ihres Vaters. Kremlchef Putin schwört sein Land nach mehr als zwei Jahren seines Angriffskrieges gegen die Ukraine generell auf einen Ausbau der Kriegswirtschaft ein.
Russlands Präsident habe eine ganze Liste von Anweisungen für die Entwicklung des Rüstungssektors unterschrieben, um noch mehr Waffen und Munition zu produzieren. Das sagte der erste Vizeregierungschef Denis Manturow ebenfalls auf dem Petersburger Wirtschaftsforum.
Bei einer Veranstaltung, in der es um Rüstungsfragen ging, betonten Teilnehmende, dass Russland schneller und zu einem Viertel der Kosten im Westen Waffen und Munition produziere. Das Land stelle sich auf eine jahrzehntelange Kriegswirtschaft ein, hieß es. "Heute ist der militärisch-industrielle Komplex die Lokomotive der Wirtschaft", sagte auch der Ökonom Pjotr Fradkow, Vorsitzender der Promsvyazbank.
(mit Material der dpa)