Der russische Angriffskrieg hat die Weltordnung auf den Kopf gestellt. Seit 20 Monaten führt Russland in der Ukraine eine Drei-Tage-Militäroperation. Sie verschlingt reichlich Geld, Ressourcen und Menschenleben.
Der Kreml äußert sich so gut wie gar nicht zu den Verlusten an der Front. Das ukrainische Verteidigungsministerium beziffert aktuell die Zahl der russischen Truppenverluste auf mehr als 300.000 Soldaten. Die Zahlen der Ukraine sind allerdings mit Vorsicht zu genießen – unabhängig überprüfen lassen sie sich nicht.
Laut des britischen Verteidigungsministeriums haben etwa 150.000 bis 190.000 russische Soldaten ihr Leben in Russlands völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verloren. Die Verluste steigen weiter – gerade jetzt durch die schweren Kämpfe um die Stadt Awdijiwka.
Jüngst verkündete auch Russlands Finanzminister Anton Siluanow, dass die Militärausgaben bis 2024 verdoppelt werden. "Die Gesamtausgaben für die Landesverteidigung werden im Vergleich zu den Vorjahren erheblich steigen. 29 Prozent aller Haushaltsausgaben sind heute für unsere Hauptaufgabe bestimmt – unseren Sieg zu sichern", sagt Siluanow.
Doch was wäre, wenn Putin heute das Kriegsende verkünden würde? Diese Frage hat die russische nicht staatliche Forschungsorganisation "Levada Analytical Center" (Levada Center) an das russische Volk gestellt. Das Ergebnis überrascht.
70 Prozent der Befragten würden Putins Entscheidung unterstützen, den Krieg "noch diese Woche" in der Ukraine zu beenden. Diese Zahlen gehen aus einer Umfrage hervor, die das Levada-Analysezentrum vom 19. bis 25. Oktober in Russland in persönlichen Interviews durchgeführt hat.
Kuriose Statistik, meint Anton Gerashchenko, Berater des ukrainischen Innenministeriums. "Die Umfrage wurde vom russischen Levada-Zentrum durchgeführt, das vollständig unter der Kontrolle des Kremls steht", führt er auf X, ehemals Twitter, aus und teilt das Ergebnis.
Aufgabe des Levada-Zentrums sei es, regelmäßig die öffentliche Meinung in Russland zu beobachten, heißt es auf der Website. Es führe Forschungsarbeiten für Unternehmen, Universitäten und Nichtregierungsorganisationen in Russland und auf der ganzen Welt sowie für internationale Organisationen durch.
Der Chef im Aufsichtsrat des Zentrums ist der sowjetische Wirtschaftswissenschaftler Abel Aganbegyan. Er ist Vorsitzender mehrerer nationaler Ausschüsse und Räte, damals war er persönlicher Berater in Wirtschaftsfragen von der politischen Größe Michail Gorbatschow.
Der Soziologe und Analyst Denis Volkov ist laut eigener Angabe der Direktor vom "Levada-Zentrum". Der US-amerikanische Think-Tank "Jamestown Foundation" bezeichnet die Forschungseinrichtung als "ein unabhängiges Meinungsforschungsinstitut und Think-Tank mit Sitz in Moskau". Volkov habe mehrere Publikationen über die Zivilgesellschaft, Proteste und politische Einstellungen in Russland verfasst, heißt es weiter.
Doch laut Gerachshenko übt der Kreml wohl Einfluss auf das Forschungszentrum aus. "Das bedeutet, dass diese Informationen absichtlich in den öffentlichen Raum gestellt wurden", führt er aus. Die genauen Ergebnisse fielen folgend aus:
Allerdings stellte das "Levada-Zentrum" in diesem Zusammenhang noch eine zweite Frage, die aufzeigt, dass die Russen offenbar nur unter einer Bedingung einem Kriegsende zustimmen würden.
Die Mehrheit der Befragten würde ein Kriegsende aber nicht unterstützen, wenn es mit der Rückgabe aller besetzten ukrainischen Gebiete verbunden wäre. Das sind die Zahlen im Detail:
Allerdings gab die Hälfte der Befragten auch an, dass sie Friedensgespräche der Fortsetzung des Krieges vorziehen würden. Interessant ist auch, dass 41 Prozent der Befragten den Krieg nicht beginnen würden, wenn sie die Möglichkeit hätten, die Zeit zurückzudrehen und die russische Invasion in der Ukraine rückgängig zu machen.
Die meisten Befürworter:innen der "speziellen Militäroperation" gab es in der Altersgruppe der 55-Jährigen und Älteren, von denen 51 Prozent Putins Entscheidung vom Februar 2022 unterstützten.